TagKapitalismuskritik

Die Herrschaft des Privateigentums

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Ingo Stützle schreibt zu Mythos und Realität der »Chicago Boys« bei der Durchsetzung der neoliberalen Agenda nach dem Militärputsch in Chile vor 50 Jahren. um ein Text, der sich kritisch mit der Geschichte und der Durchsetzung des Neoliberalismus beschäftigt, der nicht den Militärputsch in Chile vor 50 Jahren und die sogenannten Chicago Boys erwähnt. So schreibt David Harvey in seiner »Kleinen Geschichte des Neoliberalismus«: »Damals wurde ein Team von Ökonomen nach Santiago beordert, das der chilenischen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen sollte. Man nannte sie die ›Chicago Boys‹«. Die chilenischen Ökonomen, ausgebildet bei neoliberalen Größen wie Milton Friedmann und Friedrich August von Hayek, so die gängige Erzählung, hätten damals das neoliberale Handwerkszeug von Privatisierung...

Pausenlose Profitlogik

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Wer die Ursachen für die Erwerbszentrierung der Gesellschaft ergründen will, kommt am Mehrwert nicht vorbei »Ökonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf« heißt es in Karl Marx‘ »Grundrissen «. Was meint er damit? Menschen leben und überleben, indem sie füreinander da sind, mit- und füreinander »arbeiten«. Die Formen, wie diese Arbeitsteilung organisiert ist, sind jedoch sehr verschiedenartig. Nicht nur historisch, also über die Jahrhunderte, ja Jahrtausende hinweg, sondern auch unter den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen sind da recht unterschiedliche soziale Logiken am Werk. In der Wohngemeinschaft regelt die Putzuhr, wann wer was zu tun hat. Wird sie von wem ignoriert, kann man zumindest daran erinnern, dass man sich einmal gemeinsam auf diese Form der...

Die Leidenschaft am Eigeninteresse. Adam Smith und die Politische Ökonomie auf der Suche nach ihrem Gegenstand

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Auch wer von Adam Smith noch nie etwas gehört hat, kennt wahrscheinlich die fixe Idee, dass die Marktkräfte wie eine „unsichtbare Hand“ wirken und dafür sorgen, dass die Wirtschaft effizient und gerecht funktioniert.[1] Diese Metapher wird gerne dann strapaziert, wenn wahlweise Staats- oder Marktversagen beklagt und eine neue „Balance“ angemahnt wird – oder Adam Smith gewürdigt werden soll, dessen 300. Geburtstag in diesen Tagen zu feiern wäre. Wann genau, weiß man bis heute nicht, denn der Tag seiner Geburt ist nicht überliefert. Das Datum, an dem er getauft wurde, hingegen schon. Es war der 5. Juni – zumindest nach dem julianischen Kalender, einem der ältesten Sonnenkalender, dem Vorläufer des heute gebräuchlichen gregorianischen.[2] Die Umstellung vom einen auf den anderen sollte dem...

Material für Theoriearbeit: Was Karl Marx und Friedrich Engels in England suchten und fanden

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»In England ist immer Wales eingeschlossen, in Großbritannien England, Wales und Schottland, im Vereinigten Königreich jene drei Länder und Irland.« Karl Marx: Das Kapital, MEW, Bd. 23, S. 683, Fn. 107. Im Vorwort zur Erstauflage des »Kapitals« von 1867 schreibt Karl Marx, dass die »klassische Stätte« der kapitalistischen Produktionsweise England ist. Dies sei der Grund, warum er es zur »Hauptillustration« seiner »theoretischen Entwicklung« herangezogen habe. Wer glaube, mit den Achseln zucken zu müssen, so Marx weiter, dem rufe er zu: »Über dich wird hier berichtet!« Sein Hauptwerk »Das Kapital« erschien fast 20 Jahre nachdem er auf die Insel geflüchtet war; die englische Übersetzung des ersten Bandes des »Kapitals« sollte er jedoch nicht mehr erleben. Sie erschien vier Jahre nach seinem...

Wie die Mathematik in die Wirtschaftswissenschaften kam und die Verhältnisse mystifiziert

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Wenn jeder Mensch auf eine Zahl reduziert wird, kann das Unternehmen niemals die ganze Person sehen«, heißt es im Harvard Business manager (7/2022, S. 28), womit das Magazin eine gängige Kritik formuliert, warum der Kapitalismus unmenschlich ist, nämlich, dass von all dem, was einen Menschen ausmacht, abstrahiert wird und am Ende nur eine Zahl übrig bleibt. Ein Businessmagazin hat selbstredend keine Gesellschaftskritik im Sinn. Wer diese jedoch formuliert, kommt nicht umhin, auch die Wirtschaftswissenschaften zu kritisieren, die beanspruchen, die herrschende Wirtschaftsweise zu verstehen. Nicht ohne Grund trägt Marx’ Hauptwerk »Das Kapital« den Untertitel »Kritik der Politischen Ökonomie«, womit der Kapitalismus und die Wissenschaft gemeint sind. Und die Disziplin, selbst die Strömungen...

Profit-Preis-Spirale

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In den letzten Tagen hatten sich einige in den sozialen Medien darüber empört, dass die DAX-Konzerne nicht nur hohe Gewinnen ausweisen, sondern diese auch noch in Form von Dividenden an die Anteilseignerïnnen weitergeben: »Einer Prognose zufolge werden sie so viel Geld an ihre Aktionäre ausschütten wie noch nie« heißt es bei tagesschau.de. Die Rede ist von 54 Milliarden Euro; das sind nochmal sechs Prozent mehr als in diesem Jahr. Die Empörung rührt daher, dass angesichts der hohen Inflationsraten immer wieder das Gespenst der Lohn-Preis-Spirale beschworen wird, das dazu dienen soll, Lohnzurückhaltung einzufordern, um die Preissteigerungen nicht noch weiter anzuheizen: »Mit der Warnung »Lohn-Preis-Spirale!« wird dem Lohn nicht die Schuld an der hohen Inflation gegeben; aber die...

Ist Kriegswirtschaft ein gutes Beispiel für eine »andere« Wirtschaft?

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»Es genügt nicht, dass der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muss sich selbst zum Gedanken drängen.« – Ein Satz des frühen Marx. Die Revolution von 1848 war noch ein paar Jahre hin, die Politische Ökonomie hatte er als Gegenstand noch nicht für sich entdeckt und das Proletariat war nicht mehr als ein philosophischer Demiurg, zumindest im Text, aus dem das Zitat stammt. Ich musste an den Satz nach einer Lektüre eines Textes von Ulrike Herrmann in den aktuellen Blättern denken (ein Auszug aus ihrem neuen Buch). Darin formuliert sie einige Ideen „Raus aus der Wachstumsfalle“, anhand der britischen Kriegswirtschaft. Diese soll illustrieren, dass es funktioniert, wenn Staaten wirtschaftliche Prozesse planen, statt sie der Marktlogik zu überlassen. An das Marx-Zitat musste ich...

Money makes the world go green? Eine Kritik der Modern Monetary Theory (MMT) als geldtheoretisches Konzept

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In der aktuellen PROKLA (202) ist mein Beitrag zu MMT (Modern Monetary Theory) erschienen. Bisher nur im gedruckten Heft zugänglich.

In den letzten Jahren ist ein geldtheoretisches Konzept prominent geworden, das für sich beansprucht, mit den Irrtümern der ökonomischen Orthodoxie zu brechen und eine Antwort auf die Frage zu geben, wie etwa ein Green New Deal finanziert werden kann: Modern Monetary Theory (MMT). Der Beitrag diskutiert vor dem Hintergrund der marxschen Theorie die geld- und kapitalismustheoretischen Prämissen von MMT. Entgegen ihrer Bezeichnung ist MMT weder modern noch spielt bei ihr Geld für das Verständnis der kapitalistischen Ökonomie eine zentrale Rolle, was zu analytischen, politischen und strategischen Fehlschlüssen führt.

Hier geht es zum Heft:

Schulden, ohne Sühne

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Man kann sich etwas zu Schulden kommen lassen und Schulden haben. Auch wenn hier das gleiche Wort verwendet wird, so liegen dem Satz ganz unterschiedliche gesellschaftliche Phänomene zugrunde. Im Folgenden soll es allein um das ökonomische Phänomen der Schulden gehen, die Schulden, die mit Geld beglichen werden können. Und damit ist man bereits mitten drin, denn Schulden bezeichnen wesentlich eine soziale Beziehung, eine zwischen Schuldnerinnen und Gläubigerinnen. Die Beziehung endet erst, wenn die Schuld beglichen wird, mit Geld. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Geld. Wechselt eine Ware die Hände und wird unmittelbar mit Geld bezahlt, ist die Beziehung zwischen Käuferin und Verkäuferin bereits wieder aufgelöst. Anders bei einer Schuldbeziehung. Sie besteht, solange das...

Hexen verbrennen, Geldfälscher hängen

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»Um dieselbe Zeit, wo man in England aufhörte, Hexen zu verbrennen, fing man dort an, Banknotenfälscher zu hängen.« (MEW 23: 783) Karl Marx stimmt mit diesem Satz an, wie die moderne Eigentums- und Geldordnung durchgesetzt wurde, blut- und schmutztriefend, als Resultat eines gewaltsamen Prozesses. Er wendet sich damit gegen die Selbstverklärung der bürgerlichen Gesellschaft, die ihre eigene Geschichte – etwa in der Politischen Ökonomie – gern als eine von Fortschritt und Zivilisation zeichnet und idealisiert. Dieses Bild zurecht zu rücken, fällt vor allem bei den Kategorien Geld und Eigentum schwer, die als etwas Selbstverständliches, immer schon Vorhandenes gelten. In der Vergangenheit werden nur die modernen Formen wiedererkannt, statt diese in ihrer historischen Spezifik zu...

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