In den letzten Tagen hatten sich einige in den sozialen Medien darüber empört, dass die DAX-Konzerne nicht nur hohe Gewinnen ausweisen, sondern diese auch noch in Form von Dividenden an die Anteilseignerïnnen weitergeben: »Einer Prognose zufolge werden sie so viel Geld an ihre Aktionäre ausschütten wie noch nie« heißt es bei tagesschau.de. Die Rede ist von 54 Milliarden Euro; das sind nochmal sechs Prozent mehr als in diesem Jahr. Die Empörung rührt daher, dass angesichts der hohen Inflationsraten immer wieder das Gespenst der Lohn-Preis-Spirale beschworen wird, das dazu dienen soll, Lohnzurückhaltung einzufordern, um die Preissteigerungen nicht noch weiter anzuheizen: »Mit der Warnung »Lohn-Preis-Spirale!« wird dem Lohn nicht die Schuld an der hohen Inflation gegeben; aber die...
Marx’ Achtzehnte Brumaire, seine Aktualität und die neuen Bonapartisten
Nach dem Brexit, dem Sieg Donald Trumps in den USA und den Wahlerfolgen rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien in Deutschland, Frankreich, Österreich und den Niederlanden hat eine hektische Suche nach Erklärungen für diese Entwicklung eingesetzt. Dabei wurde und wird auch immer wieder auf den 18. Brumaire von Karl Marx rekurriert. Wie weit das Bonapartismus-Konzept trägt, um die Wiederkehr von Autoritarismus und Nationalismus zu verstehen, wird im gerade erschienenen Band Die neuen Bonapartisten in historischer Rückschau und aktuellen Länderuntersuchungen etwa zu Großbritannien, Polen, den USA, Russland oder der Türkei diskutiert, in Beiträgen von Hauke Brunkhorst, Frank Deppe, Axel Gehring, Felix Jaitner, Bob Jessop, Horst Kahrs, Michele Nobile, Sebastian Reinfeldt, Dorothea...
Weiche Schale, harter Kern. Vor 150 Jahren erschien der erste Band des »Kapitals« von Karl Marx
Von Ingo Stützle
»Das Kapital« sei eine zu harte Nuss, meinte Ignacy Daszynski (1), er habe es deshalb nicht gelesen. Aber Karl Kautsky habe es gelesen und vom ersten Band eine populäre Zusammenfassung geschrieben. Diese habe er zwar ebenfalls nicht rezipiert, aber Kazimierz Kelles-Krauz, der Parteitheoretiker, habe Kautskys Buch gelesen und es zusammengefasst. Kelles-Krausz Abriss habe er zwar auch nicht gelesen, aber der Finanzexperte der Partei, Hermann Diamand, habe sie gelesen und ihm, Daszynski, alles darüber erzählt.
Marx mich nicht voll. Der neue HKWM-Band bietet nur bedingt historisch-kritische Orientierung
Vor mehr als 20 Jahren erschien der erste Band des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM). Das erste Vorwort im ersten Band ist noch geprägt vom Ende des »Nominalsozialismus« (Agnoli) und dem sogenannten Ende der Geschichte. Es sei, so heißt es gleich auf der ersten Seite, hinsichtlich eines Vergleichs mit anderen Wörterbüchern, als spräche das HKWM »in ein gähnendes Schweigen hinein«. Seitdem hat sich einiges verändert. Der Stille folgte ein Gemurmel und das Bedürfnis vieler Linker, sich positiv auf »den« Marxismus zu beziehen. Angesichts der Krise 2008ff. wurde Marx wiederentdeckt, ebenso vom Feuilleton und damit auch so manches Ressentiment. Viele Jüngere haben es mitunter schwer, sich die Traditionslinien des Marxismus anzueignen, ohne sich an antikommunistischen...
Wilhelm Liebknecht, staatenlos
Die Geschichte Deutschlands ist eine Geschichte von Ausschlüssen aus der »imaginierten Gemeinschaft« (Benedict Anderson). Heute vor 150 Jahren, am 3. Juli 1865, wurde Wilhelm Liebknecht aus »allgemeinen polizeilichen Gründen« ausgebürgert, wie er noch am selben Tag an Karl Marx schrieb. Der Brief wurde erstmals in MEGA III.13 veröffentlicht.
Marx selbst war bereits seit Ende 1845 »freiwillig« staatenlos. Er hatte gehofft, durch die Aufgabe der Staatsbürgerschaft einer Ausweisung aus Belgien zu entgehen. 1848 und 1861 versuchte er erfolglos, seine Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen.
Varoufakis: »Ich glaube, dass die EU davon profitieren würde, wenn Deutschland sich als Hegemon verstünde«
Deutschland ist das mächtigste Land Europas. Ich glaube, dass die EU davon profitieren würde, wenn Deutschland sich als Hegemon verstünde. Aber ein Hegemon muss Verantwortung übernehmen für andere. Das war der Ansatz der USA nach dem Zweiten Weltkrieg.
So der neue griechische Finanzminister Varoufakis in einem ZEIT-Interview.
Die Linke sollte sich mal darüber verständigen, was das, wenn das tatsächlich eintritt, für ihre kritische Solidarität, Einschätzung, Analysen und Kommentierungen bedeutet.
Thomas Pikettys »Das Kapital im 21. Jahrhundert«. Einführung, Debatte, Kritik
In der FAZ (4.8.2014) ist zu lesen: »Deutsche Medien mögen Thomas Piketty«. Thomas Pikettys Buch »Capital in the Twenty-First Century« erschien vor wenigen Monaten in der englischen Übersetzung und die deutsche Fassung ist für Oktober 2014 angekündigt. Pikettys These: Im Kapitalismus konzentriert sich das Vermögen/Kapital in den Händen weniger – das sei kein Mangel sondern zeichne den Kapitalismus aus. Nun hat das Schweizer Institut Mediatenor in 32 wichtigen Medien nachgezählt, welche ÖkonomInnen in Deutschland im ersten Halbjahr 2014 am häufigsten zitiert worden sind. Die Diskussion um Thomas Piketty und sein Buch hat ihm erstmals auf Platz drei der meist zitiertesten Ökonomen in Deutschland gebracht – nach Hans-Werner Sinn vom Münchener Ifo-Institut (der zu allem etwas zu sagen hat)...
Das Volk als Wille und Vorstellung. Die Forderung nach »Souveränität« ist für politische Emanzipationsprozesse mehr Irrlicht als Orientierungspunkt
Von Holger Oppenhäuser und Ingo Stützle
Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst der Souveränität. Links wie rechts erhofft sich, durch eine Stärkung staatlicher Souveränität wahlweise der kapitalistischen Globalisierung, der neoliberalen Banken- und Eurorettung und der Europäischen Zentralbank oder dem US-Imperialismus die Stirn bieten zu können -auch auf den sogenannten Montagsdemos stimmen einige ProtagonistInnen in diesen Chor ein.
Der Krisenstab: Die Krise in Zeiten von Piketty
In der neuen Krisenstab-Kolumne bei neues deutschland schreibe ich über den neuen Star am Ökonomenhimmel, Thomas Piketty, und die Frage, warum Argumente allein nichts bewegen: Im Mittelalter legitimierte der liebe Gott die Herrschaft von Menschen über Menschen. Seit 1789 herrscht, so die bürgerliche Erzählung, die Vernunft. Die Wissenschaften stellt die Politik auf ein rationales Fundament. Auch viele Linke hoffen für die Durchsetzung der »richtigen Politik« auf den »zwanglosen Zwang des besseren Arguments« (Habermas). Deshalb kommt das neue, über 600 Seiten starke Buch des französischen Ökonomen Thomas Piketty gerade richtig. Das mit Grafiken gespickte Buch »Capital in the Twenty-First Century« erschien vor ein paar Tagen in englischer Übersetzung (das französische Original erschien...
Marx zu Thomas Piketty
Rainer Rilling hat dankenswerterweise eine Unmenge an Reaktionen zum amazon-Kassenschlager »Capital in the Twenty-First Century« von Thomas Piketty zusammengetragen. Piketty stellt die Verteilungsfrage in den Mittelpunkt seines Interesses, wofür er von rechts gefürchtet, von links bejubelt wird. Die Beweggründe, warum er Gehör bekommt, sind also sehr unterschiedlich. Nun hat sich auch Karl Marx zu Wort gemeldet und wirft Piketty vor, die bekannten Fehler der politischen Ökonomie zu wiederholen, ökonomische Größen und Einkommenformen zu naturalisieren und derart das altbekannte harmonische Bild eines sozialpartnerschaftlichen Streits unter Gleichen (Kapital/Arbeit) um die Verteilung des Kuchen zu malen: Erde-Rente, Kapital-Zins, Arbeit-Arbeitslohn stehn sich die verschiedenen Formen des...