Ein in der Krise oft zu hörender Satz ist:
»Die Politik macht doch eh nur das, was die Wirtschaft will.«
Und mit etwas staunendem Unverständnis wird gerne ein weiterer Satz formuliert:
»Die deutsche Politik, die auf Austeritätspolitik im EU-Ausland drängt, schadet doch der deutschen Exportwirtschaft.«
Während die erste Feststellung eine einheitliche Entität (»die Wirtschaft«) unterstellt, die dieses oder jenes meinen oder wollen könnte, geht der zweite Satz davon aus, dass sich das Interesse des exportorientierten Kapitals unmittelbar in die Politik der deutschen Bundesregierung umsetzt oder bei der politischen Elite die Lehrbuchvernunft eines keynesianistisch, makroökonomischen Lehrbuchs gefunden werden könnte.
Nicos Poulantzas zum 75. Geburtstag
Nicos Poulantzas wäre heute 75. Jahre alt geworden (auch wenn wikipedia etwas anderes behauptet). Aus diesem Anlass sei nicht nur auf den Sammelband Poulantzas lesen verwiesen, den ich 2006 mitherausgegeben habe, sondern auch auf einen aktuellen Beitrag von Alexander Gallas bei freitag.de und auf mein Geburtstagsständchen vor fünf Jahren in ak 509.
Volkszählung und Herrschaftswissen
Bereits Marx stellte 1842 fest: »Die Statistik ist die erste politische Wissenschaft! Ich kenne den Kopf eines Menschen, wenn ich weiß, wieviel Haare er produziert.« (MEW 1, 29) Die genuin politische Dimension von statistischem Wissen diskutierten vor allem der Staatstheoretiker Nicos Poulantzas und Michel Foucault. Ihnen war klar: Staatliche Herrschaft funktioniert nur mit und durch die Produktion von Wissen über die Bevölkerung. Auch wenn es sich etwas absonderlich anhört: Herrschaft beginnt bei der Hausnummer. »Die Bildung eines Regierungswissens ist absolut untrennbar von der Bildung eines Wissens über all die Vorgänge, die sich im weiten Sinne um die Bevölkerung drehen, nämlich über genau das, was man ›Ökonomie‹ nennt« So Foucault in seinen Vorlesungen von 1977/78. Foucault nannte...
Linkspartei: Staatskritik als blinder Fleck?
Vor ein paar Tagen wies Tom Strohschneider angesichts der Bundespräsidentenwahlen auf ein Papier von Rainer Rilling hin (Welche politische Krise?). Dort konstatiert dieser eine »skeptische Distanz« der Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der links-libertären Milieus gegenüber der Linkspartei. Alex Demirović hat nun im Blog des Prager Frühlings die andere Seite der Medaille beleuchtet: die fehlende Staatskritik innerhalb der Linkspartei – vor allem im Rahmen ihrer Programmdebatte. »Obwohl der Einschätzung des Staates durchaus eine wichtige Rolle zukäme, bleibt er im Programmentwurf eine Blindstelle. Das birgt zwei Gefahren für die Linke: die der Überschätzung, da der Staat überschätzt wird hinsichtlich dessen, was mit ihm erreichbar ist; die der Unterschätzung hinsichtlich seiner...
Vom Gehege der Verfassung zur kommissarischen Diktatur?
Langsam könnte man es mit der Angst zu tun bekommen. Demokratische und liberale Verhältnisse waren den Deutschen ja noch nie ein inneres Bedürfnis. Besonders dann nicht, wenn ökonomische Verhältnisse derart erschüttert werden, dass das kleinkarierte Weltbild aus den Fugen gerät und der autoritäre Charakter zu Ruhe und Ordnung gerufen wird. Da orientiert sich die Mittelschicht schon mal gerne an »oben«, grenzt sich nach unten (oder einem imaginären Außen) ab und bleibt vor allem eines: gefügig und sozial friedlich (vgl. Pathologische Kampflosigkeit). Zählen wir doch mal zusammen: Die gerade erschienene DIW-Studie unterstreicht eine weitere soziale Polarisierung, die vor allem dazu führen könnte, dass sich die Abstiegsangst rassistisch oder sozialchauvinistisch äußert. Die Umfrageergebnisse...
Die Mühe der Ebene. Eigentum und Besitz bei Nicos Poulantzas
Alex Demirovic, Stephan Adolphs und Serhat Karakayali haben in der Reihe Staatsverständnisse bei Nomos einen Band zu Nicos Poulantzas herausgegeben. Dieser ist jetzt erschienen. Darin findet sich auch ein Aufsatz von mir und Sabine Nuss: Durch die in den letzten Jahrzehnten rasant fortgeschrittene Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien wurde »Geistiges Eigentum« zu einer besonders umkämpften Rechtssphäre. Manch einer vertritt die These, Geistiges Eigentum würde zur zentralen Rechtsform des 21. Jahrhunderts bzw. des »Informationszeitalters« werden. Hintergrund dieser Entwicklung ist die Digitalisierung von Inhalten geistig-kreativer Schöpfung. Durch die elektronische Datenverarbeitung und die grenzüberschreitende Vernetzung von Computern können geistig-kreative...
Der Staat, das verflixte Ding. Warum materialistische Staatstheorie für linke Politik hilfreich sein kann
Linke Politik findet, so selbstbewusst und kämpferisch sie auch sein mag, immer in einem staatlichen Kontext statt. Entsprechend machen die Partei DIE LINKE, Nicht-Regierungsorganisationen wie Amnesty International, soziale Bewegungen wie die Frauenbewegung oder linksradikale Organisationsansätze wie die Interventionistische Linke sehr verschiedene Erfahrungen mit dem Staat. Sie sind aber mit denselben staatlichen Organisationsprinzipien wie dem bürgerlichen Recht, bürokratischen Verfahren, der parlamentarischen Demokratie, der Parteienkonkurrenz, der Trägheit staatlicher Verwaltung und dem Gewaltmonopol konfrontiert. Diese Organisationsprinzipien kapitalistischer Staaten versucht die materialistische Staatstheorie genauer zu verstehen, wobei „materialistisch“ einen positiven Bezug auf...
Mit Poulantzas die G8 verstehen. Das Gipfel- treffen der Industriestaaten als staatstheoretisches Problem
Die Kämpfe um und gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm sind vorbei. Während die Proteste ihre Erfolge gezeitigt haben, bleibt die Frage, gegen was sie sich eigentlich gerichtet haben. Öffentlich wahrgenommen wurden vor allem zwei Momente der Kritik: Das Treffen sei auf Grund der kleinen Anzahl von teilnehmenden Staaten illegitim, und die neoliberale und kriegstreiberische Politik der G8-Staaten sei abzulehnen. Welche konkrete Funktion der G8-Gipfel jedoch abseits einer umfassenden Gleichsetzung mit der neoliberalen Globalisierung hat, darüber herrscht Uneinigkeit. Im Folgenden wollen wir mit Nicos Poulantzas’ Staatstheorie die Politik der G8 zu verstehen versuchen.
Veranstaltung auf der linken Literaturmesse in Nürnberg
Auf der 11. linken Literaturmesse wird “Poulantzas lesen” vorgestellt >>>
Endlich erschienen: Poulantzas lesen
Nach viel Arbeit ist endlich der Sammelband “Poulantzas lesen” beim VSA-Verlag erschienen. Dort kann der Band auch bestellt werden. Denkt aber bitte auch an die linken Buchläden bei Euch um die Ecke! Unter www.poulantzas-lesen.de werden wir weiteres Material und Besprechungen sammeln. Die Tage wird die Seite zudem komplett überarbeitet werden. Eine Mailingliste für Diskussionen ist bereits aufgesetzt und wird demnächst aktiviert werden. Den Spekulationen ist somit ein Ende gesetzt. Das Buch ist da!!!