Deutschland am Ziel: Athen zieht die Schuldenbremse

Auf Druck der Gläubiger hat die SYRIZA-Regierung eine Schuldenbremse beschlossen. Wo sind jetzt die Stimmen, die sonst so laut den Demokratieverlust in der EU beklagen?

Gestern beriet die sogenannte Eurogruppe in Brüssel über die Freigabe weiterer Milliarden für Griechenland, heute kommen die EU-FinanzministerInnen zusammen. Das Parlament in Athen hatte extra dafür letzte Woche ein 7.500 Seiten starkes Gesetzespaket verabschiedet. Neben Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen wurde auch eine sogenannte Schuldenbremse verabschiedet. Ein Produkt – wie könnte es anders sein – made in Germany. Continue reading “Deutschland am Ziel: Athen zieht die Schuldenbremse”

»Schuldentragfähigkeit« verlangt der IWF. Was heißt das?

Griechenlands Schulden werden nicht weniger. Nun streiten die Gläubiger, was zu tun ist. Deutschland meint: noch härter sparen! Der IWF findet, Griechenlands Schulden sollen »tragfähig« werden. Das Ziel ist das gleiche: die Diktatur der Gläubiger erhalten.

Griechenland hat zu viele Schulden, heißt es. Dieses Urteil haben die Finanzmärkte bereits vor Jahren gefällt, als das Geldkapital, das die Kredite vergibt, Athen keinen mehr gab. Schon vor fast zehn Jahren war klar, dass Athen seine Schulden nicht mehr ordnungsgemäß bedienen kann, dass Griechenland nicht dauerhaft als rentable Anlagesphäre dient. 2010 wurde der ökonomische Kredit durch einen politischen ersetzt (»1. Hilfspaket«). Die privaten Gläubiger wurden rausgeboxt, die Banken gerettet, und an ihre Stellen traten die öffentlichen Gläubiger: Von den 322 Milliarden Euro Schulden, die Griechenland (2015) hat, halten private Gläubiger, vor allem griechische Banken, inzwischen nur noch 65 Milliarden Euro. Die anderen Gläubiger sind die EZB (27 Milliarden Euro) und der IWF (35 Milliarden). Den größten Batzen teilen sich der Euro-Rettungsfonds EFSF/ESM (142 Milliarden) und die Euro-Staaten (53 Milliarden). Continue reading “»Schuldentragfähigkeit« verlangt der IWF. Was heißt das?”

Gefangen im Schuldenturm. Deutschland drängt Griechenland weiter seinen politischen Willen auf

Wer Anfang Juli für ein paar Wochen im Urlaub war und wenig von der Welt mitbekam, wurde nach der Rückkehr Mitte Juli schnell auf den Boden der deutschen Tatsachen geholt. Anfang Juli hatte SYRIZA ein Referendum über die Zumutungen der Troika ausgerufen, was die größte gesellschaftliche Mobilisierung seit Monaten zur Folge hatte. Bei einer höheren Wahlbeteiligung als bei den letzten Parlamentswahlen stimmten mehr Griech_innen mit OXI (Nein), als noch im Januar die Partei SYRIZA gewählt hatten. Eine klare Ansage: SYRIZA, so möchte man meinen, hatte den Auftrag, die Zumutungen aus Brüssel zurückzuweisen. Mehr noch: Die Nein/Ja-Stimmenverteilung hatte einen deutlichen Klassencharakter: In proletarischen Wahlbezirken wurden mit Nein, in bürgerlichen hingegen mit Ja gestimmt. Die Abstimmung machte einmal mehr deutlich, dass es in Griechenland um eine soziale Frage geht, um einen Klassenkonflikt – nicht um nationale Interessensgegensätze. Continue reading “Gefangen im Schuldenturm. Deutschland drängt Griechenland weiter seinen politischen Willen auf”

FAQ. Noch Fragen? Puerto Rico: Griechenland in der Karibik?

Auf einer Konferenz der Bundesbank Anfang Juli verbat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in besonders arroganter Weise die Kritik von Jack Lew, dem US-Finanzminister. Nicht nur Lew, sondern auch einige US-Ökonom_innen hatten im Juli Deutschland öffentlich aufgefordert, die Griechenlandkrise endlich zu lösen. Schäuble, ganz in seinem Element als Patriarch der Eurozone, bot Lew an, Puerto Rico in die Eurozone aufzunehmen, wenn die USA im Gegenzug Griechenland in die US-Dollar-Zone aufnehmen. Die Karibikinsel stand damals kurz vor der Pleite. Inzwischen wird das Land von Ratingagenturen als zahlungssäumig geführt. Ein absurder Vergleich, den Schäuble da strapazierte? Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Puerto Rico: Griechenland in der Karibik?”

Man spricht Deutsch. Trotz seiner NS-Vergangenheit ist Deutschland in Europa dominant

Deutsche Politiker_innen betonten mehr als ein Mal: Die Forderungen nach Reparations- und Entschädigungszahlungen gegenüber Deutschland sollten nicht mit den Verpflichtungen Griechenlands gegenüber seinen Gläubigern vermengt werden. So bezeichnete der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestages, Gunther Krichbaum (CDU), die griechischen Reparationsforderungen als Manöver, mit der »nur von der eigenen Unfähigkeit« abgelenkt werden solle, um »sich selbst in eine Opferrolle« zu begeben. Deutschland zeigt damit ein weiteres Mal, dass es nicht nur Exportweltmeister ist, sondern auch Weltmeister in der Disziplin Täter-Opfer-Umkehr.

Dabei war es Berlin unter Rot-Grün, das Griechenland den verspäteten Zutritt zur Eurozone gewährte, nachdem Athen davon abgelassen hatte, Entschädigungen für die NS-Verbrechen zu fordern. Obwohl allen Beteiligten schon damals klar war, dass Griechenland die formalen Kriterien nicht erfüllte. Gerhard Schröder gestand demnach Griechenland den Euro zu, wenn Athen im Gegenzug die deutsche Vergangenheit zu den Akten legt. (Vgl. ak 604). Die deutsche Vergangenheit reicht also bis in die Gegenwart. Continue reading “Man spricht Deutsch. Trotz seiner NS-Vergangenheit ist Deutschland in Europa dominant”

Räuberzivil

Ich durfte mich heute mal wieder aufregen. Über die FAZ, die Seite 1 bzw. die Bildunterschrift: Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ist in Farbe abgelichtet, wie er eilig die Stufen der Villa Maximos hinaufeilt. Er trägt ein weißes Hemd, nicht in der Hose, und vielleicht sogar mit Doc Martens, sehr leger also. Für einen Finanzminister. Welches Synonym fällt der FAZ-Bildredaktion zu »leger« ein? Natürlich »Räuberzivil«. Das Wort kennt der Duden zwar, aber worauf die FAZ anspielt ist klar und wo sie mitspielt, auf BILD-Niveau. Mein Tweet hat einige Reaktionen hervorgerufen – und mich klüger gemacht. Danke!

PROKLA 179 zur Illusion und Macht des Geldes erschienen

Endlich ist die neue PROKLA erschienen. Thema: Illusion und Macht des Geldes. Auch ich habe einen Beitrag zum Gott der Waren beigetragen – Geld.

Das Editorial findet ihr hier.

Der Beitrag von Martin Konecny zu Syriza unter Druck und den den strategischen Perspektiven des linken Regierungsprojekts in Griechenland ist online.

Der Inhalt des ganzen Heftes sieht aus wie folgt.

Wer weiß, wo der Ball liegt, gewinnt die Eurokrise

Sportkommentar von Tom Strohschneider zur Eurokrise:

»Der Ball liegt im Spielfeld der Griechen«, hat der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Jäger, am Montag noch einmal erklärt. Warum? Weil gilt: Wer weiß, wo der Ball liegt, gewinnt die Eurokrise. Und der Sieger ist: Deutschland. Schon am 24. März hatte der Berliner Ballbeauftragte Jäger gesagt: »Der Ball ist und bleibt im Spielfeld der griechischen Seite.« Offenbar wollte das niemand hören, weshalb Jäger Ende April wiederholte, dass »der Ball definitiv im Spielfeld der Griechen liegt«. Man zog sogar den CDU-Außenpolitiker Röttgen zu Rate, der am 8. Juni feststellte: »Der Ball ist jetzt im Spielfeld von Griechenland, keine Frage.« Tags darauf bestätigte dies auch CSU-Spielführerin Hasselfeldt: »Der Ball liegt im Spielfeld von Griechenland.« Noch genauer wusste es am 13. Juni der CDU-Haushälter Rehberg: »Der Ball liegt eindeutig im Spielfeld der griechischen Regierung, der Ball liegt in Athen.« Leider konnten ihn »die Spieltheoretiker« (Sigmar Gabriel) von SYRIZA dort nicht aufspüren. Kein Wunder: Am Samstag hat Griechenland auf den Färöern verloren. Sie haben einfach den Ball nicht gefunden.

Gefunden beim neuen deutschland.

FAQ. Noch Fragen? Offene Offene Beziehung mit Euro?

bank-of-berlin
Parallelwährung oder nicht – ist das die Frage?

Ein Ausstieg aus dem Euro ist rechtlich eigentlich nicht möglich. Deshalb wird in den letzten Wochen eine scheinbar softere Variante ins Spiel gebracht: Athen könnte doch eine Parallelwährung einführen, also eine zweite Währung, die neben dem Euro gilt. Die Tageszeitung Die Welt berichtete, vor dem Treffen der Eurofinanzminister_innen in Brüssel am 11. Mai 2015 hätten die Unterhändler_innen der Gläubigerstaaten nicht mehr ausschließen können, dass Griechenland eine Parallelwährung einführen muss. Wie kann man sich das vorstellen?

Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Offene Offene Beziehung mit Euro?”

FAQ. Noch Fragen? Schuld und Sühne

Deut­sche in Athen. Foto: like­tobite (CCBY2.0)
Deut­sche in Athen. Foto: like­tobite (CCBY2.0)

Ein deutscher CDU-Politiker, der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestages, Gunther Krichbaum, bezeichnete die griechischen Reparationsforderungen als Ablenkungsmanöver, mit der »nur von der eigenen Unfähigkeit« mit dem Ziel abgelenkt werden solle, »sich selbst in eine Opferrolle« zu begeben. Deutschland zeigt damit ein weiteres Mal, dass es nicht nur Exportweltmeister ist, sondern auch Weltmeister in der Disziplin Täter-Opfer-Umkehrung.

Am 6. April 1941 überfiel die Wehrmacht Griechenland. Der Überfall war ein regelrechter Beutezug, ein raubwirtschaftlicher »Kahlfraß«, so die Wirtschaftsoffiziere der Wehrmacht in ihren Tagebüchern. Die gesamte Tabakernte der Jahre 1939 und 1940 wurde de facto enteignet: 85.000 Tonnen im Wert von 175 Millionen Reichsmark (RM). Bis zum Frühjahr 1942 wurden 270.000 Tonnen Tabak nach Deutschland geschafft. Das brachte Hitler dank Tabaksteuer nicht nur bis zu 2,5 Milliarden RM ein. Der Tabak war auch ein wichtiger Rohstoff, um die Moral der Mörderbanden der Wehrmacht und SS im Krieg aufrechtzuerhalten. Auch andere wichtige Rohstoffe wurden nach Deutschland »exportiert«: sämtliche Erze, Mineralöl- und Kohlevorräte, Olivenöl, Baumwolle und Korinthen sowie Seide für die Fallschirmproduktion. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Schuld und Sühne”

FAQ. Noch Fragen? Investitionen für Griechenland

Eine der ersten Wortmeldungen des neuen griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis war: »Ich bin Finanzminister eines bankrotten Staats«, und lange stand für die Troika die Forderung im Vordergrund, dass Griechenland den Gürtel enger schnallt. Inzwischen stellt sich die politische Klasse auch die Frage: Wie können Investitionen angeregt werden? In den letzten Wochen wurden deshalb einige Ideen gewälzt. Genannt wurden hierbei einige weniger bekannte Institutionen wie die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) oder die diversen EU-Regionalfonds. Aber folgen diese Einrichtungen einer anderen Logik als die der Austerität? Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Investitionen für Griechenland”

Kaum Luft zum Atmen. Alle neuen Maßnahmen der SYRIZA-Regierung hängen am Tropf der EZB

eule
Mit jeder Lösung werden sich die Widersprüche innerhalb Europas eher verschärfen als auflösen.

Die neue griechische Regierung hat mit der sogenannten Eurogruppe vier Monate Zeit ausgehandelt, die ersten Wochen sind bereits verstrichen und neue Konflikte aufgebrochen. Inzwischen liegen dem neu gewählten Parlament die ersten Vorschläge und Gesetzesentwürfe vor. Ein neuer Mindestlohn soll zwar erst 2016 eingeführt werden, die erste Anhebung soll aber bereits in diesem Jahr kommen. Theano Fotiou, die stellvertretende Ministerin für Arbeit und soziale Solidarität, präsentierte im griechischen Parlament zudem ein erstes Gesetz zur Bekämpfung der humanitären Krise. Die ersten Maßnahmen umfassen: Continue reading “Kaum Luft zum Atmen. Alle neuen Maßnahmen der SYRIZA-Regierung hängen am Tropf der EZB”

Der Elefant im Raum. Die EZB zieht zwar die Daumenschrauben für Athen an, setzt aber die Eurozone insgesamt unter Druck

12381343694_f267fa60bd_n
Bild: CC-Lizenz, EZB 2014

Nur wenige Tage nach der Europatour einiger Minister der neuen griechischen Regierung ließ die Europäische Zentralbank (EZB) die Muskeln spielen. Sie kündigte an, griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten zu akzeptieren. Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl, denn vor allem griechische Banken nutzen die Papiere, um sich bei der EZB mit frischem Geld zu versorgen. Ohne diese Möglichkeit könnten sie schnell pleite sein und Griechenland dem Rauswurf aus der Eurozone einen Schritt näher. Bisher machte die EZB eine Ausnahme, denn eigentlich haben Ratingagenturen bereits so schlechte Noten vergeben, dass die Hüterin des Euro Anleihen nicht mehr annehmen darf. Sie hat es bis zum 11. Februar 2015 aber nur deshalb gemacht, weil Griechenland sich verpflichtete, sich der Troika zu unterwerfen. Als der neue griechische Finanzminister, Yanis Varoufakis, in einer seiner ersten Amtshandlungen die weitere Zusammenarbeit mit den »Men in Black« aufkündigte, sah die EZB keine Grundlage mehr, für die griechischen Anleihen eine Ausnahme zu machen. Continue reading “Der Elefant im Raum. Die EZB zieht zwar die Daumenschrauben für Athen an, setzt aber die Eurozone insgesamt unter Druck”

Griechenland: Nächste Ausfahrt Grexit?

Was bis­her nur für eine Droh­ku­lisse gehal­ten wurde, um Grie­chen­land auf (deut­sche) Linie zu brin­gen, scheint inzwi­schen für Berlin kein Tabu mehr: der Aus­tritt Grie­chen­lands aus der Euro­zone. Bereits Anfang Januar gab Angela Merkel zu Protokoll, dass sie sich einen Euro ohne Griechenland vorstellen könnte. Norbert Häring wiederum zeigt, dass die derzeitige Politik Berlins auf einen »Nord-Euro« hinausläuft. Continue reading “Griechenland: Nächste Ausfahrt Grexit?”

FAQ. Noch Fragen? Berliner Schuldenkonferenz?

»Griechen für deutsche Lösung«, titelte die taz Anfang 2015. Die Tageszeitung spielte damit auf eine Forderung des griechischen Linksbündnisses SYRIZA an. »Auch Deutschland wurde 1953 ein Großteil der Kriegs- und Vorkriegsschulden erlassen, um einen Neustart zu ermöglichen«, so Jannis Milios, Wirtschaftsprofessor in Athen und wichtiger SYRIZA-Wirtschaftsberater, in der Berliner Zeitung (13.1.2015). Damals erließen die Westalliierten der Bundesrepublik fast die Hälfte der Altschulden – auch Griechenland unterschrieb in London das Schuldenabkommen, das oft als eine Voraussetzung für das sogenannte Wirtschaftswunder benannt wird. Warum also nicht ähnliche Verhandlungen für Griechenland? Sind die ökonomischen und politischen Bedingungen für einen Schuldenschnitt überhaupt vergleichbar? Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Berliner Schuldenkonferenz?”