Leere Versprechen mit System. Was ein extra-institutionelles Treffen wie G7 in Elmau soll

Sonnenaufgang im Wettersteingebirge. Foto: CC-Lizenz, 7pc
Sonnenaufgang im Wettersteingebirge. Foto: CC-Lizenz, 7pc

Viele hatten gedacht, dass nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm derartige Treffen kaum mehr eine Rolle spielen. Mit der Krise ab 2008 wurde plötzlich die G20 wichtiger. Nun trifft sich die G7 in Elmau – ohne Russland. Es stellt sich die Frage, gegen was man sich bei derartigen Gipfelprotesten eigentlich richtet. Die G7 ist weder ein Staat, noch etwas, was mit der Europäischen Union (EU) vergleichbar wäre. Nicht einmal der Welthandelsorganisation (WTO) ist der G7-Gipfel ähnlich. Bei der WTO legen miteinander konkurrierende Staaten gemeinsame Spielregeln fest, können ein Schiedsgericht anrufen und sich bei Regelverletzungen sogar sanktionieren. Eine derartig verregelte Institutionalisierung zur Stabilisierung politischer Prozesse stellt die G7 nicht dar. Die G7 verfügen nur über eine schwach ausgebildete Bürokratie und beschränkte Interventionsformen. Die getroffenen Absprachen sind zu wenig verbindlich – im Kern betreibt sie symbolische Politik. Dass sie leere Versprechen sind und bleiben, liegt also in der Sache selbst. Continue reading “Leere Versprechen mit System. Was ein extra-institutionelles Treffen wie G7 in Elmau soll”

Die Grenze des erträglichen taz-Kommentars

Christian Jakob spricht in seinem heutigen taz-Kommentar zu den Protesten in Kopenhagen von einem »fatalen Zirkelschluss« der Dynamik von Polizei und ProtestiererInnen und suggeriert, dass es politisch vernünftig wäre, sich nicht zu radikalisieren. Ganz so als liege es in der Macht der DemonstrantInnen und Klimaaktivis…tInnen, die Repressionsschraube zurückzudrehen oder das Eskalationsniveau effektiv zu beeinflussen. An Jakobs Kommentar sind zwei Punkte mehr als ärgerlich. Zum einen ist spätestens nach den Vorfällen im Vorfeld von Heiligendamm klar, dass sowohl Falsch- und Fehlermeldungen, als auch eine gezielte Panikmache systematisch dazu genutzt werden, dass die Polizeikräfte möglichst viele Kompetenzen zugesprochen und Grundrechte abgebaut werden – zumindest temporär. Oft herrscht bei derartigen Veranstaltung etwas, was man einen temporärer Ausnahmezustand nennen könnte. Wer erinnert sich schon daran, dass die Durchsuchungswelle und 129a-Verfahren gegen die linken G8-GegnerInnen als illegal erklärt wurden?! Das in einem taz-Kommentar nicht zu benennen ist fahrlässig und und zeigt, wie selbst die taz teil dieser Strategie ist. Aber ein weiterer Punkt ist fast noch ärgerlicher. Jakob schreibt: »Trotzdem ist es falsch, von Unverhältnismäßigkeit zu sprechen. Denn die Zahl der Festnahmen ist keine Reaktion auf tatsächlich verübte Gewalttaten, sondern auf den vorherrschenden Diskurs über öffentliche Sicherheit. Es ging darum, das im Vorfeld immer wieder beschworene Szenario von Straßenschlachten, angezettelt von Krawalltouristen, Wirklichkeit werden zu lassen. Gemessen an diesem Ziel, war das Eingreifen der Polizei verhältnismäßig.« Wie kann man so etwas schreiben? Selbst das Ziel ist jenseits liberaler Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit. Was sind das für Verhältnisse, in denen bevor irgendjemand irgendetwas macht festgesetzt werden kann? Dass da ein taz-Kommentar nichts auszusetzen hat, sondern die Strategien des “präventiven Sicherheitsstaats” auch noch verteidigt, ist wirklich erbärmlich.

Nachtrag: Die bearbeitende taz-Redakteurin versicherte mir, dass der Kommentar ironisch gemeint sei. Was mich in eine tiefe Krise stürzt: Habe ich womöglich keinen Humor?

Großer Gipfel, kleine Wirkung. Interessenkonflikte prägten den G20-Gipfel in Pittsburgh

Am 24. und 25. September trafen sich zum dritten Mal innerhalb eines Jahres die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Nachdem die G8 nicht mehr der politische Rahmen war, die weltweite Wirtschaftskrise, deren Folgen sowie die Herausforderungen des Klimawandels zu verhandeln, schwingt sich die G20 scheinbar selbst zur legitimen G8-Nachfolgerin auf. Zu wichtig sind inzwischen u.a. die sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). An ihrem ökonomischen Gewicht kam die G8 politisch nicht mehr vorbei.

Auch der Protest in Pittsburgh blieb symbolisch
Auch der Protest in Pittsburgh blieb symbolisch

Auch wenn es nicht zum großen Krach kam, so hatte der Gipfel in Pittsburgh doch einen Hauch von Seattle: allerdings nicht auf der Straße, sondern – wie 1999 – bei den Verhandlungen. »Wir hatten es diesmal mit einer Wand zu tun«, hieß es aus deutschen Verhandlungskreisen. Die Schwellenländer stellten klare Forderungen: »Entweder ihr macht große Konzessionen bei der Reform der internationalen Organisationen, oder wir lassen den Gipfel platzen.« (spiegel-online, 25.9.09) Am Ende wurde eine kaum nennenswerte Neuverteilung der Stimmrechte beim Internationalen Währungsfonds (IWF) verabredet.

Wenn man die Beschlüsse von Pittsburgh mit den Ergebnissen des G20 im April vergleicht, dann zeigt sich, dass sich substanziell kaum etwas bewegt hat. (vgl. ak 538) Peter Bofinger, einer der sogenannten Wirtschaftsweisen, monierte bereits im Vorfeld des G20-Gipfels: »Der Politik fehlt der Mut zu radikalen Reformen.« (Die Welt, 22.9.09) Fehlender Mut ist jedoch wahrlich nicht das Problem; es gibt einen ganz einfachen Grund: Mit zwölf weiteren Staaten sind die in der G20 anzutreffenden Interessenkonflikte und Widersprüche mehr und vielfältiger geworden. Continue reading “Großer Gipfel, kleine Wirkung. Interessenkonflikte prägten den G20-Gipfel in Pittsburgh”

Welches Geld regiert die Welt? Nicht nur China zweifelt an der Rolle des US-Dollars als Weltwährung

weltgeld us-dollar

Für manche ist die Welt des US-Dollars noch in Ordnung. Zum Beispiel für die somalischen Piraten. Diese wollten, so der an Verhandlungen beteiligte Ex-FBI-Agent Jack Cloonan, nur die US-Währung als Lösegeld akzeptieren. Bei Piraten steht der Greenback also noch hoch im Kurs. Ganz anders sieht es hingegen in China aus, dem bei Abwertungen des US-Dollars ein Verlust der Währungsreserven droht. Etwa 50-70 Prozent der über 2 Bio. chinesischen US-Dollar-Devisen laufen auf die US-Währung. In den letzten Monaten hatte es der chinesische Zentralbankchef Zhou Xiaochuan geschafft, die Rolle des US-Dollars als Weltgeld und damit auch die politische Rolle der USA als Weltmacht zum Politikum zu machen. Zuletzt kurz vor dem G8-Gipfel in Italien. Continue reading “Welches Geld regiert die Welt? Nicht nur China zweifelt an der Rolle des US-Dollars als Weltwährung”

Mit Poulantzas die G8 verstehen. Das Gipfel- treffen der Industriestaaten als staatstheoretisches Problem

Die Kämpfe um und gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm sind vorbei. Während die Proteste ihre Erfolge gezeitigt haben, bleibt die Frage, gegen was sie sich eigentlich gerichtet haben. Öffentlich wahrgenommen wurden vor allem zwei Momente der Kritik: Das Treffen sei auf Grund der kleinen Anzahl von teilnehmenden Staaten illegitim, und die neoliberale und kriegstreiberische Politik der G8-Staaten sei abzulehnen. Welche konkrete Funktion der G8-Gipfel jedoch abseits einer umfassenden Gleichsetzung mit der neoliberalen Globalisierung hat, darüber herrscht Uneinigkeit. Im Folgenden wollen wir mit Nicos Poulantzas’ Staatstheorie die Politik der G8 zu verstehen versuchen.
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Die Logik der autoritären Prävention

“Zur Bilanz von Heiligendamm gehört leider auch die Feststellung, dass dieses Treffen unter Umständen stattfand, die einer Demokratie unwürdig sind. Alle diejenigen, die vorher einen unverhältnismäßigen Sicherheitsaufwand kritisiert hatten, sollten angesichts der Bilder von der Ostsee künftig schweigen” – so die FAZ vom 9. Juni 2007. Wer aber glaubt, dass die Krawalle als Argument dafür herhalten sollen, das martialische Polizeiaufgebot in den Tagen von Heiligendamm und eine allgemeine Aufrüstung zu legitimieren, liegt falsch. Für die FAZ ist der Übeltäter ganz wo anders zu suchen. Weiter lesen…

Kein Blut für Petro-Dollar? Das Weltgeld und das Schmiermittel des globalen Kapitals

Auch Verschwörungstheorien haben manchmal einen realen Kern. Die Initiative Nachrichtenaufklärung nominiert seit zehn Jahren vernachlässigte Nachrichten. Im Jahr 2005 befand sich unter den Top-Ten die Meldung, dass der Iran eine internationale Ölbörse plant. Der Rohstoff, der die Welt bewegt, sollte dort nicht mehr in US-Dollar, sondern in Euro gehandelt werden. Die Begründung für die Wahl dieser Nachricht liegt auf der Hand: Die Denomination einer der wichtigsten Rohstoffe des globalen Kapitalismus in Euro hätte Auswirkungen auf die ganze Weltwirtschaft und auf das Verhältnis zwischen USA und EU – den zwei größten Wirtschafts- und Machtblöcken der Welt. Continue reading “Kein Blut für Petro-Dollar? Das Weltgeld und das Schmiermittel des globalen Kapitals”