TagKrise

Aufgeblättert: Keine Kapitalismuskritik ist auch keine Lösung. In ihrem neuen Buch kritisiert Ulrike Herrmann den ökonomischen Mainstream

A

In ihrem neuen Buch kritisiert Ulrike Herrmann den ökonomischen Mainstream – mit Smith, Marx und Keynes. Leider bleibt sie dabei auf halber Strecke hängen. Um die blamable Rolle der Wirtschaftswissenschaften angesichts der Krise ab 2008 zu illustrieren, wird gern eine Frage von Queen Elisabeth II. zitiert, die sie an die Zunft der britischen ÖkonomInnen richtete: »Wie konnte es passieren, dass niemand diese Krise vorhergesehen hat?« Die Antwort ließ auf sich warten, kam aber in unerwarteter Deutlichkeit: »Um die Sache zusammenzufassen, Ihre Majestät; hier hat die kollektive Vorstellungskraft vieler kluger Menschen versagt.« Für die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann liegt das Versagen mitunter daran, dass viele WissenschaftlerInnen die ökonomischen Klassiker nicht zur Kenntnis nehmen...

Neue Besprechung zu »Austerität als politisches Projekt«

N

Bei H-Soz-Kult ist eine neue Besprechung zu meinem Buch Austerität als politisches Projekt erschienen – im Rahmen einer Sammelrezension zu Büchern, die ich auch gemeinsam besprochen habe. Zu meinem Buch ist zu lesen: Jedenfalls ist es geradezu eine Erleichterung, mit der Arbeit von Ingo Stützle eine Arbeit rezensieren zu dürfen, die sich von den zwei oben besprochenen positiv abhebt. Man muss nicht alles unterschreiben, was der Autor äußert; mitunter wiederholt er auch sattsam bekannte Klischees, auch wenn die von ihm beschriebenen empirischen Zusammenhänge eine andere Interpretation nahelegen würden. Trotzdem handelt es sich um eine inhaltsreiche und zum Nachdenken anregende Arbeit, deren Grundthese allerdings außerhalb von explizit marxistisch orientierten „epistemic communities“...

Aufgeblättert: Der Hund hat die Hausaufgaben gefressen. Der Ökonom und Ideologiekritiker Philip Mirowski geht der Kugelsicherheit des Neoliberalismus nach

A

Mit der Krise vor über fünf Jahren witterten so manche Linken Morgenluft. Die Risse in der Hegemonie des Neoliberalismus würden größer. Inzwischen ist deutlich geworden, dass der Neoliberalismus alles andere als infrage steht. Dieser Hartnäckigkeit widmet Philip Mirowski sein neues Buch. Der Wirtschaftswissenschaftler war bereits zu Beginn der Krise gern gesehener Interviewpartner oder Autor in der FAZ, als noch der verstorbene Frank Schirrmacher dem Feuilleton vorstand. Dieser verstand jedoch nie, dass Konservative wie er für Mirowski ein Teil des Problems sind – nämlich als Verteidiger des Status quo. (1) Das zeigt das neue Buch, das bereits 2013 in englischer Sprache erschien. Das Buch »soll die Strategien der Neoliberalen dokumentieren und ihre Erfolge begutachten, zu denen...

FAQ. Noch Fragen? Europäische Einlagensicherung

F

Die Europäische Kommission stellte im November 2015 ihren Vorschlag zur europäischen Einlagensicherung vor, die die sogenannte Bankenunion abschließen soll. Wir erinnern uns: Im Oktober 2008 traten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) vor die Presse und beteuerten: »Ihre Einlagen sind sicher.« Dieses Jahr versprach der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis Ähnliches. Aber niemand glaubte ihm so richtig: Die griechischen Banken mussten für mehrere Tage schließen, weil ein Bankrun drohte, der die Geldhäuser in ihrer Existenz hätte bedrohen können. Als Einlagen bezeichnet man das Geld, das die Kund_innen bei der Bank »einlegen«. Sie werden auch Depositen genannt. Die Kund_innen geben der Bank quasi einen Kredit, die Bank...

FAQ. Noch Fragen? China: Bang, Boom, Börse

F

Chinas Börsen erschütterten den Kapitalismus. Diverse chinesische Aktienindices knickten ein – und mit ihnen der deutsche Dax. Nur was ist eine Börse, und was ein Aktienindex? Unter einer Börse versteht man den Ort, an dem Finanzanlagen wie Aktien (verbriefte Anteile an einem Unternehmen), Staatsanleihen oder Derivate gehandelt werden. Börsen sind eine tragende Säule der Finanzmärkte – also jener Märkte, auf denen »Finanzprodukte« gehandelt werden. Der Begriff des Finanzmarkts kam erst in den 1970er Jahren auf und umfasst meist den Kapitalmarkt (für Wertpapiere wie Aktien und Anleihen), den Geldmarkt (kurzfristige Geldgeschäfte zwischen Banken und mit der Zentralbank) und den Devisenmarkt für Währungsgeschäfte. Hinzugezählt wird auch der Derivatenmarkt, auf dem »abgeleitete«...

Man spricht Deutsch. Trotz seiner NS-Vergangenheit ist Deutschland in Europa dominant

M

Deutsche Politiker_innen betonten mehr als ein Mal: Die Forderungen nach Reparations- und Entschädigungszahlungen gegenüber Deutschland sollten nicht mit den Verpflichtungen Griechenlands gegenüber seinen Gläubigern vermengt werden. So bezeichnete der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestages, Gunther Krichbaum (CDU), die griechischen Reparationsforderungen als Manöver, mit der »nur von der eigenen Unfähigkeit« abgelenkt werden solle, um »sich selbst in eine Opferrolle« zu begeben. Deutschland zeigt damit ein weiteres Mal, dass es nicht nur Exportweltmeister ist, sondern auch Weltmeister in der Disziplin Täter-Opfer-Umkehr. Dabei war es Berlin unter Rot-Grün, das Griechenland den verspäteten Zutritt zur Eurozone gewährte, nachdem Athen davon abgelassen hatte, Entschädigungen für...

FAQ. Noch Fragen? Investitionen für Griechenland

F

Eine der ersten Wortmeldungen des neuen griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis war: »Ich bin Finanzminister eines bankrotten Staats«, und lange stand für die Troika die Forderung im Vordergrund, dass Griechenland den Gürtel enger schnallt. Inzwischen stellt sich die politische Klasse auch die Frage: Wie können Investitionen angeregt werden? In den letzten Wochen wurden deshalb einige Ideen gewälzt. Genannt wurden hierbei einige weniger bekannte Institutionen wie die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) oder die diversen EU-Regionalfonds. Aber folgen diese Einrichtungen einer anderen Logik als die der Austerität?

Der Elefant im Raum. Die EZB zieht zwar die Daumenschrauben für Athen an, setzt aber die Eurozone insgesamt unter Druck

D

Nur wenige Tage nach der Europatour einiger Minister der neuen griechischen Regierung ließ die Europäische Zentralbank (EZB) die Muskeln spielen. Sie kündigte an, griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten zu akzeptieren. Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl, denn vor allem griechische Banken nutzen die Papiere, um sich bei der EZB mit frischem Geld zu versorgen. Ohne diese Möglichkeit könnten sie schnell pleite sein und Griechenland dem Rauswurf aus der Eurozone einen Schritt näher. Bisher machte die EZB eine Ausnahme, denn eigentlich haben Ratingagenturen bereits so schlechte Noten vergeben, dass die Hüterin des Euro Anleihen nicht mehr annehmen darf. Sie hat es bis zum 11. Februar 2015 aber nur deshalb gemacht, weil Griechenland sich verpflichtete, sich der Troika zu...

FAQ. Noch Fragen? Um- oder Entschuldung für Athen?

F

Die neue griechische Regierung wurde schnell aktiv. Kaum war der neue Finanzminister, Yanis Varoufakis, im Amt, kündigte er die Zusammenarbeit mit der Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission auf. Aber auch nach wenigen Tagen rückte die SYRIZA-geführte Regierung scheinbar von einer zentralen Forderung ab, dem Schuldenschnitt. Anfang Februar meldete die Deutschen Presse-Agentur (dpa), Griechenland habe sich von ihrer zentralen Forderung nach einem Schuldenschnitt verabschiedet. Im Interview mit der Financial Times, auf das sich die dpa bezog, hörte sich das schon ganz anders an: Varoufakis sagte, der Begriff »Schuldenschnitt« sei möglichst zu vermeiden, da ein solcher für die Gläubiger, allen voran Deutschland, nicht akzeptabel sei...

… darüber entscheidet eben nicht der Schuldnerstaat

&

Nicht der Schuldner ist die entscheidende Figur bei den Anleihen des Schuldnerstaates. Gewiss ist sein Verhalten für seinen Kredit nicht unwesentlich, ja sogar von sehr großer Bedeutung; aber von welcher Bedeutung es ist, darüber entscheidet eben nicht der Schuldnerstaat, sondern darüber entscheiden seine Gläubiger.
Aus: Sultan, Herbert (1932): Die Staatseinnahmen. Versuch einer soziologischen Finanztheorie als Teil eine Theorie der politischen Ökonomie (Beiträge zur Finanzwissenschaft. Neue Folge, Bd.1), Tübingen, hier: S. 193

Schlagwörter

Archive