Aufgeblättert: Tödliche Austerität

Stuckler-BasuEs geht um Leben und Tod in der groß angelegten Studie der beiden Autoren, die Gesundheit als genuin politisches Thema verstehen. David Stuckler und Sanjay Basu analysieren nicht nur die Entwicklungen in Island und Griechenland nach Ausbruch der jüngsten Krise, sondern nehmen sich auch älteres Material vor. Nach 1929 weigerten sich in den USA einige Bundesstaaten, den New Deal umzusetzen. Was zeigt: »Die eigentliche Gefahr für die Gesundheit der Allgemeinheit lauert nicht in Rezessionen an sich, sondern in den Sparprogrammen, mit denen diese häufig bekämpft werden.« Wie für angelsächsische Sachbücher mit wissenschaftlichem Anspruch üblich, handelt die gut geschriebene Studie von Selbstmordraten, Lebenserwartungen, Krankheiten, aber auch Stress und Krankheit infolge von drohenden Zwangsräumungen: »Schon einige Zeit, bevor jemand sein Haus verliert, kann bereits eine drohende Zwangsräumung das Krankheitsrisiko erhöhen.« Aber nicht nur kapitalistische Krisen wirken sich negativ auf Leib und Leben aus. Das Buch zeigt eindringlich, dass in ehemaligen realsozialistischen Ländern, die nach 1990 sich dem IWF unterwarfen oder sich möglichst schnell zu einer kapitalistischen Marktwirtschaft transformieren wollten, die Lebenserwartung teilweise dramatisch zurückging. Leider wollen sich die Autoren weder rechts noch links positionieren und hoffen stattdessen auf einen »demokratischen Weg«, der allein Zahlen und Fakten gehorcht.

Ingo Stützle

David Stuckler und Sanjay Basu: Sparprogramme töten. Die Ökonomisierung der Gesundheit. Wagenbach Verlag, Berlin 2014. 224 Seiten, 19,90 EUR.

Erschienen in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 594 vom 20.5.2014, Seite 36.