Griechenland: Nächste Ausfahrt Grexit?

Was bis­her nur für eine Droh­ku­lisse gehal­ten wurde, um Grie­chen­land auf (deut­sche) Linie zu brin­gen, scheint inzwi­schen für Berlin kein Tabu mehr: der Aus­tritt Grie­chen­lands aus der Euro­zone. Bereits Anfang Januar gab Angela Merkel zu Protokoll, dass sie sich einen Euro ohne Griechenland vorstellen könnte. Norbert Häring wiederum zeigt, dass die derzeitige Politik Berlins auf einen »Nord-Euro« hinausläuft.

Es herrscht eine para­doxe Situa­tion: Ein Aus­stieg aus dem Euro ist rechtlich nicht gere­gelt, also eigentlich nicht möglich. Grie­chen­land könnte nur zur Drachme zurück­keh­ren, indem es die Euro­päi­sche Union (EU) ver­lässt. Das will in Grie­chen­land kaum jemand – auch SYRIZA nicht. Die Mehr­heit spricht sich für einen Ver­bleib in der Euro­zone aus.

Bei der gegen­wär­ti­gen Debatte zeigt sich erneut die dis­zi­pli­nie­rende Poli­tik gegen­über Grie­chen­land, das Ver­suchs­feld und Exem­pel zugleich ist. Das gilt vor allem für die deutsche Politik. Denn wenn gegen­über Athen Kom­pro­misse bei der Spar­po­li­tik zuge­las­sen wür­den, gäbe es kaum einen Grund, warum nicht auch Spa­nien, Por­tu­gal oder andere Län­der vom einge­schla­ge­nen Spar­kurs abwei­chen kön­nen soll­ten. Nur der drohende Podemos-Wahlsieg Ende 2015 in Spanien lässt Madrid zu einem Verbündeten Deutschlands werden. Deutschland versperrt sich einer altenativen Krisenpolitik und droht also mit dem Joker – der Grexit. Was kann man sich darunter vorstellen?

Eine schnelle Ein­füh­rung der Drachme ist kaum mög­lich. Dass die grie­chi­sche Zen­tral­bank die Euro­scheine über Nacht mit einem Stem­pel ver­sieht und so eine neue Wäh­rung ein­führt, ist eben­falls wenig wahr­schein­lich. Ver­mut­lich wird es zunächst um eine Par­al­lel­wäh­rung gehen. Wie aber könnte diese entstehen?

Voraussetzung wäre, dass die Hilfs­zah­lun­gen der Troika aus­ge­setzt wer­den. Das hat Wolfgang Schäuble de facto angedroht. Ein Bank­rott Griechen­lands wäre die unmit­tel­bare Folge. Wenn Athen sich nicht woanders Geld besorgen kann.

Die EZB erkennt grie­chi­sche Staats­an­lei­hen bereits nicht mehr als Sicher­hei­ten für Kre­dite an, gewährt den grie­chi­sche Ban­ken aber Notkredite über das sogenannte ELA-Programm. Auch die EZB müsste also den Geldhahn zudrehen, was bisher nicht so aussieht. Auch die bisherige SYRIZA-Politik scheint von der Einschätzung geleitet zu sein, dass die EZB Griechenland in der Eurozone halten will. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, warum der Ökonom und SYRIZA-Berater, Jannis Milios, gegenüber dem Handelsblatt betont, dass die EZB kein Interesse an einem Austritt aus der Eurozone haben kann und deshalb auf eine politische Lösung drängt: »Wenn ein Land die Währungsunion verlassen muss, zerfällt die Währungsunion, egal wie klein das Land ist. Die Reaktion der Finanzmärkte wäre nicht beherrschbar. Das wäre wie ein neues Lehman Brothers im Quadrat.« Der US-Ökonom Barry Eichen­green warnte bereits 2010 in einem FAZ-Inter­view: »Die Grie­chen sind eure Leh­man Bro­thers.«

Eine drohende Bankenpleite hätte einen Bankrun zur Folge. Bereits jetzt holen viele ihr Geld von der Bank und halten Ersparnisse bar oder auf Auslandkonten. Große Vermögen sind schon länger auserhalb Griechenlands geparkt.

Auch der Staat könnte in die­ser Situa­tion nichts mehr bezah­len – weder Zin­sen noch Gehäl­ter für Staats­be­diens­te­ten. Aller­dings kann der Staat, weil er kein belie­bi­ges Unter­neh­men ist, son­dern Gewalt– und Steuermono­pol zugleich, Zah­lungs­ver­spre­chen (Schuld­ver­schrei­bun­gen) aus­ge­ben. Sie könn­ten die Geld­funk­tio­nen über­neh­men und sich zu einer Par­al­lel­wäh­rung entwickeln.

Die »neue« Wäh­rung hätte gegen­über ande­ren Wäh­run­gen wie­der einen Außen­wert und würde vor allem gegen­über dem Euro massiv abwer­ten. Die Schul­den Grie­chen­lands wür­den aber wei­ter­hin in Euro lau­fen. Damit kämen die neue Wäh­rung und deren Abwer­tung einer gewach­se­nen Schul­den­last gleich.

Die Wirt­schaft wäre von dem in der Zir­ku­la­tion befind­li­chen Geld abhän­gig. Es dürfte aber kaum ver­lie­hen wer­den. Rech­nun­gen wür­den nicht bezahlt wer­den und die Wirt­schaft völ­lig ein­bre­chen. Zwar könnte die Abwer­tung den Druck einer inne­ren Abwer­tung (Lohn­sen­kung etc.) verrin­gern, aber eine wei­tere Ver­ar­mung sicher nicht auf­hal­ten. Schließ­lich wür­den sich alle Importe ver­teu­ern und damit die Infla­tion anfeu­ern. Zudem: Eine Abwer­tung der eige­nen Wäh­rung, wie sie etwa viele süd­eu­ro­päi­sche Län­der in den 1970er Jah­ren vor­ge­nom­men hat­ten, führt nicht unbe­dingt zu weni­ger Kon­kur­renz­druck. Zumal Grie­chen­land vor allem mit Indus­trien in Kon­kur­renz steht, die nicht in der EU (bzw. Deutsch­land) zu fin­den sind.

Auch wäre Grie­chen­land wei­ter­hin von der Geld­po­li­tik der EZB abhän­gig wie alle euro­päi­schen Län­der vor dem Euro von der Poli­tik der Bundesbank, so z.B. beim Zins­ni­veau, das anstei­gen müsste, um die Kapi­tal­flucht zu ver­hin­dern. Diese Hoch­zins­po­li­tik würde die grie­chi­sche Wirt­schaft wei­ter abwür­gen. Die Fol­gen eines Euro-Austritts sind nicht abzu­se­hen. Stu­dien gehen von direk­ten Kos­ten von mehreren hundert Mil­li­ar­den Euro für die Euro­zone aus (Hilfs­pa­kete, grie­chi­sche Anlei­hen bei der EZB und Noten­banks­al­den). Die indi­rek­ten Fol­gen und Kos­ten sind unklar, vor allem weil nie­mand weiß, was tat­säch­lich nach einem Ver­las­sen der Euro-Zone pas­sie­ren könnte. Wie bei Leh­man Bro­thers, das von der US-Regierung auch nur zur Abschre­ckung fal­len gelas­sen wurde, wird man auch die­ses Mal erst hin­ter­her schlauer sein – und es dann natür­lich um so bes­ser wissen.