Die Empfängnis unseres Demokraten Schäuble

In Zeiten, in welchen bürgerliche Freiheiten nicht nur laut und trampelig, sondern auch recht leise abgebaut werden, ein autoritärer Diskurs sich in allen Ritzen des Alltags festsetzt, in solchen Zeiten ist es durchaus angebracht, immer wieder auf den Ton bei der Musik und auf das zwischen den Zeilen zu achten.

In der heutigen Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gab der deutsche Innenminister Finanzminister Wolfgang Schäuble ein Interview. Eine Antwort war besonders schön.

»Verraten Sie uns, wie Sie das Leben auf Pump abstellen? Oder müssen Sie erst die Wahl in Nordrhein-Westfalen abwarten?«

»Es ist doch klar, dass ein Schuldenabbau um jährlich zehn Milliarden Euro von 2011 an Widerstände provoziert. Wer jetzt schon alles verrät, läuft Gefahr, dass später alles zerredet wird. Aber wir müssen schon vor der NRW-Wahl damit beginnen, die Menschen davon zu überzeugen, dass der Schuldenabbau keine Bedrohung, sondern eine Verheißung ist.«

Dass es Widerstand geben wird, vielleicht bereits schon gibt, scheint dem CDU-Politiker klar zu sein. Er verrät uns in seiner kurzen Antwort auch eine Form, wie er als Finanzpolitiker damit umgehen wird, er, der in der letzten Legislaturperiode den präventiven Sicherheitsstaat konsolidiert und forciert hat: Es wird nichts zu früh verraten! Da waren die Kinderlein wohl nicht brav genug?! Schäuble denkt sich: da könnten ja unangenehme Nachfragen kommen, Unmut könnte sich artikulieren, gar Widerspruch laut oder: Widerstand organisiert werden. Schließlich kommt das, was als Zauberwort »Allgemeinwohl« in aller Munde geführt wird vor allem dem Wohl der Herrschenden und Vermögenden zugute. Und Schäuble weiß auch: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. In einer ›wehrhaften Demokratie‹, wo die Politik auch gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden muss, da sollte ja nicht zu viel darüber geredet werden, was für soziale Konsequenzen die Politik hat. Ist ja auch gar nicht nötig. Schließlich sitzen in den Ministerien Leute, die sich damit auskennen – wie bspw. Schäuble.

Und weil gerade Weihnachten war, kam selbstredent zu diesen autoritären und demokratiefeindlichen Äußerungen noch ein Schuss Religion in Form einer wirklich wundervollen Metapher hinzu.  Schuldenabbau sei keine Bedrohung, z.B. durch den Staat, der einem das Leben noch unerträglicher macht, sondern eine »Verheißung« – und Schäuble der Prophet!

Logisch ist es allemal: Will ein Staat keine Bevölkerung, die sich einen eigenen Kopf macht (also: alles zerredet), muss er dafür Sorge tragen, dass zumindest die politischen Entscheidungen akzeptiert werden. Eine Verheißung kommt da gerade recht. Diese wird nämlich nur empfangen. Ob sie Schäuble jetzt nur verkündet oder ob er sie (von wem?) selbst empfangen hat, verrät er vielleicht in seinem nächsten Interview. Wir dürfen gespannt sein.

Keine Steuerpolitik gegen Minderheiten

Im Anschluss an meine kurze Handreichung sei hier auf ein Chart aus der aktuellen DIE ZEIT hingewiesen, den weissgarnichts dankenswerterweise online gestellt und erweitert hat. Pink eingezeichnet ist die Einkommenshöhe, die nach den Vorhaben der LINKEN höhere Steuern zahlen sollten. Ich sag mal: Sozialismus sieht anders aus. Der rote Strich gaaaanz oben markiert die EinkommensbezieherInnen, die jährlich mehr als 125.000 Euro verdienen und nach den krass radikalen Vorschlägen der SPD mit einem höheren Spitzensteuersatz ausgepresst werden sollen. Nach der Einkommensteuerstatisik sind das ca. 1,6% aller SteuerzahlerInnen. So wie die Diskussionen gegenwärtig geführt wird, werden höhere Steuer für diese, nennen wir sie: Minorität, kaum durchgesetzt werden (Zur Erinnerung: Diese Minorität war es, die vom letzten Aufschwung maßgeblich profitiert hat).

Nachdem die Steuereinnahmen im Zuge der Krise einbrechen, weitere Kosten auf den Staat zukommen werden, stellt sich die Frage: wer soll das wie bezahlen? Wir ahnen schon: Sicherlich nicht die Wir-passen-in-keine-Einkommensgrafik-rein.

ZEIT-Chart zu Gehälter und Steuerpläne von DIE LINKE und SPD

Wer soll das bezahlen? Besteuerung als Umverteilungsmaschinerie

Foto: CC-Lizenz, besar bears

Mitten im Wahlkampf versprechen Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) für den Fall einer schwarz-gelben Koalition, dass Firmen und Wohlhabende um 15 Mrd. Euro entlasten werden sollen. Ihre Argumentation folgt dabei der Logik der letzten Jahrzehnte: Leistung muss sich wieder lohnen. Wenn Unternehmen und Vermögende weniger Steuern zahlen müssen, so die Begründung für eine derartige Politik, dann sind sie auch bereit, zu investieren. Damit würden die Auftragszahlen wieder anziehen, mehr produziert werden, Arbeitsplätze entstehen und: Steuereinnahmen fließen. Eine Steuersenkung würde sich sozusagen selbst finanzieren.

Auch wenn diese fixe Idee weder theoretisch haltbar ist noch der Wirklichkeit entspricht, so hält sie sich hartnäckig und wird immer dann in Anschlag gebracht, wenn es Steuererleichterungen zu begründen gilt. Diese prägen die Finanzpolitik der letzten Jahrzehnte und bewirken zweierlei: Eine Umverteilung der Steuerlast von oben nach unten und steigende Staatsverschuldung. Letztere muss wiederum dafür herhalten, scheinbar notwendige Kürzungen öffentlicher Ausgaben durchzusetzen. Continue reading “Wer soll das bezahlen? Besteuerung als Umverteilungsmaschinerie”

Historisches zur Bad Bank

badbistroDer Deutsche Bundestag macht sich auch mal schlau. Dafür sind die Wissenschaftlichen Dienste da. Sie unterstützen die Abgeordneten durch kurze Fachinformationen, Analysen und gutachterliche Stellungnahmen.Vor ein paar Wochen erstellen sie ein zweiseitiges Papier zur sog. Bad Bank bzw. zu einem historischen Vorläufer aus den 1930er Jahren: die Akzept- und Garantiebank. Die Analyse gibt es als pdf-Datei.

Foto: CC-Lizenz, Ellen Beck

Aus aktuellem Anlass: Staatsverschuldung als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie

Eines der gängigen Ressentiments gegenüber alternativer Wirtschaftspolitik ist die spöttische Frage nach deren Finanzierbarkeit. Darauf wird zumeist erwidert, dass dieses Problem auch eine Verteilungsdimension besitze. Die Entgegnung ist sicherlich richtig, doch sollte nicht aus dem Blick geraten, in welcher vorherrschenden Form Reichtum produziert wird und was die öffentlichen Finanzen als spezifische Form kapitalistischer Vergesellschaftung überhaupt ausmacht. Warum nimmt das ‚ökonomische Dasein’ (Marx) des Staates die Form des Steuerstaates an? Welche Reproduktionsbedingungen bringt diese Form für das Kapitalverhältnis mit sich? – Diese und ähnliche Fragen werden und wurden in den Debatten im Anschluss an Marxens Werttheorie kaum gestellt.  Die Staatsfinanzen auch als Gegenstand der marxschen Kritik der politischen Ökonomie zu begreifen, wird vielmehr zumeist pragmatischen Imperativen untergeordnet. Dabei waren die Staatsfinanzen für Marx ein durchaus relevantes Feld theoretischer Reflexion – gerade um zu verstehen, welchen ökonomischen Bedingungen staatliche Politik überhaupt unterliegt. […] Im Folgenden soll nun auf die Staatsverschuldung eingegangen werden. Ich möchte dabei nicht aktuelle finanzpolitische Phänomene diskutieren, sondern ‚Staatsverschuldung’ als theoretischen Begriff, als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie. Gezeigt werden soll der spezifische Charakter der Staatsverschuldung und welche Bedingungen diese für die gesellschaftliche Reproduktion und somit für politische Handlungsfähigkeit unter kapitalistischen Vorzeichen etabliert.

Der jetzt vollständig als pdf-Datei zu beziehende Artikel Staatsverschuldung als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie. Eine Forschungsnotiz” erschien in: Lindner, Urs/ Nowak, Jörg/ Paust-Lassen, Pia (Hrsg.); Philosophieren unter anderen. Beiträge zum Palaver der Menschheit. Frieder Otto Wolf zum 65. Geburtstag, Münster 2008, 239-262.

Die in diesem Aufsatz recht allgemein Fragestellung ist gerade jetzt so wichtig, da selbst ein Heribert Prantel bspw. in Juni-Ausgabe der Blätter mit dem Staatsrechtler Werner Hahnn d’accore geht, der behauptet, “die Verschuldung politischer Gemeinwesen [seien] eine ebenso universale wie zeitlose Erscheinung”. Also irgendwie natürlich, Staat, Steuern und Verschuldung die natürliche Formen der menschlichen Existenz.

Foto: cc-Lizenz, anonamyst

Spekulation auf Verteilungskonflikte unangebracht

Der FAZ gab Peer Steinbrück ein Interview, das zum Spekulieren anregt.

FAZ: Aber eine Mehrwertsteuererhöhung schließen Sie aus?

Peer Steinbrück: Ja. Das ist kein Thema. Die Erhöhung 2005 hat nicht nur zu Lasten meiner Partei zu einem Glaubwürdigkeitsverlust geführt, weil die SPD vor der Wahl 2005 etwas anderes gesagt hat, als sie hinterher gemacht hat.

FAZ: Aber wo wollen Sie dann das Geld herholen?

Peer Steinbrück: Das ergibt sich aus den Vorrangigkeiten und vor allem Nachrangigkeiten, die im Zuge einer Regierungsbildung gesetzt werden und die Einnahmen- wie Ausgabenseite des Bundeshaushaltes bestimmen. Darüber spekuliere ich jetzt nicht.

Spekulieren ist seit letzten Herbst zwar in Verruf geraten, ich mache es aber trotzdem: Für das Finanzministerium bleiben nach der Bundestagswahl im Herbst zwei Möglichkeiten: Einnahmen erhöhen oder Ausgaben senken. Werden weitere Schulden als Form der Finanzierung ausgeschlossen, bleiben: Steuererhöhungen. Das will z.Z. aber niemand hören. Sei’s drum! Sollen zumindest nicht die Mehrwertsteuern erhöht werden (Klaus F. Zimmermann vom DIW fordert inzwischen schon eine Erhöhung auf 25 Prozent), bleiben wenige Möglichkeiten: Will die kommende Regierung die “Leistungsträger” (seien es Selbstständige oder Unternehmen) für den nötigen Aufschwung nicht unnötig belasten, werden diejenigen geschröpft, die in den letzten Jahren mehr und mehr die Steuerlasten tragen müssen – die Lohnabhängigen.

Was ist aber mit der Seite der Ausgaben? Hier gilt ein relativ einfacher Grundsatz: Man muss kein Geld einnehmen, wenn man keines ausgibt. Neben Steuererhöhungen wird die kommende Regierung somit vor allem mit einem beschäftigt sein: Der Bevölkerung klar machen, dass der Schuldenabbau (im Namen der künftigen Generationen) und niedrige Steuern vor irgendwelchen Sozialausgaben Vorrang haben müssen; also die sozialstaatliche Abfederung der ab Ende des Jahres einbrechenden Folgen der Wirtschaftskrise für die Lohnabhängigen nachrangig ist.

Bei einem Punkt hat Peer Steinbrück aber in jedem Fall recht:

“Eins ist deshalb schon jetzt klar: wie immer die Regierungskonstellation nach dem 27. September aussehen wird – es wird erhebliche Verteilungskonflikte geben.”

Wollen wir hoffen, dass er Recht hat. Wenn auch in einem anderen Sinn.

Der nach wie vor zappelnde Neoliberalismus

titanic_steuernAngesichts der Krise sehen die einen den Neoliberalismus völlig am Ende, die anderen sehen ihn einfach nur politisch diskreditiert und wiederum andere üben sich in Bescheidenheit: die neoliberale Hegemonie habe lediglich Risse bekommen. Wie aber stellt man fest, ob der Neoliberalismus tot ist oder sich nur kurz zu einem kleinen Schönheitsschlaf verabschiedet hat, um gestärkt wieder ans Tageswerk zu gehen?

In der FAZ ist heute ein Kommentar zum Parteitag der FDP. Im Wirtschaftsteil. Auffällig sind zwei Punkte. Zum einen zeigt der Kommentar, wie groß der Spielraum des nach wie vor Sagbaren ist. Nicht die Privatisierung der Rente gehört angesichts der Finanzkrise auf den Prüfstand, nein, vielmehr gelte es die gesamten Sozialversicherung auf eine kapitalgedeckte Finanzierung umzustellen. Schande über die FDP, die diesen Punkt nicht offensiv in die Debatte einbringt. Es gibt sie also doch noch, die ganz harten neoliberalen Vorstellungen vom Umbau der Gesellschaft.

Aber ein weiterer Punkt hat mich dann doch erstaunt und meine Überzeugung genährt, dass der Neoliberalismus alles, nur nicht am Ende ist. Vor ein paar Tagen publizierte die OECD eine Studie zu Steuern und Abgaben. Heike Göbel kommentiert diese wie folgt:

“Von der Idee eines transparenten und leistungsfreundlichen Einkommensteuerrechts geht offenkundig ein starker Reiz aus. Dass es hier noch viel zu tun gibt, zeigt der jüngste Belastungsvergleich der OECD.”

Zeigt das die Studie? Was zeigt denn die Studie? Dazu ist bei Gödel nichts zu lesen. Bereits im Pressetext der OECD zur besagten Studie heißt es:

“Deutschland belastet wie kaum ein anderes OECD-Land die Einkommen von Gering- und Durchschnittsverdienern mit Sozialabgaben und Steuern.”

OK, das hat man irgendwie geahnt. Und wie verhält es sich mit dem “leistungsfreundlichen” Charakter des deutschen Steuersystems? Hierzu stellt die Studie fest:

“In diesem Jahr legt die OECD zum ersten Mal detaillierte Daten zur Steuer- und Abgabenlast für nahezu das gesamte Einkommensspektrum vor und bringt so eine Besonderheit des deutschen Systems ans Licht: Anders als die progressive Einkommenssteuer vermuten lässt, sinkt in Deutschland die Belastung der Arbeitseinkommen ab einem bestimmten Punkt wieder. […] So fallen in Deutschland bei einem Single mit einem Jahresgehalt von rund 63.000 Euro mit 53,7 Prozent die höchsten Abzüge durch Steuern und Sozialbeiträge an. Bei 110.000 Euro Jahresgehalt müssen dagegen nur noch 50 Prozent der Arbeitskosten (Bruttoverdienst plus Sozialbeiträge Arbeitgeber) an Sozialkassen und Staat abgeführt werden. Die Steuer- und Sozialabgabenquote liegt damit wieder auf dem Niveau eines Arbeitnehmers mit 36.500 Euro Jahresgehalt.”

Das heißt doch nichts anderes, als dass man nur genug verdienen muss, um wieder weniger Steuern zahlen zu müssen. Also ist das Steuersystem doch “leistungsfreundlich” – oder etwa nicht? Diese Frage lässt sich in zwei Richtungen Auflösen. Entweder der Kommentar hat die gleiche Stoßrichtung wie die Forderung nach einer kapitalgedeckten Sozialversicherung. Es soll also um eine noch stärkre Entlastung der sog. Leistungsträger gehen. Oder, und das ist die andere Möglichkeit, der ideologische Stand ist so hegemonial, dass er Studien mit wissenschaftlichen Weihen in seinem (neoliberalen) Sinne verwenden kann – auch wenn diese der Sache nach gar nicht dafür herhalten können, vielmehr das Gegenteil aussagen. Und was, wenn nicht das, ist Hegemonie?

Hast du mal ‘ne Mark? Der Euro und die Finanzkrise

Zehn Jahre nach der Einführung des Euro wird nicht nur über ein mögliches Ende des einheitlichen Währungsraums spekuliert. Selbst ein möglicher Bankrott von EU-Staaten wird nicht mehr ausgeschlossen. Dabei ist offen, wie sich die Finanzkrise auf den Euro und den europäischen Integrationsprozess insgesamt auswirken wird. Klar ist jedoch: Die Auswirkungen werden beträchtlich und Deutschlands europapolitische Entscheidungen von zentraler Bedeutung sein.

1985 wurde die Einheitliche Europäische Akte (EEA) auf den Weg gebracht. Ziel war die Herstellung eines einheitlichen Binnenmarktes und die völlige Deregulierung des Kapitalverkehrs. Vor allem Länder mit einer schwächeren Währung – dazu gehörte Frankreich – hatten bis dahin immer wieder in den Devisenmarkt eingegriffen. Continue reading “Hast du mal ‘ne Mark? Der Euro und die Finanzkrise”

Staatsverschuldung als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie

Aus doppelt aktuellem Anlass: Für meine Arbeit “Staatsverschuldung als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie” wurde mir der Rjazanov-Preis verliehen (Zu Rjazanov siehe den Sonderband der Beiträge zur Marx-Engels-Forschung NF). Schön genug. Aber die Arbeit passt auch thematisch in eine Zeit , in der so viel von Staatsverschuldung und gleichzeitig von Marx die Rede ist – nur eben so, als hätte letzterer nichts zur Staatsschuld zu sagen. Und über weite Strecken ohnehin ahnungslos. By the way: Der Text in einem auch sonst sehr schönen Sammelband erschienen: Philosophieren unter anderen. Beiträge zum Palaver der Menschheit.

Vor zehn Jahren machte Oskar einen auf Lafontaine

Wie gereizt die Stimmung war und teilweise noch immer ist, macht ein Radiobeitrag bei Deutschlandradio deutlich. Die Stimme ist bei so manchem heißer geworden. Vor zehn Jahren trat Oskar Lafontaine als Finanzminister zurück. Er hatte erkannt, dass es sich eben nicht nach Gerhard Schröders Motto – »Man muss nur wollen! Dann wird das schon« – regieren lässt. Dass Lafontaine überhaupt Minister wurde – und sich gegen Stollmann durchsetzte – grenzte an ein kleines Wunder. Es war das letzte Aufbäumen eines linken Flügels innerhalb einer Partei, deren neuer Kurs schon mehr oder weniger feststand: Agenda 2010 und Hartz-Reformen. Zwar nahm RotGrün zunächst ein paar Reformen der Kohl-Regierung zurück (Rentenkürzung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall), aber kaum waren ein paar Wahlversprechen eingelöst, ein Krieg geführt, nahm die neue Koalition eine Modernisierung vor, die bisher ihres Gleichens sucht. Die Sozialdemokratie ermöglichte damit aber zugleich ihre eigene Opposition – die Linkspartei. Wer nochmals en detail nachlesen will, wie es zu der Entscheidung am 11. März 1999 kam, dem sei das Kapitel “Schröder, Lafontaine und Rot-Grün” aus Lafontaines Linke von Wolfgang Hübner und Tom Strohschneider ans Herz gelegt. Vor dem Hintergrund seiner gegenwärtigen Rolle in der Parteienlandschaft und innerhalb der Linkspartei ist der fast endgültig klingende Nachruf von Günter Gaus aus dem damaligen Freitag geradezu trollig: “Das politische Comeback ist ausgeschlossen – oder es müssten Ostern und Pfingsten auf einen gemeinsamen Tag fallen -, weil der sozialdemokratische Parteivorsitzende Lafontaine beim Abschied spontan eine übermäßige Egozentrik an den Tag gelegt hat.” Die Egozentrik hat er noch lange nicht abgelegt; aber Ostern und Pfingsten scheinen auf eine gewisse Weise doch zusammen gefallen sein.

Erstveröffentlichung: freitag.de

Mit der Krise richtig Geld verdienen? Kein Problem!

Vielen Wertpapieren und Zertifikaten klebt ein ähnlich schlechter Ruf wie einem Investmentbanker an. Gefragt sind  sichere Papiere. Beispielsweise Staatsanleihen. Aber auch nicht alle. Aber jetzt kommt es: Es gibt die Möglichkeit, auch bei fallenden Kurse von Staatspapieren und gar Anleihen-Crashs richtig Geld zu verdienen! Nicht immer nur den Kopf in den Sand stecken! Auch mal das Gute an der ganzen Finanzkrise sehen! DIE WELT ONLINE erklärt…

Keynes vor seinen Liebhabern schützen

Seit Wochen wird Keynes gewürdigt und diskutiert – mehr unwillig als interessiert. Oft wird nicht verstanden, was das eigentlich Radikale an seiner Theorie ist. Keynes steht im Alltagsverstand für Schulden finanzierte Staatsausgaben und niedrige Zinsen. Selbst die FAZ wird ab heute regelmäßig Teile seiner BBC-Ansprachen als Fortsetzungsroman [sic!] bringen – im Feuilleton versteht sich. Da kann er seine Geschichten zum Besten geben. Im Wirtschaftsteil werden dann die “hard facts” verhandelt. Da kommt man schon in die Versuchung, Keynes vor seinen eigenen Liebhabern schützen zu wollen. Continue reading “Keynes vor seinen Liebhabern schützen”

Gut zu wissen…

Man hat sich in den letzten Tagen immer wieder gefragt, was es eigentlich heißen soll, wenn VertreterInnen der Linkspartei davon sprachen, die Politik der Bundesregierung sei “sozial unausgewogen”. Im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets verspricht CDU/SPD eine Einkommensteuerentlastungen von 2,9 Mrd. Euro in 2009 und knapp 6 Mrd. Euro in 2010. Auf Anfrage der Linkspartei werden jetzt zumindest die Verhältnisse der geplanten Entlastungen klar: Demnach werden niedrigen Einkommen bis 10.000 Euro (bei Verheirateten bis 20.000 Euro) um insgesamt 150 Mio. Euro entlastet. Die Besserverdiener mit über 53.000 Euro (bzw. 106.000 Euro bei Verheirateten) demgegenüber mit 1.450 Mio. Euro – fast dem zehnfachen. Gut zu wissen.