Riccardo Bellofiore: Magdoff-Sweezy and Minsky on the Real Subsumption of Labour to Finance

Bei der Analyse der gegenwärtigen Krise wurde oft auf Thesen des Post-Keynesianers Hyman Minsky zurückgeriffen. Auf Minsky greifen auch viele an Marx orientierte WissenschaftlerInnen zurück. Nicht zuletzt deshalb, weil Marx’ Ausführungen zu monetären Phänomenen und Krisen spärlich sind – auch wenn mehr zu holen ist, als die marxistische Debatte verrät. Diese ist nämlich arg auf die scheinbar »reale« Dimension von Akkumulation und Krise fixiert. Eine der wenigen, die schon früh auf die zunehmende Bedeutung der Finanzmärkte aufmerksam machten waren Harry Magdoff und Paul Sweezy (»Stagnation and the Financial Explosion«, 1987). Nun diskutiert Riccardo Bellofiore, der bereits zu Anfang der Krise einen sehr guten Text publiziert hatte (»Ein Minsky-Moment?«), beide theoretische Zugriffe. Der Text »Magdoff-Sweezy and Minsky on the Real Subsumption of Labour to Finance« erscheint im Samelband »Minsky, Financial Development and Crises« (hgg. von D. Tavasci und J. Toporowski, Palgrave 2010), ist aber bereits als pdf-Datei verfügbar.

DER BLUTIGE ERNST: KRISE UND POLITIK | Diskussionsveranstaltung zum neuen Prokla-Heft

Ist die aktuelle Krise wirklich schon “Schnee von gestern”? Hat der Staat seine Mission als “Retter in der Not” erfüllt? Werden die Strukturprobleme der Weltwirtschaft in Zukunft noch zunehmen? Drei PROKLA-AutorInnen diskutieren aus verschiedenen Perspektiven über Politik und Ökonomie in der aktuellen Krise.

Stefan Schmalz (Autor PROKLA, Universität Kassel)
Ingo Stützle (Autor PROKLA, Redakteur der Zeitschrift ak – analyse & kritik)
Christina Kaindl (Autorin PROKLA, Redakteurin der Zeitschrift Luxemburg)
Moderation: Dorothea Schmidt (Redakteurin PROKLA)

Es kommentiert:
Katja Kipping (MdB und Vizevorsitzende der Partei Die LINKE)

ORT UND ZEIT:

9. FEBRUAR, 18.30 UHR
Humboldt-Universität zu Berlin
Institut für Sozialwissenschaften
EG, Raum 002/003
Universitätsstraße 3b

To be or not to be a Keynesian – ist das die Frage?

Vor wenigen Tagen ist die neue Prokla erschienen, die Nummer 157 mit dem schönen Titel: Der blutige Ernst: Krise und Politik. In einem Artikel setze ich mich mit Keynes und keynesianistischen Reformperspektiven auseinander – kritisch.

Mit der Krise wurden auch die passenden Theorien an die Oberfläche des wirtschaftspolitischen Diskurses gespült. Während Karl Marx ein Platz im Feuilleton zukam, wurde John Maynard Keynes etwas ernster genommen. Dessen Anziehungskraft wirkte jedoch nicht ungebrochen. Ganz im Gegenteil: Die durch die Krise erzwungenen staatlichen Feuerwehreinsätze sorgte bei vielen Apologeten freier Märkte für Unbehagen – schon früh wurde vor staatlicher Überregulierung gewarnt (vgl. Plickert 2008). Keynes‘ Theorie wurde so zu einem zentralen Feld der Auseinandersetzung darüber, wie der Kapitalismus ‚vernünftig‘ zu regieren sei. Während die einen bei Keynes zentrale Säulen der „freien Marktwirtschaft“ in Gefahr sehen, formulieren andere hingegen die Hoffnung, dass Keynes einen Ausweg aus einer ungerechten und instabilen Wirtschaftsordnung weisen könne. Wiederum andere wollen gar mit Keynes die schwindende Legitimation des Neoliberalismus in eine Perspektive jenseits des Kapitalismus überführen.

Eine Auseinandersetzung mit Keynes steht somit ebenso an, wie mit dem, was im Rahmen der sogenannten neoklassischen Synthese daraus gemacht wurde. Denn dem Keynes, der im Zuge der gegenwärtigen Krise so manches Feuilleton erfreute, wurden schon vor längerer Zeit die Zähne gezogen. Auch diskussionswürdig erscheint, warum Keynes für viele Linke und SozialistInnen als antikapitalistisches Maskottchen herhalten muss, da der britische Ökonom den Kapitalismus gar nicht als das zentrale Problem identifizierte und ihn vielmehr gegen den Sozialismus zu verteidigen gedachte.

Weiterlesen: To be or not to be a Keynesian – ist das die Frage? Kritik und Grenzen wirtschaftspolitischer Alternativen, in: Prokla 157 (Der blutige Ernst: Krise und Politik), 39.Jg., H.4, 607-623.

Auch die neue prokla-website lohnt sich: Es gibt ein Prokla-Archiv mit allen Artikeln ab der ersten Nummer von 1971!

Das neue K-Wort: Kreditklemme oder mit Marx eine Bank verstehen

Da musste Herr Steinbrück dann doch schnell zurückrudern. Schließlich titelte die Frankfurter Rundschau schon: “Steinbrück ruft den Kommunismus aus”. Angesichts der vom Finanzministerium konstatierten Kreditklemme drohte der amtsinhabende Minister vor ein paar Tagen mit “Maßnahmen, die es so in Deutschland noch nicht gegeben hat”. Dann war zu lesen, dass er damit natürlich keine “Zwangsmaßnahmen”, also den Kommunismus gemeint habe, sondern eben nur Maßnahmen. Ganz so, als seien staatliche Maßnahmen keine Zwangsmaßnahmen. Dann musste auch schon dementiert werden, dass die Bundesbank demnächst direkt Kredite an Unternehmen gebe. Diese Maßnahme werde nur geprüft.

Gangster ShootGeiz ist geil

In die Kritik geraten war die verantwortungslose Praxis der Banken, die den Unternehmen kein Geld leihen wollen. Erst waren die Banker zu gierig, jetzt sind sie den PolitikerInnen zu geizig. Um aus der Krise wieder herauszukommen, könnten die Banker doch bitte wieder ein paar Charakterzüge zeigen, die zwar für die Krise verantwortlich gemacht wurden, jetzt aber durchaus hilfreich sein könnten. So die scheinbar zugrunde liegende Diagnose. Die politische Klasse muss einem schon fast leid tun, so überfordert ist sie mit der zugegeben komplizierten Lage. Aber wer hat behauptet, dass der Kapitalismus unkompliziert ist?

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Der nach wie vor zappelnde Neoliberalismus

titanic_steuernAngesichts der Krise sehen die einen den Neoliberalismus völlig am Ende, die anderen sehen ihn einfach nur politisch diskreditiert und wiederum andere üben sich in Bescheidenheit: die neoliberale Hegemonie habe lediglich Risse bekommen. Wie aber stellt man fest, ob der Neoliberalismus tot ist oder sich nur kurz zu einem kleinen Schönheitsschlaf verabschiedet hat, um gestärkt wieder ans Tageswerk zu gehen?

In der FAZ ist heute ein Kommentar zum Parteitag der FDP. Im Wirtschaftsteil. Auffällig sind zwei Punkte. Zum einen zeigt der Kommentar, wie groß der Spielraum des nach wie vor Sagbaren ist. Nicht die Privatisierung der Rente gehört angesichts der Finanzkrise auf den Prüfstand, nein, vielmehr gelte es die gesamten Sozialversicherung auf eine kapitalgedeckte Finanzierung umzustellen. Schande über die FDP, die diesen Punkt nicht offensiv in die Debatte einbringt. Es gibt sie also doch noch, die ganz harten neoliberalen Vorstellungen vom Umbau der Gesellschaft.

Aber ein weiterer Punkt hat mich dann doch erstaunt und meine Überzeugung genährt, dass der Neoliberalismus alles, nur nicht am Ende ist. Vor ein paar Tagen publizierte die OECD eine Studie zu Steuern und Abgaben. Heike Göbel kommentiert diese wie folgt:

“Von der Idee eines transparenten und leistungsfreundlichen Einkommensteuerrechts geht offenkundig ein starker Reiz aus. Dass es hier noch viel zu tun gibt, zeigt der jüngste Belastungsvergleich der OECD.”

Zeigt das die Studie? Was zeigt denn die Studie? Dazu ist bei Gödel nichts zu lesen. Bereits im Pressetext der OECD zur besagten Studie heißt es:

“Deutschland belastet wie kaum ein anderes OECD-Land die Einkommen von Gering- und Durchschnittsverdienern mit Sozialabgaben und Steuern.”

OK, das hat man irgendwie geahnt. Und wie verhält es sich mit dem “leistungsfreundlichen” Charakter des deutschen Steuersystems? Hierzu stellt die Studie fest:

“In diesem Jahr legt die OECD zum ersten Mal detaillierte Daten zur Steuer- und Abgabenlast für nahezu das gesamte Einkommensspektrum vor und bringt so eine Besonderheit des deutschen Systems ans Licht: Anders als die progressive Einkommenssteuer vermuten lässt, sinkt in Deutschland die Belastung der Arbeitseinkommen ab einem bestimmten Punkt wieder. […] So fallen in Deutschland bei einem Single mit einem Jahresgehalt von rund 63.000 Euro mit 53,7 Prozent die höchsten Abzüge durch Steuern und Sozialbeiträge an. Bei 110.000 Euro Jahresgehalt müssen dagegen nur noch 50 Prozent der Arbeitskosten (Bruttoverdienst plus Sozialbeiträge Arbeitgeber) an Sozialkassen und Staat abgeführt werden. Die Steuer- und Sozialabgabenquote liegt damit wieder auf dem Niveau eines Arbeitnehmers mit 36.500 Euro Jahresgehalt.”

Das heißt doch nichts anderes, als dass man nur genug verdienen muss, um wieder weniger Steuern zahlen zu müssen. Also ist das Steuersystem doch “leistungsfreundlich” – oder etwa nicht? Diese Frage lässt sich in zwei Richtungen Auflösen. Entweder der Kommentar hat die gleiche Stoßrichtung wie die Forderung nach einer kapitalgedeckten Sozialversicherung. Es soll also um eine noch stärkre Entlastung der sog. Leistungsträger gehen. Oder, und das ist die andere Möglichkeit, der ideologische Stand ist so hegemonial, dass er Studien mit wissenschaftlichen Weihen in seinem (neoliberalen) Sinne verwenden kann – auch wenn diese der Sache nach gar nicht dafür herhalten können, vielmehr das Gegenteil aussagen. Und was, wenn nicht das, ist Hegemonie?

Eine Frage der Souveränität: Banken, die Finanzkrise und wer Hilfe nötig hat

kreditberatung-als-standardausruestungZeitgleich zu einem Artikel in der financial times deutschland veröffentlichte das US-amerikanische Center for Public Integrity (CPI) eine Studie zu Banken, deren Lobbyarbeit und ihrem Verhältnis zu einigen Aspekten der Finanzkrise. Demnach sind 21 der 25 wichtigsten Subprime-Kreditgeber vor allem von den Banken finanziert, die nun mit staatlichen Geldern versorgt werden. Erstaunlich ist das nicht unbedingt. Ebenso wenig erstaunlich ist der dennoch sehr interessante Teil der Studie, der einen geschichtlichen Abriss über die De- und Re-Regulierung seit den 1980er Jahren bietet. Hier zeigt die Studie, wie die engagierte Hypothekenlobby die Versuche einer schärferen Regulierung zu verhindernwusste. Poulantzas würde das als einen Moment der Verdichtungsprozesse sozialer Kräfte- und Klassenverhältnisse im Staat beschreiben. Also als einen ganz normalen Teil politischer Macht, sozialer Auseinandersetzungen und Konstitution staatlicher Herrschaft.

Auch die aggressive Kreditwirtschaft war der Politik schon länger bekannt. Ebenso wie die Folgen. Nur interessiert es eben eine Weltmacht erst unter ganz bestimmten Umständen. So heißt es in einem Bericht des Pentagon von 2006: Insgesamt “werden durch räuberische Kreditvergabe die militärischen Einsatzbereitschaft zersetzt, die Moral der Truppe und ihrer Familien geschwächt und die Kosten der Bereitstellung einer rein aus Freiwilligen bestehenden Berufsarmee erhöht.”

Die private Überschuldung, die viele Menschen erdrückende Schuldenfalle und die besondere Form der aggressiven Kreditvergabe stellte also ganz unmittelbar die kriegerischen Fähigkeiten der USA in Frage – zumindest partiell. Das muss dann doch die entsprechenden Stellen interessieren. Bereits vor 2006 wurde deshalb das Problem auch angegangen. So erhielten bereits ein Jahr zuvor 345.000 Soldaten und Angehörige Schulungen im Umgang mit ihren Finanzen und finanzielle Hilfe.

Soldaten, die bis zum Hals in Schulden stecken, sich den Kopf über die nächste Rate und den nächsten Besuch des Krediteintreibers zerbrechen, sind nicht unbedingt die Soldaten, die den Feind der USA gut kennen und konzentriert Leben auslöschen bereit sind. Gegenüber dem diensthabenden Befehlshaber hilft schließlich nicht die Ausrede: “Ich war mit meinem Kopf gerade woanders!”

Bild: shaunwong, CC-Lizenz

Hast du mal ‘ne Mark? Der Euro und die Finanzkrise

Zehn Jahre nach der Einführung des Euro wird nicht nur über ein mögliches Ende des einheitlichen Währungsraums spekuliert. Selbst ein möglicher Bankrott von EU-Staaten wird nicht mehr ausgeschlossen. Dabei ist offen, wie sich die Finanzkrise auf den Euro und den europäischen Integrationsprozess insgesamt auswirken wird. Klar ist jedoch: Die Auswirkungen werden beträchtlich und Deutschlands europapolitische Entscheidungen von zentraler Bedeutung sein.

1985 wurde die Einheitliche Europäische Akte (EEA) auf den Weg gebracht. Ziel war die Herstellung eines einheitlichen Binnenmarktes und die völlige Deregulierung des Kapitalverkehrs. Vor allem Länder mit einer schwächeren Währung – dazu gehörte Frankreich – hatten bis dahin immer wieder in den Devisenmarkt eingegriffen. Continue reading “Hast du mal ‘ne Mark? Der Euro und die Finanzkrise”

Mit der Krise richtig Geld verdienen? Kein Problem!

Vielen Wertpapieren und Zertifikaten klebt ein ähnlich schlechter Ruf wie einem Investmentbanker an. Gefragt sind  sichere Papiere. Beispielsweise Staatsanleihen. Aber auch nicht alle. Aber jetzt kommt es: Es gibt die Möglichkeit, auch bei fallenden Kurse von Staatspapieren und gar Anleihen-Crashs richtig Geld zu verdienen! Nicht immer nur den Kopf in den Sand stecken! Auch mal das Gute an der ganzen Finanzkrise sehen! DIE WELT ONLINE erklärt…

analyse & kritik nicht nur der Krise

Die Monatszeitung analyse & kritik hat inzwischen ein ausführliches Dossier zur aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, das zeigt, dass der ak die Entwicklungen seit Monaten verfolgt. Auch in der aktuellen Ausgabe ist die Krise und der Kapitalismus wieder Thema. Unter anderen im Rahmen eines Interviews mit Stefanie Hürtgen, die gerade eine kritische Untersuchung zum transnationalen Co-Management betrieblicher Gewerkschaftspolitik veröffentlicht hat. Des Weiteren findet sich ein Interview mit Karl Heinz Roth, der im Frühjahr eine Arbeit zur aktuellen Krise vorlegen wird.

Bücher zur Krise

Jede Finanz- und Wirtschaftskrise hat ihre Bücher, und mit jedem Buch verbindet sich die Hoffnung, für die Zukunft etwas lernen zu können. Angesichts der Tatsache, dass Spekulationskrisen seit der holländischen Tulpenkrise von 1634 immer den gleichen Verlauf genommen haben, erscheint diese Hoffnung gegenstandslos. Die gegenwärtige Finanzkrise hält seit über einem Jahr an. Die nach und nach veröffentlichten Bücher haben deshalb auch unterschiedliche Schwerpunkte. Vier dieser Publikationen werden im Folgenden in der Reihenfolge ihres Erscheinens vorgestellt. Continue reading “Bücher zur Krise”

Zur gegenwärtigen Talfahrt der Börse

Die gegenwärtige Talfahrt der Börsen ist nicht allein auf “mangelndes Vertrauen” zurückzuführen. Vielmehr lösen viele institutionellen Anleger im Zuge der unklaren weltwirtschaftlichen Entwicklungen und den damit einhergehenden Währungsschwankungen sog. carry trades auf. Dabei handelt es sich um Kredite in Yen zu niedrigen Zinses, die für einen Großeinkauf an den Weltbörsen genutzt wurden. Verändert sich der Kurs des Yen, laufen diese Geschäfte Gefahr eher Geld zu kosten. 2007 konnte man eine ähnliche Entwicklung an Chinas Börsen beobachten. Dazu erschien im ak auch ein Artikel. Der ak hat inzwischen relevante Artikel zur Finanzkrise auf einer Sonderseite gesammelt. In der November-Ausgabe wird zudem ein Schwerpunkt erscheinen.

Der Yen zu Gast in China. Das Treffen der G7 in Essen und der Börsencrash

Im Februar hatten die Gipfelproteste und die Finanzminister der G7, also die mächtigsten Industriestaaten ohne Russland, in Essen ein erstes Stelldichein. Über 1.000 DemonstrantInnen nahmen an den Protesten teil. Sie richteten sich vor allem gegen das Treiben so genannter Hedge Fonds. Während diese in der Abschlusserklärung der Regierungschefs zentrales Thema waren, konnte sich Deutschland mit einem Fingerzeig Richtung Japan nicht durchsetzen. Der Gastgeber hätte Japan gerne darauf gedrängt, für einen stärkeren Yen zu sorgen. Wenige Wochen später brach die chinesische Börse ein und nahm die US-Börse gleich mit. Auch Tage später war die Unsicherheit groß – schließlich wurden viele hundert Mrd. US-Dollar vernichtet. Ein Grund dafür war die Kursentwicklung des Yen.
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