Andreas Wehr ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der linken Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament und Koordinator für Wirtschaft und Währung. Der Euro, die europäische Währung, geriet 2010 unter Druck. Sinnbildlich dafür steht die Finanzkrise Griechenlands, der sich Wehr in seinem neuen Buch widmet. Verantwortlich für die Euro-Krise ist nicht zuletzt Deutschlands exportorientiertes Wirtschaftsmodell. Wehr weist zu Recht auf die andere Seite der Medaille hin: Deutsche Banken kauften im Gegenzug zu den exportierten Waren Finanzschrott aus den USA. Auch wenn Wehrs Rückgriff auf die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus problematisch ist, liegt er mit seinem Punkt richtig: Die Finanzblase, die 2008 platzte, ist zwar in den USA gewachsen, war aber nur aufgrund der bekannten...
Aufgeblättert: Geld und Kapitalismus
Lucas Zeise ist Mitgründer der Financial Times Deutschland und dort bis heute ein origineller Kopf, der nicht so recht in die blassrosa Apologetik des Kapitalismus passt. Bereits zum Ausbruch der Krise veröffentlichte er bei Papyrossa ein lesenswertes Buch zum Ende der Party des Finanzmarktkapitalismus. (siehe ak 533) Leider reicht sein neues Buch nicht an die inzwischen in zweiter Auflage erschienene Krisenanalyse heran. Die knapp 200 Seiten lesen sich so, als hätte sich der Autor ins stille Kämmerchen zurückgezogen und sich mit kapitalismustheoretischen Grundlagen beschäftigt. Auf 50 Seiten versucht er, mit Marx dem Geld auf die Schliche zu kommen und verfehlt dessen wichtigsten Punkt: dass das Geld für eine warenproduzierende Gesellschaft notwendig ist, weil sich nur mit einem...
Piraten im Ausnahmezustand. Daniel Heller-Roazen untersucht die Geschichte einer Rechtsfigur
Der Begriff “Ausnahmezustand” hat seit Jahren Konjunktur. Der Literaturwissenschaftler Daniel Heller-Roazen beschäftigt sich in seiner Studie mit einer dazugehörenden Rechtsfigur, dem Pirat. Die bis in die Antike zurückgehende Untersuchung folgt der historischen Entstehung der Figur “Pirat”, dem politischen und sozialen Wandel und seinem Verschwinden. Dass der Pirat plötzlich wieder auf der politischen Bühne erscheint, ist für Heller-Roazen ein Anzeichen dafür, dass sich die Formen der politischen Konfrontationen verändert haben, und ein Alarmzeichen zugleich.
Eine Herde schwarzer Schafe. Ein neues Buch über die Krise bringt die bürgerliche Kritik an Politik und Banken auf den Punkt
Der Zusammenbruch von Lehman Brothers Bank markiert symbolisch den Ausbruch der Finanzkrise vor zwei Jahren. Über die Gründe, die schließlich zu einer Weltwirtschaftskrise führten, wird nach wie vor gestritten. Für die Bourgeoisie waren die Ursachen schnell genannt: falsche Anreize, Gier und Staatsversagen. Der Wirtschaftsjournalist Leo Müller ist diesen Gründen en détail nachgegangen. In seinem Meisterstück bürgerlicher Kritik bringt er viel Erhellendes zu Tage und bleibt doch dem bourgeoisen Horizont verhaftet.
Raus aus der Kuschelecke: Die Utopie wird weiter vermessen. Interview mit Raul Zelik
Raul Zelik hat zusammen mit Elmar Altvater ein langes Gespräch über Kapitalismus und was danach kommen könnte in Buchform gebracht – das war bereits 2009. Das Buch Vermessung der Utopie steht zum freien Download zur Verfügung. Die website bietet einen virtuellen Raum für Diskussionen. Diese ist leider bisher noch nicht so recht in Gang gekommen. Das ist jedoch kein Ausdruck für mangelndes Interesse. Raul hat das Buch (mit und ohne Elmar Altvater) auf zig Veranstaltungen (nicht nur in Berlin) vorgestellt und die dort verhandelden Fragen und Thesen diskutiert. Dass die Debatte weitergeht zeigt ein Interview, das Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag mit Raul für de:bug geführt hat. Dies ist eines der wenigen Gesprächen über das Buch (siehe auch hyperbaustelle), das den Gesprächsfaden...
Ronald M. Schernikau zum 50
Am kommenden Sonntag wäre der Schriftsteller Ronald M. Schernikau 50 Jahre alt geworden. Das nahm die junge welt zum Anlass, einen Briefwechsel zwischen ihm, Gisela Elsner und Elfriede Jelinek abzudrucken. Daneben findet sich sein Antrag auf Einbürgerung in die DDR. Nicht nur das konnten wenige verstehen – schließlich war es 1989. Noch kontroverser wurde – bis heute! – seine Rede vor dem DDR-Schriftstellerkongress im März 1990 diskutiert (siehe ak 543). Welch großer Verlust sein früher Tod darstellt, zeigen auch die kleinen Ausschnitte, die man hier und da im Netz findet (offizielle website). Im club2 sprach er 1980 über seine Kleinstadtnovelle. Die Talkshow anlässlich der Buchmesse hatte den Titel deutschland – woher – wohin und fand unmittelbar nach der...
Generationengerechtigkeit?
Auch in der aktuellen jungle world ist das Wochenthema der Sparhammer von Schwarz-Gelb. Unter dem Titel »Luxus für keinen, Ohnmacht für alle. Zur Semantik des deutschen Gerechtigkeitsideals« widmet sich Magnus Klaue einem meiner Lieblingsthemen. Vor lauter ideologiekritischer Kraftmeierei vergisst er aber etwas ganz banales, nämlich mal zu erklären, warum das Gerede von der Generationengerechtigkeit – sei es deutsch oder nicht – Blödsinn ist. Das hole ich jetzt in zwei Absätzen – geklaut aus einem kleinen Krisen-FAQ – kurz nach. Ideologiekritik ist nämlich leider nicht schon die halbe Miete. Verschuldet sich der Staat zu Lasten zukünftiger Generationen? Bis in die Grünen hinein hat sich inzwischen die Mär festgesetzt, Verschuldung finde auf Kosten zukünftiger...
Pathologische Kampflosigkeit. Ein neues Buch über die sich polarisierende deutsche Klassengesellschaft
Die taz-Journalistin Ulrike Herrmann hat ein Buch über den Selbstbetrug der Mittelschicht geschrieben. Genauer: Sie porträtiert die deutsche Klassengesellschaft, zeigt, wie sich die Elite hierzulande reproduziert, und analysiert die Steuern als Umverteilungsmaschine von unten nach oben. Eine wichtige Korrektur des Mainstreams in Zeiten der Krise, wenn auch die politische Bewertung der deutschen Zustände etwas kritischer ausfallen müsste. Die Deutschen haben eine verwirrte Selbstwahrnehmung. Reiche fühlen sich ärmer, Arme oft reicher – und die Mittelschicht wähnt sich der Elite ganz nah. Für Herrmann ein Grund, sich Statistiken genauer anzuschauen; dabei stellt sie fest, dass viele Statistiken nichts taugen, weil der Zugriff auf Vermögensverhältnisse oft schwierig ist und in manchen...
Geschichten und die Geschichte der Spekulation
Warum nicht mal wieder eine kurze Geschichte der Spekulation lesen, dachte ich mir. Schließlich ist John K. Galbraiths Buch zum Crash von 1929 durchaus erhellend (erstmals 1954 erschienen). Als das Buch »Eine kurze Geschichte der Spekulation« 1990 auf Englisch erschien, war Galbraith bereits 82 Jahre alt. Er starb 2006. Die gegenwärtige Krise erlebte er somit nicht mehr. Dennoch hat er sie in seiner kurzen Geschichte bereits vorausgesagt. Zumindest wenn man gelten lässt, dass Galbraith das Buch mit mit Hinweis abschließt, dass die nächste Spekulationsblase kommen wird – er wisse nur nicht wie, wann und wo. Galbraith beschreibt die wiederkehrenden Muster bei Spekulationsblasen und die aufgeschreckte Verwunderung danach anschaulich und mit bissigem Humor. Es ist trollig zu lesen...
Aufgeblättert: Aufstandsbekämpfung in Afghanistan
Marc Thörners lesenswertes Buch ist nicht nur ein notwendiges Korrektiv zur herrschenden Erzählung von Politik und Medien über Afghanistan. Seine engagiert recherierte Reportage hilft auch, die täglichen Nachrichten zu sortieren und zu bewerten. Deutlich wird, dass die Aufstandsbekämpfung u.a. der Logik früherer Kriege in französischen Kolonien folgt. Zunächst wird der Feind bekämpft und verjagt (clear). Danach wird das eroberte Gebiet mit Hilfe Einheimischer unter Kontrolle gebracht (hold). Hierbei stützen sich die ISAF-Truppen auf Warlords, die ihre ganz eigene Agenda verfolgen und teilweise zur ehemaligen Nordallianz gehören. Diese hatte 2001 mit massiver Luftunterstützung Afghanistan zurückerobert. Schließlich sollen Aufbauarbeiten die Bevölkerung gewinnen und die Situation...