Ist die ganze Welt bald pleite?

Viele fragen sich noch immer: Ist die ganze Welt bald pleite? Die gleichnamige Bildungsbroschüre zu Staatsverschuldung, die ich zusammen mit Stephan Kaufmann verfasst habe, liegt endlich in in der vierten und überarbeiteten Auflage vor und ist über die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu beziehen.

Aus der Einleitung:

In den 1990er Jahren war es die «Globalisierung», heute gilt die «Staatsverschuldung» als das zentrale Problem der Weltwirtschaft. Der Grund: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg sind es nicht die sogenannten Entwicklungsländer, die eine Schuldenkrise erleben, sondern die etablierten Industriestaaten. In Europa sind einige Regierungen zahlungsunfähig geworden und müssen von anderen Staaten finanziert werden. In den USA wachsen die Staatsschulden in Höhen, die sonst nur nach Kriegen erreicht werden. «Geht bald die ganze Welt pleite?», fragt die Bild-Zeitung (13.7.2011), und der Spiegel (32/2011) titelt «Geht die Welt bankrott?».

In der öffentlichen Diskussion scheinen zwei Dinge klar: Staatsschulden sind schlecht. Und sie sind zu viel. «Sparen» ist daher das Gebot der Stunde. Die Staaten wollen «schlanker» werden, öffentliches Eigentum wird privatisiert, das nationale Lohnniveau soll sinken, um die «Wettbewerbsfähigkeit» des Standortes zu erhöhen. Die Staatsverschuldung zeitigt damit die gleichen politischen Maßnahmen wie das Schreckensgespenst «Globalisierung» im Jahrzehnt zuvor.

Nun haben sich alle Regierungen der Industrieländer vorgenommen, härter zu sparen. Dies trifft vor allem die Armen in Form von Sozialkürzungen – in allen Ländern. Warum ist das eigentlich so? Wo kommen überhaupt die ganzen Schulden her? Warum machen alle Staaten Schulden – obwohl sie allgemein als Übel gelten? Und warum streicht man die Schulden nicht, wenn schon die ganze Welt unter ihnen leidet? Dies sind einige Fragen, die diese Broschüre beantworten will. Sie will nicht behaupten, Staatsschulden seien eigentlich kein Problem. Sondern sie will zeigen, welchem Zweck Staatsschulden dienen, wann sie zu einem Problem werden – und für wen. Denn am Ende sind Schuldenfragen immer Verteilungsfragen: Einige müssen zahlen, andere dürfen verdienen.

Der zerbrochene Kopf des Kapitals

In der Diskussion über Sahra Wagenknechts politische Aneignung einiger Begriffe von Ludwig Erhard und über die Frage, ob die Linke – nicht nur die gleichnamige Partei – die Krise theoretisch auf ausreichendem Niveau reflektiert, haben Ulrike Herrmann von der tageszeitung (hier) und Albrecht von Lucke von den Blättern für deutsche und internationale Politik (hier) ihre Positionen dargelegt. Warum nicht Roosevelt?, fragte Ulrike Herrmann und kritisierte, dass Sahra Wagenknecht auf den Liberalen Ludwig Erhard hereinfalle. In meiner Replik argumentiere ich, dass beide, Herrmann wie Wagenknecht, die falschen Fragen stellen.

Eine detailiertere Auseinandersetzung mit Keynes findet ihr hier.

Vorsicht, falsche Freunde. Die Linke hat in der Debatte um die Eurokrise eine besondere Verantwortung.

Rudolf Hickel und Axel Troost haben ein Papier geschrieben, in dem sie für die Eurorettung plädieren und nochmals resümieren, was ihnen zufolge den Kern der Eurokrise ausmacht und was eine linke Wirtschaftspolitik angehen sollte.[1. siehe hierzu auch den Beitrag von Joachim Bischoff im Sozialismus] Das neue deutschland hat das Papier dokumentiert, dessen Katalog an Vorschlägen und Forderungen nicht gerade kurz ist. Es zeigt sich jedoch mal wieder ein Problem linker ÖkonomInnen: sie thematisieren die Eurokrise vornehmlich als volkswirtschaftliches Problem, zerbrechen sich den Kopf des Kapitals und verstehen unter Politik die Formulierung ›vernünftiger‹ Vorschläge. Continue reading “Vorsicht, falsche Freunde. Die Linke hat in der Debatte um die Eurokrise eine besondere Verantwortung.”

FAQ. Noch Fragen? Warum kauft die EZB Staatsanleihen?

Ein Gespenst geht um in der Eurozone. Nicht der Kommunismus, sondern, zumindest für die Deutsche Bundesbank, viel schlimmer: der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Was ist damit gemeint? Anleihen sind die gängigste Form, wie sich Staaten auf den Finanzmärkten Geld leihen.

Eine Anleihe ist ein Wertpapier mit einem festen Zinssatz und hat einen Nennwert, auf den sich der festgelegte Zinssatz bezieht. Für einen Kredit von einer Million Euro werden beispielsweise zehn Anleihen zu einem Nennwert von 100.000 Euro ausgegeben – im Folgenden zur Vereinfachung zu einem Zinssatz von zwei Prozent. Die Laufzeit einer Staatsanleihe beträgt 10 bis 30 Jahre. Während dieser Laufzeit fallen jährlich Zinsen ab, zwei Prozent auf 100.000 Euro, d.h. 2.000 Euro.

Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Warum kauft die EZB Staatsanleihen?”

Handreichung zum Klassenkampf: Was Steuersünder bedenken sollten

 Eines muss man Zeitungen wie FTD oder FAZ einfach lassen. Sie haben ein wirklich gutes Gespür, was ihr Klientel lesen will. In Fernsehzeitschriften ist das Fernsehprogramm zu finden, in der C’t das Neuste aus der Computerwelt und in der FTD und der FAZ eben eine Handreichung für den ganz normalen bourgeoisen Steuersünder. Das war 2008 nicht anders als 2010 und mit dem jüngsten Aufkauf einer Steuer-CD in NRW war die Veröffentlich entsprechender Artikel abzusehen: »Was Steuersünder bedenken sollten« titelt heute die FTD und weiß: »Über das Privileg der Selbstanzeige können Anleger mit illegalen Konten im Ausland noch schnell eine Bestrafung vermeiden … Die FTD sagt, worauf es bei einer Selbstanzeige ankommt.«

Foto: CC-Lizenz, hddod

Modernisierung statt Meuterei

»Ich kann vor allen Dingen die ganzen asozialen Leute nicht mehr hören, die immer sagen: Ja, wieso … diese Künstler … das sind doch sowieso alles Nutten, wenn sie es für Geld machen!«

So wütete im März 2012 dieses Jahres der Element-of-Crime-Sänger Sven Regener im Bayrischen Rundfunk. Eigentlich wollte der Sender nur ein kurzes Statement zum Urheberrecht einholen – und traf einen Nerv.

Weiterlesen zu Regener, Tatort-AutorInnen und den Piraten als Katalysatoren der aktuellen Urheberrechtsdebatte in ak 573

Griechenland: Euro-Austritt oder nicht – ist das die Frage?

Am 17. Juni wird in Griechenland gewählt. Was bis vor ein paar Monaten noch fast undenkbar war, wird derzeit offen diskutiert: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Auch wenn aus Brüssel derzeit Verhandlungsbereitschaft gezeigt wird.

In der Frage, ob Griechenland den Euro aufgeben soll oder nicht, ist selbst die griechische Linke gespalten. Einen erhellenden Beitrag zu dieser Frage war in den letzten beiden Ausgabe des express zu finden. Inzwischen sind beide Teile online:

Christos Laskos, John Milios und Euclid Tsakalotos über kommunistische Dilemmata in der Euro-Krise: Austreten oder nicht? (Teil I, Teil II)

Geld hat Athen wohl noch bis zum 20. Juli, so das Handelsblatt. Über den Sommer kommt es damit nicht.

FAQ. Noch Fragen? Das Vermögen, Reiche zu besteuern

Jetzt auch noch Steuerextremisten, dachte sich wohl die Springerpresse, als die Berliner Morgenpost titelte: »François Hollande plant extreme Reichensteuer«. Die Tageszeitung Die Welt legte nach: »Der Plan von Frankreichs Präsidentschaftskandidat Hollande klingt nach einem sozialistischen Freudenfest. Für Deutschland könnte das schwerwiegende Folgen haben.« Schließlich müsste Deutschland seit Einführung der Gemeinschaftswährung Euro und der Übertragung der Geldpolitik auf die EZB für die »sozialistischen Freudenfeuer« des Nachbarlandes gerade stehen. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Das Vermögen, Reiche zu besteuern”

Das Making of Staatsschuldenkrise. Wer in der Krise die Definitionsmacht über das Problem hat, bekommt auch die politische Lösungskompetenz

Dass in den letzten Jahren die Strategie der Krisenlösung vor allem in der Sozialisierung der Verluste und der Privatisierung der Gewinne bestand, ist vielen Menschen irgendwie klar – allerdings nicht unbedingt in Deutschland. Hier ist eine andere Erzählung dominant: Die deutschen SteuerzahlerInnen müssten für die griechische Misswirtschaft und Betrug den Kopf hinhalten und ihren Geldbeutel für den Eurorettungsschirm parat halten, obwohl man selbst sich nichts vorzuwerfen habe. Aber vor allem ist es in Deutschland zur fixen Idee geworden, die in vielen Eurostaaten explodierte Staatsverschuldung sei nicht Folge der Krise, sondern die Ursache der Eurokrise sei eine unsolide Finanzpolitik.

Diese Verdrehung geht auf die gesellschaftliche Definitionsmacht zurück, was eigentlich die Krise ausmacht. Diese Macht lag und liegt bei den bürgerlichen Kräften. Wer es schafft, die Probleme zu definieren, besitzt auch die Lösungskompetenz und muss sich im Anschluss nur selten über die Verteilung der Krisenlasten beschweren. Aktuell vollzog sich das in drei Akten. Continue reading “Das Making of Staatsschuldenkrise. Wer in der Krise die Definitionsmacht über das Problem hat, bekommt auch die politische Lösungskompetenz”

FAQ: ESM – keine Rettung vor Austerität

Anfang 2012 gründeten die 17 Eurostaaten den ESM (European Stability Mechanism), der ab Juli 2012 den bisherigen Eurorettungsschirm EFSF (European Financial Stability Facility) ablösen sollte. Letzterer war als eine temporäre Einrichtung angelegt. Der ESM soll nun einen dauerhaften Schutzwall für Stabilität bieten, der das Vertrauen der Finanzmärkte in die Eurostaaten wiederherstellt. Das bedeutet nichts anderes, als dass den AnlegerInnen gezeigt werden soll, dass ihr Vermögen und ihre Rendite garantiert sind. Wenn einzelne Staaten als zahlungsfähige Schuldner ausfallen, soll der Rettungsschirm einspringen. Gerettet werden also im Fall des Falles nicht die PortugiesInnen oder GriechInnen, sondern Banken und institutionelle AnlegerInnen. Continue reading “FAQ: ESM – keine Rettung vor Austerität”

Aufgeblättert: Keine Krise der Krisenliteratur

Seit Beginn der Krise ist viel geschrieben worden. Nach ersten Erklärungen und historischen Rekonstruktionen erscheinen inzwischen Bücher, die sich von den neueren Entwicklungen einen Begriff machen und nach den politischen und ökonomischen Konsequenzen fragen. Es gibt aber auch AutorInnen, die weiterhin (und zurecht) von einem Bedarf an tiefer gehender und allgemeinerer kapitalismuskritischer Analyse ausgehen. Fast zeitgleich sind zwei über 300 Seiten starke Bücher erschienen, die sich gleichermaßen auf Marx beziehen. Wolfgang Fritz Haug deutet die Krise als erste große Krise des transnationalen Hightech-Kapitalismus, die vergleichbar ist mit der Krise des Fordismus. Ernst Lohoff und Norbert Trenkle von der Krisisgruppe formulieren die kaum überraschende These, dass der Kapitalismus an seine grundlegenden Widersprüche geraten ist, da dem Kapital mit wachsenden Produktivkräften die Quelle des Profits, die Arbeit, abhandenkommt. Die Aufblähung des Finanzmarkts konnte hierbei nur temporär Abhilfe schaffen. Continue reading “Aufgeblättert: Keine Krise der Krisenliteratur”

Demokratie als preiswerte Form der Herrschaft

In einer Analyse für bloomberg schreibt Ana Isabel de Palacio del Valle-Lersundi, die ehemalige spanische Außenministerin in der Regierung José María Aznar, zur spanischen Krise bzw. zum Nutzen der Demokratie als preiswerte Form der Herrschaft u.a.:

»Spain’s economic woes are triggering renewed fears over a potential default in the euro area, and much of the blame belongs to labor laws that date back to the dictatorship of General Francisco Franco. … Franco’s labor laws offered workers rock-solid job security and strong collective-bargaining rights. These were critical elements of welfare systems that were adopted by fascist — or national socialist — regimes around Europe, as they sought to maintain social harmony in the absence of democracy. Changing them has been a critical test of maturity for Spanish democracy since its establishment in 1977 …«

Ein Hoch auf die Demokratie!

Demokratie statt Fiskalpakt!

Frühjahr 2012. Merkel und Sarkozy eilen von Gipfel zu Gipfel, um den Euro zu retten. Der Boulevard hetzt gegen die Menschen in Griechenland. Der Kampf um die Krisenlösung spitzt sich dramatisch zu: Bis Anfang 2013 will ein autoritär-neoliberales Bündnis aus Kapitalverbänden, Finanzindustrie, EU-Kommission, deutscher Regierung und weiteren Exportländern den jüngst in Brüssel beschlossenen „Fiskalpakt“ im Schnellverfahren durch die Parlamente bringen.

Der Fiskalpakt verordnet eine sozialfeindliche Sparpolitik und umfasst Strafen gegen Länder, die sich dieser Politik widersetzen. Der Fiskalpakt schränkt damit demokratische Selbstbestimmung weiter ein. Er ist vorläufiger Höhepunkt einer autoritären Entwicklung in Europa.

Aufruf gegen eine unsoziale Europapolitik weiterlesen