Aufgeblättert: David Marsh erzählt seine Geschichte des Euro

»Sollte es der Wunsch Frankreichs gewesen sein, den Euro zu gründen, um die vermeintliche deutsche Dominanz zu brechen, dann ist genau das Gegenteil eingetreten.” (Gerhard Schröder im Gespräch mit David Marsh)

Eigentlich müsste man skeptisch sein, wenn jemand auf knapp 400 Seiten eine “geheime Geschichte der neuen Weltwährung” – dem Euro – zum Besten gibt. Schließlich kann die erzählte Geschichte alles, nur eben nicht geheim sein. Sonst könnte man sie nicht nachlesen. Das erinnert dann doch arg an bekannte Formeln bei Verschwörungstheorien, die das Offensichtliche nicht offensichtlich sein lassen wollen und einer scheinbar unterdrückten Wahrheit frönen, die alles, jedoch weder Wahrheit noch unterdrückt ist. Aber sei’s drum: David Marsh hat es tatsächlich nichtnur geschafft, in vielen Gesprächen der politischen Elite das eine oder andere zu entlocken und viele Einschätzungen zur Geschichte des Euros zusammen zu getragen, sondern zudem – aufgrund seiner guten Kontakte – unveröffentlichtes Archivmaterial sichten können. Das Buch ist also durchaus interessant und erhellend, solange andere Arbeiten zum Thema herangezogen werden, die das eine oder andere wieder gerade rücken. Continue reading “Aufgeblättert: David Marsh erzählt seine Geschichte des Euro”

Mehr als ein Zampano – Frankreich, die NATO und der passende Moment

Nur wenige Wochen vor dem Jubiläumsgipfel der NATO gab der französische Präsident Nicolas Sarkozy bekannt, dass Frankreich nach über 40 Jahren wieder in die Kommandostruktur der NATO zurückkehren werde. Nicht nur die Kommentatorspalten der Tageszeitungen waren von Erstaunen geprägt. Wer nicht erstaunt war, schrieb diesen politischen Schritt dem Charakter Sarkozys zu, dem geltungssüchtigen Zampano. Dabei ist dieser Schritt weit weniger verwunderlich, als der Zeitpunkt, den Sarkozy gewählt hat – eben nicht nur vor dem NATO-Gipfel, sondern zudem wenige Tage vor dem G20-Gipfel in London. Continue reading “Mehr als ein Zampano – Frankreich, die NATO und der passende Moment”

Hast du mal ‘ne Mark? Der Euro und die Finanzkrise

Zehn Jahre nach der Einführung des Euro wird nicht nur über ein mögliches Ende des einheitlichen Währungsraums spekuliert. Selbst ein möglicher Bankrott von EU-Staaten wird nicht mehr ausgeschlossen. Dabei ist offen, wie sich die Finanzkrise auf den Euro und den europäischen Integrationsprozess insgesamt auswirken wird. Klar ist jedoch: Die Auswirkungen werden beträchtlich und Deutschlands europapolitische Entscheidungen von zentraler Bedeutung sein.

1985 wurde die Einheitliche Europäische Akte (EEA) auf den Weg gebracht. Ziel war die Herstellung eines einheitlichen Binnenmarktes und die völlige Deregulierung des Kapitalverkehrs. Vor allem Länder mit einer schwächeren Währung – dazu gehörte Frankreich – hatten bis dahin immer wieder in den Devisenmarkt eingegriffen. Continue reading “Hast du mal ‘ne Mark? Der Euro und die Finanzkrise”

Economic Safer Sex

Krisen sind immer auch Zeiten des Neu-Sprech. Da soll die Krise dazu dienen, gestärkt aus ihr hervorzugehen. Ganz so als sei eine Weltwirtschaftskrise ein PowerNap.

Einen neuen Höhepunkt stellt die Aussag des luxemburgischen Premier- und Finanzministers Jean-Clause Juncker dar. Er forderte auf dem Treffen der europäischen Finanzminister (Ecofin) am 10. März angesichts Rumäniens Antrag auf Zahlungsbilanzhilfe dazu auf, endlich damit aufzuhören, über weitere Hilfen für osteuropäische Staaten zu diskutieren. Dies führe zu einer neuen künstlichen Teilung Europas. “Wir sollten gelernt haben, dass es den Ostblock seit dem Fall der Mauer nicht mehr gibt.”

Eine künstliche Teilung Europas also. Ungarn musste letzten Oktober also nicht den Handel mit seinen Staatsanleihen einstellen, weil es keine Abnehmer mehr fand und keinen Kredit mehr bekam? Viele osteuropäische Währungen sind also nicht seit Wochen im freien Fall, was gleichzeitig ein Steigen der Außenverschuldung bedeutet? Nach Ungarn, Lettland und Rumänien ist gegenwärtig also nicht auch die Ukraine von einem Finanzkollaps bedroht? “Nasing spesal” würde wohl der lettischen Finanzminister Atis Slakteris kommentieren.

Aber Juncker hat Recht. Einen eisernen Vorhang gibt es schon lange nicht mehr. Im Kapitalismus sind die Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse anders organisiert – über die unsichtbare Hand. Da dürfen auf der einen Seite keine Menschen aus den osteuropäischen Ländern in Deutschland Arbeit suchen. Als ausgleichende Gerechtigkeit geht jedoch das westeuropäische Kapital gen Osten. Zum Beispiel die Banken. Bei der Commerzbank machte zirka ein Viertel des Vorsteuergewinns die Geschäfte in Polen und der Ukraine aus. Die österreichische Erste Bank erwirtschaftete 25 Prozent ihres Profits in Osteuropa. Ähnlich sieht es beim industrielle Kapital aus: Von den 25 umsatzstärksten Firmen Osteuropas stammen 18 aus dem Westen.

Es kann also keineswegs von einer Mauer zwischen Ost- und Westeuropa die Rede sein. Es trifft wohl eher die Formulierung des britischen The Economist (26.02.09) hinsichtlich Deutschland zu: economic safer sex.

Erstveröffentlichung bei freitag.de