FAQ. Noch Fragen? Draghikomödie: Viel Lärm um nichts

Nachdem EZB-Chef Draghi bekannt gab, dass die Europäische Zentralbank (EZB) unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen würde, war die Aufregung groß – zumindest in den deutschen Medien. Die Springerzeitung Die Welt (6.9.2012) beklagte, dass die Finanzmärkte den »Tod der Bundesbank« bejubelten; Nikolaus Blome bedauerte auf bild.de einen »Blanko-Scheck für Schulden-Staaten« und fragte rhetorisch, ob »Draghi damit den Euro kaputt« mache?

Angela Merkel hingegen gab zu Protokoll, dass das Aufkaufprogramm vom EZB-Mandat gedeckt sei. Selbst Bundesbankchef Jens Weidmann, der als einziger Vertreter im EZB-Rat gegen die Wiederaufnahme des Aufkaufprogramms stimmte, vermied es geflissentlich, zu behaupten, das Programm sei illegal. Vielmehr sprach er im Vorfeld von »Bauchschmerzen«, die er bei diesem »heiklen« Vorhaben habe, das er »jedenfalls vermeiden« wolle. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Draghikomödie: Viel Lärm um nichts”

Vorsicht, falsche Freunde. Die Linke hat in der Debatte um die Eurokrise eine besondere Verantwortung.

Rudolf Hickel und Axel Troost haben ein Papier geschrieben, in dem sie für die Eurorettung plädieren und nochmals resümieren, was ihnen zufolge den Kern der Eurokrise ausmacht und was eine linke Wirtschaftspolitik angehen sollte.[1. siehe hierzu auch den Beitrag von Joachim Bischoff im Sozialismus] Das neue deutschland hat das Papier dokumentiert, dessen Katalog an Vorschlägen und Forderungen nicht gerade kurz ist. Es zeigt sich jedoch mal wieder ein Problem linker ÖkonomInnen: sie thematisieren die Eurokrise vornehmlich als volkswirtschaftliches Problem, zerbrechen sich den Kopf des Kapitals und verstehen unter Politik die Formulierung ›vernünftiger‹ Vorschläge. Continue reading “Vorsicht, falsche Freunde. Die Linke hat in der Debatte um die Eurokrise eine besondere Verantwortung.”

FAQ. Noch Fragen? Warum kauft die EZB Staatsanleihen?

Ein Gespenst geht um in der Eurozone. Nicht der Kommunismus, sondern, zumindest für die Deutsche Bundesbank, viel schlimmer: der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Was ist damit gemeint? Anleihen sind die gängigste Form, wie sich Staaten auf den Finanzmärkten Geld leihen.

Eine Anleihe ist ein Wertpapier mit einem festen Zinssatz und hat einen Nennwert, auf den sich der festgelegte Zinssatz bezieht. Für einen Kredit von einer Million Euro werden beispielsweise zehn Anleihen zu einem Nennwert von 100.000 Euro ausgegeben – im Folgenden zur Vereinfachung zu einem Zinssatz von zwei Prozent. Die Laufzeit einer Staatsanleihe beträgt 10 bis 30 Jahre. Während dieser Laufzeit fallen jährlich Zinsen ab, zwei Prozent auf 100.000 Euro, d.h. 2.000 Euro.

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Moody’s Downgrade von Italien: Antizipation der Antizipation

Die Ratingagentur Moody’s hat am Freitag die Kreditwürdigkeit Italiens herabgestuft. Mit Baa2 steht das Land auf der Stufe von Kasachstan.

Mache fragen schon, ob Italien zu taumeln beginnt und – darauf haben wir alle bereits gewartet – Berlusconi bringt sich mal wieder als Retter in der Not ins SpielBorat lässt grüßen.

Wie begründete Moody’s das Downgrade?

»Italy’s near-term economic outlook has deteriorated, as manifest in both weaker growth and higher unemployment, which creates risk of failure to meet fiscal consolidation targets,« Moody’s said. »Failure to meet fiscal targets in turn could weaken market confidence further, raising the risk of a sudden stop in market funding.«

Für Moody’s gebietet das Zusammenspiel von  EU-Sparpolitik und den zu erwartenden Reaktionen auf den »Märkten« eine schlechtere Bewertung. Denn:

  • Sparprogramme schwächem das Wirtschaftswachstum
  • Das Sparziel selbst sei Grund genug für eine Herabstufung. Schließlich könnten die Märkte keine Nervosität an den Tag legen, wenn es keine Zielmarken gebe. Logisch. Werden keine Ziele genannt, können sie auch nicht gerissen werden
  • Vor diesem Hintergrund antizipiert Moody’s schließlich mit ihrem Downgrade die antizipierte Verfehlung der Sparziele durch die Märkte

Zusammengefasst: Um das Vertrauen der Finanzmärkte in Italien zu stärken, spart Rom (und viele andere EU-Länder). Aus der Sicht von Moody’s verschlechtern die Sparkurse die Kreditwürdigkeit. Weil das Finanzkapital die Meinung der Ratingagenturen schätzt (schon allein aus Angst davor, dass Einzelkapitale dementsprechend handeln), werden sie in Zukunft für frischen Kredit höhere Renditen verlangen – nicht nur von Italien. Das wird wiederum die Kosten der Staatsschulden erhöhen und die Krise weiter verschärfen.

Darf ich vorstellen: das »Duo infernale« EU-Sparpolitik und Marktlogik. Mit dem Souffleur Ratingagentur.

Griechenland: Euro-Austritt oder nicht – ist das die Frage?

Am 17. Juni wird in Griechenland gewählt. Was bis vor ein paar Monaten noch fast undenkbar war, wird derzeit offen diskutiert: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Auch wenn aus Brüssel derzeit Verhandlungsbereitschaft gezeigt wird.

In der Frage, ob Griechenland den Euro aufgeben soll oder nicht, ist selbst die griechische Linke gespalten. Einen erhellenden Beitrag zu dieser Frage war in den letzten beiden Ausgabe des express zu finden. Inzwischen sind beide Teile online:

Christos Laskos, John Milios und Euclid Tsakalotos über kommunistische Dilemmata in der Euro-Krise: Austreten oder nicht? (Teil I, Teil II)

Geld hat Athen wohl noch bis zum 20. Juli, so das Handelsblatt. Über den Sommer kommt es damit nicht.

Das Making of Staatsschuldenkrise. Wer in der Krise die Definitionsmacht über das Problem hat, bekommt auch die politische Lösungskompetenz

Dass in den letzten Jahren die Strategie der Krisenlösung vor allem in der Sozialisierung der Verluste und der Privatisierung der Gewinne bestand, ist vielen Menschen irgendwie klar – allerdings nicht unbedingt in Deutschland. Hier ist eine andere Erzählung dominant: Die deutschen SteuerzahlerInnen müssten für die griechische Misswirtschaft und Betrug den Kopf hinhalten und ihren Geldbeutel für den Eurorettungsschirm parat halten, obwohl man selbst sich nichts vorzuwerfen habe. Aber vor allem ist es in Deutschland zur fixen Idee geworden, die in vielen Eurostaaten explodierte Staatsverschuldung sei nicht Folge der Krise, sondern die Ursache der Eurokrise sei eine unsolide Finanzpolitik.

Diese Verdrehung geht auf die gesellschaftliche Definitionsmacht zurück, was eigentlich die Krise ausmacht. Diese Macht lag und liegt bei den bürgerlichen Kräften. Wer es schafft, die Probleme zu definieren, besitzt auch die Lösungskompetenz und muss sich im Anschluss nur selten über die Verteilung der Krisenlasten beschweren. Aktuell vollzog sich das in drei Akten. Continue reading “Das Making of Staatsschuldenkrise. Wer in der Krise die Definitionsmacht über das Problem hat, bekommt auch die politische Lösungskompetenz”

FAQ: ESM – keine Rettung vor Austerität

Anfang 2012 gründeten die 17 Eurostaaten den ESM (European Stability Mechanism), der ab Juli 2012 den bisherigen Eurorettungsschirm EFSF (European Financial Stability Facility) ablösen sollte. Letzterer war als eine temporäre Einrichtung angelegt. Der ESM soll nun einen dauerhaften Schutzwall für Stabilität bieten, der das Vertrauen der Finanzmärkte in die Eurostaaten wiederherstellt. Das bedeutet nichts anderes, als dass den AnlegerInnen gezeigt werden soll, dass ihr Vermögen und ihre Rendite garantiert sind. Wenn einzelne Staaten als zahlungsfähige Schuldner ausfallen, soll der Rettungsschirm einspringen. Gerettet werden also im Fall des Falles nicht die PortugiesInnen oder GriechInnen, sondern Banken und institutionelle AnlegerInnen. Continue reading “FAQ: ESM – keine Rettung vor Austerität”

Aufgeblättert: Keine Krise der Krisenliteratur

Seit Beginn der Krise ist viel geschrieben worden. Nach ersten Erklärungen und historischen Rekonstruktionen erscheinen inzwischen Bücher, die sich von den neueren Entwicklungen einen Begriff machen und nach den politischen und ökonomischen Konsequenzen fragen. Es gibt aber auch AutorInnen, die weiterhin (und zurecht) von einem Bedarf an tiefer gehender und allgemeinerer kapitalismuskritischer Analyse ausgehen. Fast zeitgleich sind zwei über 300 Seiten starke Bücher erschienen, die sich gleichermaßen auf Marx beziehen. Wolfgang Fritz Haug deutet die Krise als erste große Krise des transnationalen Hightech-Kapitalismus, die vergleichbar ist mit der Krise des Fordismus. Ernst Lohoff und Norbert Trenkle von der Krisisgruppe formulieren die kaum überraschende These, dass der Kapitalismus an seine grundlegenden Widersprüche geraten ist, da dem Kapital mit wachsenden Produktivkräften die Quelle des Profits, die Arbeit, abhandenkommt. Die Aufblähung des Finanzmarkts konnte hierbei nur temporär Abhilfe schaffen. Continue reading “Aufgeblättert: Keine Krise der Krisenliteratur”

Demokratie als preiswerte Form der Herrschaft

In einer Analyse für bloomberg schreibt Ana Isabel de Palacio del Valle-Lersundi, die ehemalige spanische Außenministerin in der Regierung José María Aznar, zur spanischen Krise bzw. zum Nutzen der Demokratie als preiswerte Form der Herrschaft u.a.:

»Spain’s economic woes are triggering renewed fears over a potential default in the euro area, and much of the blame belongs to labor laws that date back to the dictatorship of General Francisco Franco. … Franco’s labor laws offered workers rock-solid job security and strong collective-bargaining rights. These were critical elements of welfare systems that were adopted by fascist — or national socialist — regimes around Europe, as they sought to maintain social harmony in the absence of democracy. Changing them has been a critical test of maturity for Spanish democracy since its establishment in 1977 …«

Ein Hoch auf die Demokratie!

Demokratie statt Fiskalpakt!

Frühjahr 2012. Merkel und Sarkozy eilen von Gipfel zu Gipfel, um den Euro zu retten. Der Boulevard hetzt gegen die Menschen in Griechenland. Der Kampf um die Krisenlösung spitzt sich dramatisch zu: Bis Anfang 2013 will ein autoritär-neoliberales Bündnis aus Kapitalverbänden, Finanzindustrie, EU-Kommission, deutscher Regierung und weiteren Exportländern den jüngst in Brüssel beschlossenen „Fiskalpakt“ im Schnellverfahren durch die Parlamente bringen.

Der Fiskalpakt verordnet eine sozialfeindliche Sparpolitik und umfasst Strafen gegen Länder, die sich dieser Politik widersetzen. Der Fiskalpakt schränkt damit demokratische Selbstbestimmung weiter ein. Er ist vorläufiger Höhepunkt einer autoritären Entwicklung in Europa.

Aufruf gegen eine unsoziale Europapolitik weiterlesen

FAQ: Vorsicht, bissiger Fiskalpakt!

Ende Januar tagte wieder einmal ein Euro-Sondergipfel. Die Staats- und Regierungschefs kamen zusammen, um den im Dezember 2011 in Brüssel auf den Weg gebrachten sogenannten Fiskalpakt zu verabschieden. Im März 2012 soll das »International Agreement on a Fiscal Stability Union« unterzeichnet werden. Continue reading “FAQ: Vorsicht, bissiger Fiskalpakt!”

Bankrott auf Raten. Griechenland muss neue Spardiktate durchsetzen – eine Umschuldung steht bevor

Am 19. Januar titelte Spiegel online: »Hedgefonds wollen Menschenrecht auf Rendite einklagen«. Hintergrund waren die Verhandlungen über den freiwilligen Verzicht des Privatsektors, der bereits im Juli 2011 von der Troika aus IWF, EU und EZB im Rahmen einer geplanten Umschuldung der griechischen Staatsschulden ausgehandelt wurde.

Auf Rendite verzichtet das Kapital jedoch ungern, weshalb die Verhandlungen bis zum Schluss zäh verliefen. 90 Prozent der Staatsanleihen sind jedoch nach griechischem Recht ausgegeben. Deshalb konnte der griechische Regierungschef Loukas Papademos auch damit drohen, dass die Gläubiger per Gesetz zu einer Umschuldung gezwungen werden könnten. Würde Athen im Nachhinein die Anleihen mit einer sogenannten Umschuldungsklausel (Collective Action Clauses) versehen, drohten wiederum die Hedge Fonds an, vor Gericht zu klagen. Schließlich hätten sie ein Recht auf ihr Eigentum und das verbriefte Recht auf Rendite. Continue reading “Bankrott auf Raten. Griechenland muss neue Spardiktate durchsetzen – eine Umschuldung steht bevor”

Strategisches Defizit

Bei zeit.de geht Herbert Schui heute den »wahren Gründen« der Sparpolitik in der EU nach:

»In den Krisenstaaten sollen die Einkommen sinken und das Arbeitsrecht gelockert werden.«

Damit die Bevölkerung bereit ist, ›den Gürtel enger zu schnallen‹, können Schulden nützlich sein. Das ist altbekannt und der Politik auch durchaus bewusst. Der ›Wirtschaftsweise‹ Peter Bofinger schreibt:

»Wenn man die Rolle des Staates beschneiden möchte, muss man ihm seine finanziellen Ressourcen entziehen. […] In einem ersten Schritt werden umfangreiche Steuerentlastungen vorgenommen. […] Bei unveränderten Ausgaben ergibt sich dadurch eine steigende Neuverschuldung. Wenn man gleichzeitig in der Bevölkerung eine hohe Angst vor der Staatsverschuldung schürt, wird alsbald ein hoher politischer Druck für die Ausgabenkürzungen geschaffen.« (WSI Mitteilungen 7/2008)

Die Idee, die Angst vor den Folgen der Verschuldung für die Politik zu nutzen, nannte Roland Reagans ehemaliger Direktor des Office of Management David Stockman »strategisches Defizit«. In einem Interview machte er deutlich, dass Reagan nie so recht an die Angebotspolitik glaubte, sondern einen »schlanken Staat« zum Ziel hatte. Ähnliches gibt es aus Großbritannien zu berichten. Der leitende Wirtschaftsberater von Margaret Thatcher, Alan Budd, gab dem Observer Anfang der 1990er Jahre zu Protokoll:

»Die Politik der 1980er Jahre, die Inflation durch Druck auf die Wirtschaft und Kürzung der öffentlichen Ausgaben zu bekämpfen, war ein Vorwand, um die Arbeiter abzustrafen. Das Ansteigen der Arbeitslosigkeit war sehr erwünscht, um die Arbeiterklasse zu schwächen. […] Seitdem konnten die Kapitalisten immer größere Profite machen.« (Zitiert nach Harvey 2010: 318)

Vor diesem Hintergrund steht ein finanzpolitisches Regimes der Austerität nicht im Widerspruch zur permanenten Staatsverschuldung europäischer Staaten – vielmehr sind es die zwei Seiten derselben Medaille.

FAQ: Was die Euro-Rettung kostet

Die Basler Zeitung prophezeite Anfang Dezember: »So könnte das Ende des Euro aussehen«. Das Handelsblatt steuerte bereits Anfang September mit dem Titel »Euro-Rettung ist billiger als das Euro-Ende« gegen die Spekulation über ein Ende der Gemeinschaftswährung. Die Schweizer UBS-Bank diskutiert in einer aktuellen Studie die Kosten für die Implosion der Eurozone. (1) Wenn schon die Banken darüber reden, steht das Euroende kurz bevor!  Continue reading “FAQ: Was die Euro-Rettung kostet”