Forschungsnotiz: Eigentumsprämie, Urwert und Geld bei Gunnar Heinsohn und Otto Steiger

Für die neue PROKLA habe ich einen Beitrag zu Eigentum und Geld beigesteuert. Wie es so ist, war nicht für alles Platz – nicht nur weil der Beitrag keine 20 Druckseiten umfassen sollte, sondern auch weil die konzeptionelle Anlage des Beitrags es nicht zuließ. Wenn eine Zwischenüberschrift »Exkurs« im Namen trägt, sollte man sich immer zwei Mal überlegen, ob das meist durchaus interessante Material wirklich für die Fragestellung relevant ist. Weil ich aber darum gebeten wurde, meine Auseinandersetzung mit Gunnar Heinsohn und Otto Steiger zugänglich zu machen, stelle ich meine skizzenhaften Überlegungen hier ein. Skizzenhafte Überlegungen deshalb, weil ich den Exkurs nicht ausgearbeitet habe.

Wer in der ökonomietheoretischen Debatte etwas bewandert ist, weiß, dass der politisch indiskutable Gunnar Heinsohn und bereits verstorbene Otto Steiger (2002; 2008) im Rahmen ihrer Eigentumstheorie eine Eigentumsökonomik entwickelt haben, einen unmittelbaren Zusammenhang von modernem Eigentum und Geld herstellen. Ihr Anspruch, Tabula rasa mit der Politischen Ökonomie zu machen, führt sie durchaus zu provozierenden Schlüssen (so habe vor ihnen niemand eine Theorie des Wirtschaftens entwickelt) und durchaus bekannten Aussagen, so etwa dass das Eigentum und das Geld sehr moderne Phänomene seien, ja den Kapitalismus auszeichnen.[1] Er sei wesentlich Eigentumsgesellschaft, nicht einfach Marktgesellschaft. Geld gehe nicht aus dem Tausch hervor, sei keine Schmiermittel für den Warentausch. Mit Ethnologie und Wirtschaftsgeschichte kritisieren sie so manche Fiktion der Politischen Ökonomie, von Klassik und Neoklassik, kritisieren jedoch auch Marx und Keynes.[2] Eigentum entstehe durch einen Rechtsakt, ein für die ökonomische Analyse exogener Faktor. Damit sei es möglich, alle vom verwenden des Eigentums auszuschließen. Das Eigentum kann jedoch auch umgekehrt als Pfand hinterlegt werden, für ein Zahlungsversprechen. Aus der Beziehung Eigentümer–Nicht-Eigentümer entsteht so ein Kreditverhältnis – und schließlich Geld. Heinsohn/Steiger vertreten demnach eine Kredittheorie des Geldes. Diesem Zusammenhang liege eine Eigentumsprämie zugrunde, die sie nach dem Vorbild von Keynes Liquiditätsprämie entwickeln. Sie resultiert aus der Tatsache, dass das verpfändete Eigentum blockiert ist, damit nicht gewirtschaftet werden könne. Dieser Verzicht übersetze sich in die Möglichkeit einen Zins zu verlangen. Die Eigentumsprämie bezeichnen sie als »Urwert« (Heinsohn/Steiger 2008: 111). Das Rechengeld hingegen gehe kategorial dem eigentlichen Geld (»money proper«, Keynes) voraus, weil ein Schuldtitel immer in Rechengeld ausgedrückt werden müsse. Heinsohn/Steiger setzen demnach Geld und Geldversprechen gleich. Das mag alles recht antiquiert wirken, aber die Autoren beanspruchen auch das moderne Geldsystem erklären zu können:

»Bis heute hält sich der Glaube, dass bis zur Beseitigung des Goldstandards nur Gold und andere Edelmetalle wirkliches Geld gewesen seien, während Banknoten dieses Geld lediglich verträten, weil sie das ›Geldgut‹ […] Gold eingelöst werden könnten. Gold liefert jedoch lediglich eine Variante von Eigentum. Es kann Geld ohne Gold emittiert werden, aber niemals ohne Eigentum. Moderne Zentralbanken, die mittlerweile ganz auf Gold verzichten […], müssen statt Gold dann ausschließlich andere Aktiva einsetzen. Gültig bleibt, dass allein gegen dafür zu belastendes Vermögen Geld emittiert werden darf.« (Heinsohn/Steiger 2008: 128f.)

Heinsohn/Steiger und ihr konstatierter Zusammenhang von Eigentum und Geld wird breit rezipiert, gerade von heterodoxen Strömungen der Politischen Ökonomie, die sich nicht mit der Neoklassik zufriedengeben wollen, deren theoretischen Annahmen wesentlich ohne Geld auskommen. Es ist jedoch Kritik angebracht:

  • Eigentum ist nicht einfach eine juristische Setzung. Privateigentum und Privatproduktion – beides gehört unmittelbar zusammen – stellt spezifisches gesellschaftliches Verhältnis dar, das einen juristischen Ausdruck bekommt, rechtlich sanktioniert wird.
  • Eine ähnliche Verdrehung findet auch zwischen Eigentum und Geld statt. Rechengeld (bei Marx: Maßstab der Preise) setzt immer schon ein Maß des Werts (Wertstandard), Geld voraus: »Eigentum kann […] niemals ein Wertstand sein, weil es keine eindeutig definierte Einheit ›Eigentum‹ gibt. Aus Eigentum kann auch kein Wertstandard abgeleitet werden. Umgekehrt wird ein Schuh aus der Beziehung zwischen Geld und Eigentum. Eigentum ist ein bewerteter Vermögensbestand. Jegliche quantitative Erfassung von Eigentum setzt Geld als Wertstandard voraus.« (Herr 1999: 195; vgl. auch Riese 1999)
  • Heinsohn/Steiger machen, was sie vor allem der Neoklassik vorwerfen, nämlich die eigenen theoretischen Prämissen wider der realen und sehr heterogenen Geschichte des Geldes in die Vergangenheit zurück zu projizieren. Da sie eine Form der Kredittheorie des Geldes vertreten, schreiben sie die Geschichte des Geldes als eine des Kredits um (Ganßmann 2012: 156).

Auch wenn das zusammengetragene historische Material von Interesse und Bedeutung ist, darin ähnelt die Arbeit der von David Graeber, so ist die theoretische Aufbereitung wenig überzeugend.

Literatur

Ganßmann, Heiner (2012): Doing Money. Elementary monetary theory from a sociological standpoint. London-New York

Graeber, David (2011): Schulden. Die ersten 5000 Jahre. Stuttgart 2012

Heinsohn, Gunnar / Steiger, Otto (2002): Eigentum, Zins und Geld: ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft. Marburg

Heinsohn, Gunnar / Steiger, Otto (2008): Eigentumsökonomik. Marburg

Herr, Hansjörg (1999): Die Rolle des Eigentums im Transformationsprozess von Plan- und Geldwirtschaft. In: Betz, Karl / Roy, Tobias (Hg.): Privateigentum und Geld. Kontroversen um den Ansatz von Heinsohn und Steiger, Studien zur monetären Ökonomie, 24. Marburg: 177–199.

Reichelt, Helmut (2000): Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Karl Marx. Freiburg/Br.

Riese, Hajo (1999): Eigentum, Zins und Geld: Die Apokryphen des Gunnar Heinsohn und Otto Steiger. In: Betz, Karl / Roy, Tobias (Hg.): Privateigentum und Geld. Kontroversen um den Ansatz von Heinsohn und Steiger, Studien zur monetären Ökonomie, 24. Marburg: 145–155.

Zeise, Lucas (2010): Geld – der vertrackte Kern des Kapitalismus. Versuch über die politische Ökonomie des Finanzsektors. Köln


[1] Deshalb rezipieren auch etwa Reichelt (2000) oder Zeise (2010: 42-48) die Eigentumsökonomik von Heinsohn/Steiger durchaus wohlwollend.

[2] In vielen Ausführungen gleicht ihre Argumentation der von David Graeber (2011), der sie aber nur beiläufig erwähnt (ebd.: 414).