Das Kapital dreht sich wieder

Auch wenn Daths Beispiele (Postone, Pohrt etc.) nicht die meinen wären (und ich den Schluss problematisch finde), verwendet er in seinem Beitrag zu Kluges “Nachrichten aus der ideologischen Antike” doch ein schönes Bild für die neuen Möglichkeiten der Kapital-Lektüre nach 1989. Einen Punkt, den Jan Hoff, Alexis Petrioli, Frieder Otto Wolf und ich in unserer Einleitung zu Das Kapital neu lesen auch aufgegriffen hatten:

“Mit dem Ende des Realsozialismus ist auch die materielle Staatsmacht hinter dem ‘Weltanschauungsmarxismus’ verschwunden. Eine neue Kapital-Lektüre muss sich zwar mit überkommenen Lesarten auseinander setzen, gerät aber nicht mehr in die Versuchung, sich an Herrschendes anzubiedern, noch davon abzugrenzen.”

Wenn sich eine eigentlich ganz gute Idee blamiert

Auf die Veröffentlichung der Briefe anlässlich der Kündigung des freitag-Redakteurs Ingo Arend auf meinem freitag-blog schrieb Jakob Augstein folgenden Kommentar:

»Lieber Ingo Stützle,
es ist sicher ungewohnt, dass solche Themen öffentlich behandelt werden. Ich finde es aber, wie Sie, richtig.«

Nun scheint die »repressiven Toleranz« (Marcuse) ausgereizt. Der blog wurde samt Kommentaren gelöscht. Davor hatte sich der freitag aber natürlich noch Lob aus der bloggerInnen-Welt abgeholt: bemerkenswert offen und trasparent sei der freitag. Jetzt findet sich der gelöschte blog nur noch hier und (noch) bei google.

Wie heißt es so schön bei Karl Marx:

»Die ›Idee‹ blamierte  sich immer, soweit sie von dem ›Interesse‹ unterschieden war.« (MEW 2, 86)

Weniger Brutto

Das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlichte gestern Daten, nachdem die durchschnittlichen Bruttoverdienste aller ArbeitnehmerInnen in Deutschland im Jahr 2009 um – 0,4%  gesunken sind – erstmals seit der Existenz der Bundesrepublik.

Beim WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung ist zu lesen:

Verantwortlich für den Rückgang der rechnerischen Pro-Kopf-Verdienste sind hauptsächlich der Ausbau der Kurzarbeit und der Abbau von Überstunden. Im Gegensatz zu den Pro-Kopf-Verdiensten sind die Bruttoverdienste je Stunde insbesondere durch den Abbau von Guthaben auf Arbeitszeitkonten um 3,0% gestiegen. Die Arbeitnehmer erhielten 2009 das Entgelt für die Arbeit, die sie in den Vorjahren bereits erbracht haben. Besonders stark betroffen war das Verarbeitende Gewerbe. Hier sanken die Pro-Kopf-Verdienste um 3,6% während auf Stundenbasis ein Zuwachs von 4,4% zu beobachten war. Auch die Lohnstückkosten, die die Relation von Arbeitskosten und Wertschöpfung darstellen, stiegen in diesem Wirtschaftsbereich besonders stark an (+ 15,3%).