Silvester: Die Unsitte des Einschlagens der Zylinderhüte scheint abgenommen zu haben

Auch vor über 100 Jahren wurde heftig über Silvester-Bräuche diskutiert, jedoch nicht über Böllern.

Ein Standardbericht sah folgendermaßen aus: „Die Silvesternacht ist in Berlin, begünstigt vom besten Wetter, im großen und ganzen recht lebhaft, aber ohne besonderen Radau verlaufen. Verhaftungen sind weniger als sonst vorgekommen, und auch die Zahl der Sistierten war geringer als in früheren Jahren. Auf den Straßen wurde es um Mitternacht lebhafter, besonders wie immer in der Friedrichstraße, Ecke Behren- und Französischen Straße, wo schließlich mehrere Tausend Personen sich eingefunden hatten, die zum Ulken aufgelegt waren, aber von der zahlreich versammelten Schutzmannschaft fortwährend zum Weitergehen veranlaßt wurden, wodurch Ausschreitungen vermieden wurden. Harmloser Unfug, wie das Werfen von Konfetti, das Benutzen von allerhand Dingen zum Radaumachen und Singen wurde nur bei Übertreibungen verboten. Über solch scherzhaften Ulk amüsierten sich selbst die Wachleute und duldeten ihn selbst dann, wenn er einmal auf ihre Kosten getrieben wurde. Der Verkehr in den Straßen und Lokalen war in der ganzen Nacht lebhaft; erst gegen Morgen wurde es ruhiger, so daß die Schutzmannschaft zurückgezogen werden konnte. Die Unsitte des Einschlagens der Zylinderhüte scheint abgenommen zu haben. — Ein amtlicher Bericht lautete: Die Sylvesternacht ist in gewohnter Weise verlaufen. Größere Exzesse haben nicht stattgefunden. Im ganzen wurden 278 Personen wegen Unfugs festgenommen, davon 180 in der Gegend der Friedrichstraße und Unter den Linden; in den äußeren Stadtbezirken ging es verhältnismäßig ruhig zu.“ […]

Den Ursprung des großstädtischen Silvesterbrauchs zu ergründen, ist diese Untersuchung nicht der geeignete Ort. Über seine unmittelbare Vorgeschichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert lassen sich jedoch einige Informationen zusammenstellen, die die fortwährende Rede von seinem Rückgang zumindest im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts als Wunschvorstellung erscheinen lassen. Die seit 1890 von der Schutzmannschaft geführten Nachweisungen über die Anzahl der Sistierungen während der Silvesternacht zeigen, daß 1904 der Höhepunkt des polizeilichen Einschreitens mit 331 erreicht wurde.

Aus: Thomas Lindenberger: Straßenpolitik. Zur Sozialgeschichte der öffentlichen Ordnung [link zum PDF] in Berlin 1900 bis 1914, Bonn 1995

Rosa Luxemburg zu Berlin

Schlesisches_Tor,_Berlin_1880
Berlin, Schlesisches Tor im Jahr 1880.

»Berlin macht auf mich im allgemeinen den widrigsten Eindruck: kalt, geschmacklos, massiv – die richtige Kaserne; und die lieben Preußen mit ihrer Arroganz, als hätte jeder den Stock verschluckt, mit dem man ihn einst verprügelt!« (Rosa Luxemburg an Mathilde und Robert Seidl, 30. Mai 1898)

»Ich … hasse Berlin und die Deutschen schon so, dass ich sie umbringen könnte. Überhaupt braucht man anscheinend zum Leben eine Reserve an Gesundheit und Kräften.« (Rosa Luxemburg an Leo Jogiches, 16. Mai 1898)