Hast Du mal ’nen Eurobond? In der Debatte über das Für und Wider werden zentrale Fragen nicht gestellt

Eurobonds sind Anleihen, die von den Euro-Staaten gemeinsam herausgegeben werden. Eine Anleihe ist ein festverzinsliches Wertpapier und die wichtigste Form, wie sich Staaten auf den Finanzmärkten Kredit nehmen. Ziel von Eurobonds ist deshalb zum einen, dass Länder wie Griechenland überhaupt wieder Geld auf den Finanzmärkten bekommen und nicht mehr von Hilfskrediten von EZB, Euro-Staaten oder IWF abhängig sind. Zum anderen sollen die Gemeinschaftsanleihen helfen, die Zinsen zu senken. Weil nicht mehr ein Land für Zins und Tilgung geradesteht, müsste z.B. Griechenland keinen horrenden Risikoaufschlag bezahlen.

Vor allem aus Deutschland ist heftige Kritik an Eurobonds zu hören. Sie seien ein Einstieg in eine „Transferunion“, da für Schulden eines Mitgliedlandes kollektiv gehaftet werde. Damit werde die No-Bail-Out-Klausel ausgehebelt, die bei der Einführung des Euro verabschiedet wurde und garantieren sollte, dass kein Staat für die Schulden anderer einspringt. Aber warum eigentlich soll das nicht sein? Hierbei wird vor allem ein Argument vorgebracht: Moral Hazard. Dieser Begriff ist schlecht zu übersetzen (Opportunismus oder rücksichtslose Unbekümmertheit) und meint, dass durch „mangelhafte Anreize“ Fehlverhalten nicht bestraft wird. Konkret: Mit hohen Zinsen bestrafen die Märkte fehlerhafte Finanzpolitik, und diese Disziplinierung würde z.B. durch Eurobonds unwirksam. Zweitens werden die Kosten angeführt, die mit Eurobonds auf Deutschland zukommen würden. Die „Rechnung“ ist simpel: Wenn u.a. Deutschland für Griechenland bürgt, sinken zwar die Zinsen für Athen, steigen aber für Berlin.

Gemeinschaftsanleihen nicht so teuer wie befürchtet

Sicher ist, dass im Fall von Eurobonds die Zinskosten für Deutschland insgesamt höher würden. Die Zahlen schwanken allerdings stark. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) schätzt die Kosten auf 0,6 bis 1 Mrd. Euro pro Jahr. Hans-Werner Sinn vom ifo-Institut geht hingegen von 47 Mrd. Euro aus und bedient damit das gängige Ressentiment, wonach Deutschland der Zahlmeister Europas sei.

Das Moral-Hazard-Argument wird von der bürgerlichen Ökonomie gern dann angeführt, wenn etwas passiert, was in ihrer Modellwelt rationaler und effektiver Märkte nicht vorgesehen ist: eine Krise. Dann ist individuelles Verhalten (hier das eines Staates) verantwortlich und nicht die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus und die Staatenkonkurrenz. Das Argument trägt also nur dann, wenn man Märkten eine rationale Funktionsweise unterstellt und vom tatsächlichen Herdentrieb auf den Finanzmärkten absieht. Zudem macht der institutionelle Zwang, den die Troika aus IWF, EU und EZB derzeit ausübt, eine „alternative“ Politik geradezu unmöglich – Griechenland steht unter Zwangsverwaltung.

Spontan könnte man meinen, Eurobonds seien sozusagen „internationale Solidarität“ auf Staatenebene. Für die Linkspartei sind Eurobonds ein wichtiges Instrument gegen Euro-Krise und Spekulation – wenn auch kein Allheilmittel. Auffällig ist, dass nicht nur die gebeutelten Staaten für die Eurobonds eintreten, sondern auch diejenigen politischen Kräfte, die die EU als Ganzes im Blick haben (Euro-Gruppe, VertreterInnen der EU-Kommission).

Die Fokussierung auf Eurobonds bringt jedoch das Problem mit sich, dass andere Finanzierungsmöglichkeiten ausgeblendet werden, etwa höhere Steuern, Zwangsanleihen oder eine Krisenbeteiligung der Banken. Schließlich wird mit Eurobonds die Abhängigkeit von den Finanzmärkten nicht gelockert und ebenso wenig die Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern.

Eurobonds könnten die Finanzmärkte modernisieren

Ein Aspekt fällt auch gerne unter den Tisch: Eurobonds könnten zu einer Modernisierung des europäischen Kapitalismus führen. Der Euro wurde explizit als Gegenprojekt zum US-Dollar, aber auch zum Yen gegründet. Staatsanleihen sind das Standbein der internationalen Finanzmärkte. Wenn es an den Börsen turbulent wird, flüchtet das Kapital in sichere Wertpapiere – vor allem US-Papiere. Beispiel: Bei der Herabstufung der US-Bonität durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s wurden die Staatsanleihen nicht abgestoßen, sondern gekauft, weil hohe Kursverluste an den Börsen drohten. Das globale Kapital findet im Markt für US-Bonds einen sicheren Hafen, der zugleich liquide ist, da diese schnell und ohne großen Verlust verkauft werden können. Bisher hat dieser Markt kaum Konkurrenz. Mit Eurobonds könnte ein großer und liquider Euro-Markt entstehen. Eurobonds würden stark nachgefragt und gehandelt, damit sänken die Zinsen und der Euro würde gestärkt. Werden die Eurobonds als Anlage attraktiv, würde dies auch die europäischen Finanzmärkte stärken.

Vor dem Hintergrund einer kommenden Umschuldung Griechenlands (in welcher Form auch immer) werden Eurobonds wahrscheinlicher. Um einen Flächenbrand, eine weitere Finanzkrise und eine Erschütterung des Bankensystems zu vermeiden, könnten die Gemeinschaftsanleihen den „Hair-Cut“ flankieren. Dann aber gerade nicht in einer „solidarischen“ Variante, sondern um die autoritäre Stabilisierung und den Konsolidierungskurs in der Euro-Zone weiter voranzutreiben. Das zeigen auch die bisherigen konkreteren Vorschläge zu Eurobonds, die eine gemeinschaftliche Haftung nur in der Höhe vorsehen, wie dies der europäische Stabilitätspakt erlaubt. Gleichzeitig sehen Vorschläge europäischer Think-Tanks vor, überschuldete Staaten trotzdem mit höheren Zinsen zu bestrafen und stärkeren Budgetkontrollen zu unterziehen.

Ingo Stützle

Erschienen in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 565 v. 21.10.2011

Siehe auch:

Euro-Bond? Der kleine Bruder von James Bond? Was sind eigentlich Eurobonds, wer ist dafür und wer dagegen? Warum? Was gibt es aus einer linken Perspektive daran zu kritisieren? In der Sendung Radia Obskura wurde ich Anfang September zum Thema ausgequetscht:

http://www.freie-radios.net/mp3/20110901-eurobondsb-42858.mp3