»Das System ist wie die Kirche«. Die US-Zentralbank Fed ist aus der Krise geboren und bis heute ein Symbol des US-Pragmatismus

Von Ingo Stützle

Wie aus heiterem Himmel brach die Krise über die USA herein. Reiche wussten nicht, wohin mit ihrem Geld, was die Spekulation auf den Finanzmärkten beflügelte. Ein System unregulierter Schattenbanken machte den traditionellen Banken Konkurrenz. Kursgewinne bei Wertpapieren zogen eine verstärkte Kreditvergabe nach sich und destabilisierten das Bankensystem. Als beschlossen wurde, ein in Zahlungsschwierigkeiten geratenes Unternehmen fallen zu lassen, um der Gefahr einer Krise zu entgehen, passierte das Gegenteil: Eine Panik brach los. Schon nach kurzer Zeit waren etwa 16.000 Banken pleite.

Foto: CC-Lizenz, ncindc

Nein, wir befinden uns hier nicht in der jüngsten Krise, sondern mitten in der Panik von 1907. Nicht Lehman Brothers, sondern die Knickerbocker Trust Company wurde fallengelassen. Nicht von der US-Notenbank Fed, sondern von der Privatbank JP Morgan. Knickerbocker wurde als nicht systemrelevant eingestuft. Damals entschied keine politische Instanz, sondern ein Kreis um den Privatbankier John Pierpont Morgan darüber, ob taumelnde Unternehmen unter einem Rettungsschirm Zuflucht bekommen sollten. (1) Die USA waren damals die einzige bedeutende Wirtschaftsmacht ohne Zentralbank. Continue reading “»Das System ist wie die Kirche«. Die US-Zentralbank Fed ist aus der Krise geboren und bis heute ein Symbol des US-Pragmatismus”

Vom Wollen und Können: Europa und DIE LINKE

Nicht nur die Partei DIE LINKE, sondern auch viele Linke wissen nicht, wie sie sich zur Europawahl verhalten sollen, wie EU-Kritik formulieren. Es ist auch nicht leicht. Aber das Problem ist oft, dass nicht einmal klar ist, was die eigentlichen Konflikte sind. Stefan Liebich, Jan Korte, Julia Nüss, Luise Neuhaus-Wartenberg und Dominic Heilig haben heute ein Diskussionsangebot verfasst, eine Resultante aus den Debatten innerhalb der Partei DIE LINKE zum Entwuf des Parteivorstandes für ein Europawahlprogramm. Es wurde heute im neuen deutschland dokumentiert. Darin heit es u.a.:

Die LINKE muss deshalb auch 2014 glaubhaft aufzeigen, dass sie die Europäische Union zu einer sozial gerechten und demokratischen Union entwickeln will.

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FAQ. Noch Fragen? Arm, aber des eigenen Glückes Schmied

rolle-machenNoch nie zuvor waren so viele Personen in Deutschland »in Arbeit«. (Siehe ak 589) Die Erwerbstätigkeit hat in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht. Diese Entwicklung verdankt sich vor allem dem Anstieg der Selbstständigkeit ohne Beschäftigte, der sogenannten Soloselbstständigkeit. Diese hat seit 1990 um 82 Prozent zugenommen. Selbstständigkeit und Unternehmertum – hört sich gut an, nach viel Freiheit und vor allem viel Geld. Aber: Pustekuchen. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Arm, aber des eigenen Glückes Schmied”

Der Geist von Davos: Klassenkampf von oben

In der Samstagausgabe der FAZ (25.1.2014) werden wir auf den Geist eingestimmt, der die kommende Jahre die politischen und sozialen Auseinandersetzungen prägen wird – Klassenkampf von oben:

Was in Europa zu tun ist, wurde in Davos von Wirtschaftsvertretern, aber auch von hochrangigen Politikern diskutiert. Strukturreformen seien dringend notwendig, vor allem eine Liberalisierung der Arbeitsmärkte. Allein es gehe oft nicht weit und nicht schnell genug. An dieser Stelle meldete sich ein Zuhörer der Debatte und stellte die Frage: „Wären schmerzhafte Strukturreformen politisch nicht leichter umsetzbar, wenn die Menschen davon überzeugt wären, die unmittelbaren Kosten und die anschließenden Erträge würden gerecht verteilt?“ Die Frage rückt die Perspektive in den Mittelpunkt, mit der seit einiger Zeit wieder lebhafter Verteilungsthemen diskutiert werden. Es geht weniger um Neiddebatten, sondern um die Wechselwirkungen zwischen wirtschaftlicher Entwicklung, sozialer Stabilität und einer vor allem in angelsächsischen Ländern, aber nicht nur dort, ungleicher werdenden Verteilung von Vermögen und Einkommen. Wenn eine wachsende Zahl von Menschen den Eindruck erhalten sollte, dass sich Arbeit nicht lohnt, könnte die Bereitschaft zu Bildung und Ausbildung nachlassen. Es bedarf keines Propheten für die Voraussage, dass in den kommenden Jahren nicht nur in Davos über Verteilungsthemen diskutiert werden dürfte.

Seminarreihe: Die Krise hat Europa gestärkt

Die Euro-Krise scheint überstanden. Mehr noch: «Die Krise hat Europa gestärkt», so Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im April 2013. An den Finanzmärkten ist Ruhe eingekehrt. Die Haushaltsdefizite der Staaten sind drastisch gesunken, die Wirtschaft wächst. Alles wieder normal? Nicht ganz. Denn erstens ist die Lage in vielen Staaten noch katastrophal: Arbeitslosigkeit und Schuldenstände liegen rekordhoch. Zweitens hat sich Europa durch die Krise stark verändert. Die EU kontrolliert nun die Staatsverschuldung und die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten. Daneben existiert ein Sicherheitsnetz für hochverschuldete Staaten in Form des Eurorettungsschirms ESM und den Garantien der Europäischen Zentralbank. Insgesamt lässt sich feststellen: Die Euro-Staaten haben an Souveränität eingebüßt und Machtbefugnisse an die Zentrale in Brüssel abgegeben. Ist dieses Arrangement haltbar? Kann es künftige Krisen verhindern?

FAQ. Noch Fragen? Arm dank Arbeit

siestaZwei Millionen Menschen gehören in Deutschland zu den sogenannten Working Poor. Menschen, die arm sind, obwohl sie arbeiten. Zählt man Angehörige dazu, sind es sogar bis zu fünf Millionen, die trotz arbeitender Familienangehöriger in Armut leben. Das ist das Ergebnis des »Datenreport 2013«, den das Statistische Bundesamt, die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) und das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) vorgelegt haben. Fast gleichzeitig ist vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine ähnliche Analyse zum Thema publiziert worden. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Arm dank Arbeit”