austerität als politisches projekt

cover-regalSeit 2013 (2. Auflage 2014) liegt meine Promotion zwischen zwei Buchdeckeln vor. Nachdem inzwischen eine zweite Eurokrise droht, der Verlag das Buch nicht nochmals auflegen will, nachdem es seit Jahren vergriffen ist, habe ich beschlossen, es als PDF-Datei ins Netz zu stellen und frei zugänglich zu machen.

Die Euro-Krise ab 2010 führte einmal mehr die Dominanz Deutschlands innerhalb der Europäischen Union vor Augen. Zudem zeigte sich in der Krise, dass das Leitbild des »ausgeglichenen Staatshaushalts« nach wie vor stark die politische Agenda prägt und als Disziplinierungsinstrument wirkt, nachdem es zwischenzeitlich als überholt erschien. Ich reflektiere in meiner Arbeit zwar dieletzten Wendungen in der europäischen Politik, habe aber die Arbeit jedoch langfristiger und grundlegender angelegt (und sie bereits vor der Euro-Krise begonnen). Ich ergründe, wie seit Mitte der 1970er Jahre der finanzpolitische Grundsatz »ausgeglichener Staatshaushalt« als Leitbild europäisiert wurde und welche ökonomischen, gesellschaftlichen Bedingungen sowie Interessens- und Akteurskonstellationen dazu führten.

»Austerität als politisches Projekt« wurde mehrfach besprochen. An dieser Stelle sammle ich Besprechungen, Feedback und Lesetermine. Auf die Kritiken und Rückfragen werde ich noch gesondert eigehen.

Jörg-Huffschmid-Preis für »Austerität als politisches Projekt«

»Als zweiter Preisträger des Abends analysiert Ingo Stützle in seiner Arbeit die Durchsetzung des Paradigmas des ausgeglichenen Staatshaushalts innerhalb der europäischen Verträge und erkennt in diesem Leitbild ein ›politisches Projekt‹ in den Kämpfen um Hegemonie in Europa, dessen ›ökonomische Notwendigkeit‹ höchst zweifelhaft sei. Peter Herrmann, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von Attac, stellte fest, dass die mittlerweile unter dem Titel ›Austerität als politisches Projekt‹ erschienene Arbeit Ingo Stützles dem Wissenschaftsverständnis Jörg Huffschmids hervorragend Rechnung trage: Der Preisträger begreife ›wissenschaftliche Arbeit als kritische Analyse, die auf Änderung gesellschaftlicher Realität abzielt‹. Die Jury habe die Arbeit genau in diesem Sinne verstanden und möchte sie daher mit dem Jörg-Huffschmid-Preis fördern.«

Verliehen wurde die Auszeichnung vom Attac-Netzwerk und seinem Wissenschaftlicher Beirat, der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, der EuroMemo Gruppe sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Rezensionen von »Austerität als politisches Projekt«

»Der Neoliberalismus ist in die Verlängerung gegangen, aber diese ist begrenzt. Soll der Fiskalpolitik, soll der Wohlfahrtspolitik nach neoliberaler Überzeugung jede kompensatorische Wirkung für die wirklichen Verteilungsverhältnisse genommen werden, dann wären die in dieser Gesellschaft generierten Überzeugungen von Aneignung und Recht auf Spitze und Knopf gestellt. Diese Eigentums- und Gerechtigkeitsvorstellungen stehen aber über Kreuz mit den durch Kredit und Geld ausgelösten und befürchteten Verwerfungen. Darin hätte sich die von Ingo Stützle in Anspruch genommene Werttheorie als praktisch erweisen müssen. Dabei macht sich die zur Phrase gemachte Wettbewerbsfähigkeit, dies bleibt nach der in ›Austerität als politisches Projekt‹ entwickelten Diagnose eines ›autoritären Wettbewerbsetatismus‹ schließlich noch zu überlegen, nicht nur einen blauen Dunst über die dadurch in der Gesellschaft ausgelösten Spannungen, sondern damit auch über die darin eingeschlossenen Friktionen und Fehlentwicklungen. Auf diesem Wege kann dann auch eine für Europa fragile Konstellation ausgemacht werden, mit der sich die These vom ›autoritären Kapitalismus‹ differenzieren ließe. Schließt die neoliberale Rede von der Wettbewerbsfähigkeit oberflächlich Marktpolitik, Wachstum, Strukturwandel und Erwerbsgeist ein, würde dem pauschalen Vorwurf, dem Neoliberalismus ginge es bloß um die Forcierung des Wettbewerbs, entgehen, dass eine derartige Politik auch Gegenbewegungen hervorrufen kann, deren Möglichkeit und Unterscheidung doch eigentlich Sinn und Zweck einer Gesellschaftskritik sein müsste. Populistische Bewegungen unterschiedlicher Couleur werden ganz bestimmt nicht durch einen Finanzierungsvorbehalt zu beeindrucken sein.« (Fritz Fiehler, Sozialismus, 1/2014, 19-26, [Ich versuche, den kompletten Text – 8 Seiten! – als pdf online zu stellen])

»Schuldenbremse, Haushaltsüberwachung und Währungsstabilität sind die dominierenden Schlagworte europäischer Austeritätspolitik. Ein Staat könne nicht ›über seine Verhältnisse‹ leben, so der Tenor der Eliten. Das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ist zwar seit langem in den europäischen Verträgen verankert, doch ist es in der Krise nochmals verschärft worden. Wie wurde dieser fi nanzpolitische Grundsatz zur europäischen Staatsräson? Welche Interessen- und Akteurskonstellationen waren es, die die Europäisierung des neoliberalen »strategischen Leitbilds« (14) ausgeglichener Staatshaushalte forcierten?« Mir sei es gelungen »den Prozess der europäischen Integration aus den Kräfteverhältnissen und Widersprüchen bei der schrittweisen Durchsetzung des neoliberalen Paradigmas des ausgeglichenen Staatshaushalts verständlich zu machen.« (Felix Syrovatka, DAS ARGUMENT 305, Heft 6, 2013, 945f.)

»Mit seiner auf eine Dissertation zurückgehenden Veröffentlichung zur Frage, wie es gelingen konnte, die Europäisierung des ›finanzpolitische[n] Grundsatzes ausgeglichener Staatshaushalte als Leitbild‹ (14) durchzusetzen, bewegt sich Ingo Stützle auf einem brandaktuellen Terrain, dessen Geschichte angesichts aktueller Krisenereignisse wohl noch länger nicht beendet sein wird. Er legt eine Art Ruhepunkt in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung vor und bietet einen Überblick, von dem aus man weiter operieren kann. Austerität wird in einer historisch-politischen Perspektive betrachtet, die sich, wie bereits der Untertitel deutlich macht, nicht auf die Jahre der aktuellen Krisenkonstellation beschränkt. Insgesamt zeichnet sich das Buch durch einen gut zugänglichen Sprachduktus aus, stellt aber für LeserInnen, die bisher kaum oder auch keinen Kontakt zu wirtschaftstheoretischen Theorien und Begriffen haben, auf Grund seiner inneren Thematik und Begriffsarbeit durchaus eine Herausforderung dar. Die oberflächlich banal erscheinende, aber dennoch zentrale ›Botschaft‹ lautet, dass politikwissenschaftliche Analysen ohne ökonomische Grundlagen und entsprechend breites Wissen nicht dazu befähigt seien, politische Prozesse auf der europäischen Ebene in ihrer Komplexität zu verstehen und plausibel darzustellen. […] Alles in allem bietet der Band eine plausible, sehr systematische Rekonstruktion der europäischen Integration im Bezug auf die Frage der Staatshaushalte an, die auf Grund ihres marxistischen Zuganges zur Thematik provoziert und zur Diskussion aufruft. Der Verfasser greift in seinem Unternehmen auf eine Vielzahl zeitgenössischer wie auch aktueller Literatur zurück, die dem Leser einen guten Überblick über die verschiedenen, angesprochenen Thematiken bieten. Gekonnt verknüpft Stützle analytisch die supranationale, intergouvernementale und staatliche wie gesellschaftliche Ebene und zeichnet ein detailliertes, orientierungsgebendes Bild der Geschehnisse. Einzig negativ fällt auf, dass es keinen Index für Namen und Organisationen gibt. Für die Qualität wie Brisanz des Buches spricht, dass es 2013 mit dem Jörg Huffschmid-Preis ausgezeichnet wurde, der alle zwei Jahre unter anderem durch Attac vergeben wird.« (Sebastian Klauke, Politische Vierteljahresschrift (PVS), 4/2013, 770ff.)

»›Austerität als politisches Projekt‹ ist als fein gezeichnetes Nachschlagewerk ein Muss im Bücherregal jener, die an einer ökonomisch und politisch fundierten Analyse der Staatsschulden, des Leitbildes der »ausgeglichenen Staatsfinanzen« und damit auch aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen aus marxistischer Perspektive interessiert sind.« (Hanna Lichtenberger, ak – analyse & kritik, Nr. 588 vom 19.11.2013)

»Dieses Buch bereichert die Diskussion um die aktuelle Krise wesentlich. Es erscheint zudem wie ein Kommentar zur Haushaltskrise in den USA, welche wiederum die politische Dimension der Schuldenobergrenze verdeutlicht. Auch die Debatte, die innerhalb der Linken in europäischen Ländern geführt wird – nämlich ob ein Euroaustritt linke Strategie sein kann oder nicht -, kommt an einer ernsten Analyse der Austeritätspolitik, wie sie Ingo Stützles bietet, nicht vorbei.« (Jakob Graf, neues deutschland)

»Gerade diese historische Detailgenauigkeit, die mit einem ausgeprägten Gespür für wirtschaftstheoretische Fragestellungen einhergeht, ist die Stärke des Buches.« Und abgesehen von einige Redundanzen im ersten Teil und Umständlichkeiten, die eine »Qualifikationsschrift« so mit sich bringt, so der Rezensent Patrick Schreiner bei kritisch-lesen.de, kann das »Buch rundum und ohne Einschränkung all jenen empfohlen werden, die sich über die historischen und politischen Grundlagen der aktuellen wirtschafts-, finanz- und geldpolitischen Diskussionen in Europa informieren möchten. Stützle räumt auf mit zahlreichen Gerüchten und Behauptungen rund um die Entstehung der Wirtschafts- und Währungsunion … Darüber hinaus (und darin liegt eine besondere Qualität seines Buches) macht er deutlich, wie dieses Dogma von interessierten Kreisen zur Begründung von Sozialabbau, Prekarisierung und Entsolidarisierung genutzt wird – bis heute.«

»Dieses Buch ist nicht unbedingt für den Einstieg in die Thematik der Europäischen Integration und Internationalen Politischen Ökonomie geeignet (Schon allein das Kapitel über die ökonomischen Grenzen der Staatsverschuldung war sehr zäh und in starker Fachsprache geschrieben). Aber das soll das Buch auch nicht leisten. Vielmehr ist das Buch eine bisher einzigartige Analyse der prozesshaften Durchsetzung eines politischen Projekts im Zuge der Europäischen Integration, der es gelingt, eine Vielzahl von Ebenen und Akteuren in den Blick zu bekommen. Für jeden, der sich kritisch mit der Europäischen Integration auseinandersetzt, ist dieses Buch zu empfehlen.« (Lahnblog)

»Die Arbeit beeindruckt durch ihre detaillierte Aufarbeitung wirtschafts- und währungspolitischer Entwicklungen und des europäischen Einigungsprozesses bis hin zur aktuellen Wirtschafts- und Eurokrise. Zugleich bietet sie für die gegenwärtigen Auseinandersetzungen über den gegenüber Griechenland und einigen anderen Ländern verhängten Sparkurs eine fundierte Basis.« (Alexandra Scheele, Portal für Politikwissenschaft)

»Der Politikwissenschaftler Ingo Stützle outet sich als Kapitalismus- und Neoliberalismuskritiker. Seine differenzierte Betrachtungsweise und Argumentation hebt sich dabei wohltuend von den Alles-oder-Nichts-Vertretern der Pro- und Contra-Fronten im lokalen und globalen Gesellschaftsdiskurs ab. […] Die bereits vor dem Ausbruch der Weltwirtschafts- und Eurokrise begonnene Arbeit zur Frage, welche Stränge, Schneisen und Zäune das finanzpolitische Regime der Austerität in den europäischen Einigungsprozess bringt, wie sich Dominanzen, Macht und Überheblichkeit bilden, Gewinner und Verlierer im euro- und global-ökonomischen Prozess entstehen, zeigt mit einer historischen Rekonstruktion die … wichtigsten Phasen der europäischen Vergemeinschaftung auf […]. Dabei legt der Autor den Finger in die vielen (Operations-)Wunden und verdeutlicht: Wie Europa wurde, was es (derzeit) ist!« (Jos Schnurer, socialnet Rezensionen)

Das Inhaltsverzeichnis als pdf-Datei findet ihr hier.

Auch an dieser Stelle nochmals Dank an alle helfende Kräfte.