Bei Maybrit Illner gab der Tunnelbauer Martin Herrenknecht bereits zu denken, dass Großprojekte in China einfacher als in Deutschland durchzusetzen seien. In dieser Frage sei Deutschland museumsreif. Nun bläst angesichts von Stuttgart 21 das organisierte Interesse des Kapitals in das gleiche Horn: Demokratie sei für den Profit nicht immer nützlich. Und da wir in einer auf Profit ausgerichteten Gesellschaft leben, muss man eben Abstriche machen – logische Schlussfolgerung für jeden engagierten Unternehmer. Auch Wolfgang Schäuble ist die Verfassung manchmal zu eng. Wie zitiert Marx den Gewerschafter Thomas J. Dunning so schön: »Capital is said by this reviewer to fly turbulence and strife, and to be timid, which is very true; but this is very incompletely stating the question. Capital...
Entgleiste Herrschaft. Der Kampf um Stuttgart 21 am Scheideweg
Über Jahre passierte scheinbar wenig. Seit dem offiziellen Baubeginn von Stuttgart 21 Anfang Februar überschlagen sich die Ereignisse. Nun steht der Widerstand gegen das Projekt an einem Scheideweg. In der Nacht zum 1. Oktober wurden die ersten Bäume gefällt. In den Stunden davor kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Durch Polizeigewalt wurden bis zu 400 DemonstrantInnen verletzt. Zwei Demonstranten drohen aufgrund des Einsatzes von Wasserwerfern dauerhaft zu erblinden. Der Konflikt um den neuen Bahnhof erweist sich als Machtfrage. Eine Machtfrage, die auch “von unten” beantwortet werden muss.
Die RAF, Buback und unser aller liebster Rechtsstaat
—Aus gegebenem Anlass nochmals ein Kommentar, den ich vor über einem Jahr unter freitag.de publizierte (er wurde, soweit ich weiß, auch abgedruckt)— Michael Buback äußert in einem Interview wenige Tage vor der Verhaftung von Verena Becker in der Sendung Kulturzeit bei 3Sat (21.8.09) die Hoffnung, dass es zu einem Prozess gegen sie kommt. Buback: »Und zwar zu einem Prozess bei dem tatsächlich eine Person vor Gericht steht die an den Anschlägen und dem Anschlag unmittelbar beteiligt war. Die merkwürdige Situation oder groteske Situation bislang war ja, dass Menschen angeklagt wurden, die eben nicht auf diesem Motorrad waren, zumindest muss ich mit höchster Wahrscheinlichkeit davon ausgehen.« Der Sohn des damals ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback äußert schon länger...
Noch nicht einmal demokratischer Schein. Ein Interview mit Astrid Rund über die Aufhebung des Atomausstiegs
Ende August wurde in fast allen Tageszeitungen ein “Energiepolitischer Appell” veröffentlicht. Diesen nahm das Institut Solidarische Moderne (ISM) zum Anlass, den Aufruf “Demokratischer Rechtsstaat oder Atomstaat” zu initiieren. Über Intention des Aufrufs sprach ich für ak mit Astrid Rund, Erstunterzeichnerin des Aufrufs und Kuratoriumsmitglied des ISM. ak: Der Aufruf des ISM zum Konflikt um die Laufzeitverlängerung trägt ganz schön dick auf: “Es geht um nicht weniger als das politische Gestaltungsmandat der Verfassungsorgane und damit um den Bestand des demokratischen Rechtsstaates selbst.” Warum geht es um nicht weniger? Astrid Rund: Bei der Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken wird ganz offensichtlich und unverhohlen dem Interesse und der...
Die Dagegen-Republik
Der letzte Spiegel hatte mal wieder ein tolles Titelthema (»Die Dagegen-Republik – Bürgeraufstand gegen die Politik«) und bringt das herrschende Demokratieverständnis auf den Punkt. Ein Satz gegen Ende könnte bei Johannes Agnoli abgeschrieben sein oder zumindest eine Referenz hergeben – nur eben irgendwie anders gemeint: »Aber einer Bevölkerung muss immer mal wieder etwas zugemutet werden, sonst kann ein Land sich nicht entwickeln. Solche Zumutungen kann nur die Berufspolitik verordnen. Aber wenn der Protest zu stark wird, schafft sie das nicht. Deutschland würde zum Land der Bewohner, Stillstand wäre die Folge. Die beste Gesellschaft ist die, die Politiker und Bürger miteinander verzahnt. Bürgerliche Emotionalität muss durch politische Abgeklärtheit aufgefangen werden...
Verfassung als Kampfinstrument der »politisch-moralischen Ausbürgerung«
Der Thüringer Fraktionschef Bodo Ramelow (DIE LINKE) ist bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen, um eine Grundsatzentscheidung darüber abzuholen, »inwieweit die Erhebung personenbezogener Daten über ein Mitglied des Deutschen Bundestages oder eines Landtages aus allgemein zugänglichen Quellen ohne Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln … durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zulässig ist, falls der betreffende Abgeordnete Mitglied und Spitzenfunktionär einer Partei ist, hinsichtlich derer tatsächliche Anhaltspunkte … für gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen … vorliegen.« Und das Bundesverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass der Verfassungsschutz Dossiers aus allgemein zugänglichen Daten anlegen darf, eine »offene Beobachtung«...
Der Gebrauchsanleitungs-Kapitalismus
In einem der letzten Postings hatte ich Sabine Nuss’ Besprechung des Buchs Der gute Kapitalismus erwähnt. Die in meinem Prokla-Artikel zu Keynes geführte Debatte zu keynesianischen Hoffnungen wird hier anhand des populären Buchs weitergeführt. Der Beitrag von Sabine Nuss ist zusammen mit einem Debattenbeitrag von Sebastian Dullien, Hansjörg Herr und Christian Kellermann selbst nun auf der Seite der Zeitschrift Luxemburg online einzusehen.
Ermittlungen gegen Andrej Holm eingestellt. Ein Interview mit Anwältin Christina Clemm
Die Bundesanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen Andrej Holm ein. Vermutungen führten jahrelang zu tiefgreifenden Einschränkungen nicht nur seiner Grundrechte. Die Praxis der RichterInnen war skandalös, entlastende Beweise wurden unterschlagen etc. pp. Das FSK sprach mit seiner Rechtsanwältin Christina Clemm aus Anlass der Bekanntgabe des Einstellungsbeschluss.
Siehe auch:
– Bundesgerichtshof: Überwachung war von Beginn an illegal
– Verfassungsschutzbericht 2010: Zur ›freien‹ Deutungshoheit der Verfassungsschutzämter
– Vom Gehege der Verfassung zur kommissarischen Diktatur?
Ergänzung (14.7.): gesammelte Reaktionen auf die Einstellung bei annalist
Linkspartei: Staatskritik als blinder Fleck?
Vor ein paar Tagen wies Tom Strohschneider angesichts der Bundespräsidentenwahlen auf ein Papier von Rainer Rilling hin (Welche politische Krise?). Dort konstatiert dieser eine »skeptische Distanz« der Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der links-libertären Milieus gegenüber der Linkspartei. Alex Demirović hat nun im Blog des Prager Frühlings die andere Seite der Medaille beleuchtet: die fehlende Staatskritik innerhalb der Linkspartei – vor allem im Rahmen ihrer Programmdebatte. »Obwohl der Einschätzung des Staates durchaus eine wichtige Rolle zukäme, bleibt er im Programmentwurf eine Blindstelle. Das birgt zwei Gefahren für die Linke: die der Überschätzung, da der Staat überschätzt wird hinsichtlich dessen, was mit ihm erreichbar ist; die der Unterschätzung hinsichtlich seiner...
BP als Teil US-amerikanischer Militärlogistik
Laut einem Bericht der Washington Post beliefert BP das Pentagon mit mehr Öl als jedes andere Unternehmen. »In fiscal 2009, BP was the Pentagon’s largest single supplier of fuel, providing 11.7 percent of the total purchased, and in 2010, its contracts amount to roughly the same percentage, according to DLA spokeswoman Mimi Schirmacher.« Mehr noch: »BP is an active participant in multiple ongoing Defense Logistics Agency acquisition programs« sagte Schirmacher. Wohl auch das ist ein Grund, warum im Vorfeld der Katastrophe mehr als nur ein Auge zugedrückt wurde. Wie in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise ließe sich aber auch hier wieder zeigen bzw. diskutieren, dass es nicht die ›Abwesenheit‹ staatlicher Regulierung war, die das ›Unglück‹ ermöglichte. Bei einer solchen...