Wie wir leben wollen. Die zentralen Konfliktfelder des alternativen Wirtschaftens

ak_580_01Solidarische Ökonomie ist in. Nach dem Abflauen der globalisierungskritischen Bewegung, der Krise von Occupy und inmitten einer der tiefsten Krisen des Kapitalismus stehen ökonomische Alternativen hoch im Kurs. Die vielfältigen Ansätze einer anderen Ökonomie, jenseits von Profitzwang und Konkurrenz, boomen in Theorie und Praxis.

Herausgestellt wird dabei immer, dass sich die unterschiedlichen Konzepte gegenseitig ergänzen und durchaus kompatibel seien. Das zeigt zum einen: Die bislang häufig in der Linken auf Abgrenzung zielenden Debatten über die »richtige Linie« wurden von einer solidarischen Diskussion und Kooperation abgelöst. So weit, so gut. Dennoch scheint zugleich eine gewisse Beliebigkeit und grau in grau vorzuherrschen. »Zinskritik« findet sich neben sinnvollen Projekten, die auf Gemeingüter (Commons) setzen; auf die gehobene Mittelschicht orientierende Landwirtschaftsprojekte existieren neben geldlosen Produktions- und Konsumtionskollektiven, die aus der unmittelbaren Not entstanden sind.

Die fehlende Kritik an »konkurrierenden« Ansätzen verweist deshalb auch schlicht darauf, dass eine politische Bezugnahme untereinander oft unterbleibt. Denn nur so würden die Konflikte, aber auch die Anschlusspunkte zwischen den unterschiedlichen politischen und sozialen TrägerInnen offengelegt.

Anlass genug, etwas Licht in das oft trübe Allerlei zu bringen. Entlang von fünf Widerspruchslinien wollen wir die unseres Erachtens zentralen Fragestellungen für eine produktive Weiterentwicklung des Diskurses um Solidarische Ökonomie diskutieren. >>> Weiterlesen in ak 580

Vortrag und Diskussion: Kein Staat zu machen? Die Krise, der Staat und die Linke

Die letzten Jahre führten nicht nur vor Augen, dass der Kapitalismus nur krisenhaft zu haben ist, sondern dass der Staat alles Nötige tut, damit er nicht den Bach runtergeht. Er hat Konjunkturprogramme aufgesetzt, Banken gerettet, verstaatlicht und nicht nur Griechenland ein Sparprogramm aufgezwungen. Wer für die Krise zahlen muss, war schnell klar: Lohnabhängige, RenterInnen, Prekäre. Eine radikale und theoretisch fundierte Staatskritik ist nötiger denn je. Die Veranstaltung wird in materialistische Staatstheorie und -kritik vor dem Hintergrund der Krise einführen. Ziel ist es, Fragen zu diskutieren, die für die außerparlamentarische Linke aktuell von Bedeutung sind. Wie gestaltet sich das Verhältnis von Staat und Kapital? Ist der Staat nur Instrument und Repressionsapparat des Kapitals? Hat der Staat ein Geschlecht? Sind linke Parteien Teil des Staats und außerparlamentarische Bewegung autonom? Diese Fragen sollen mit den Theorien von unter anderem Gramsci, Althusser
und Poulantzas diskutiert werden. Vorkenntnisse sind nicht nötig.

Freitag, 8. Februar 2012, 19.30h, Infoladen Wilhelmsburg, Fährstr. 10.

Die Veranstaltung wird unterstützt vom Verein für politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

Wettbewerbsfähigkeit eine Absage erteilen. Die Linke sollte sich nicht über die »Selbstkritik« des IWF freuen

Der Chefvolkswirt des Internationalen-Währungsfonds (IWF), Olivier Blanchard, und sein Kollege Daniel Leigh haben Anfang des Jahres ein Arbeitspapier veröffentlicht, das SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen jubeln ließ: Die Sparanstrengungen der letzten Jahre hätten das Wachstum in Europa stärker beeinträchtigt als erwartet. Hatten das Linke und Gewerkschaften nicht immer gesagt?!

siestaErnsthaft bezweifelt hat die negativen Auswirkungen der Sparpolitik auf das Wirtschaftswachstum eigentlich niemand. Wenn die gesellschaftliche Nachfrage zurückgeht, etwa durch Austeritätspolitik, werden weniger Waren verkauft, bleibt das Wirtschaftswachstum aus, verwertet sich das Kapital schlechter. Denn die neoliberalen Ideologen setzen ja gerade auf einen Anpassungseffekt, setzen eben nicht auf die Seite der Nachfrage, sondern drängen auf die Verbesserung des Angebots, sprich: besser ausbeutbare Arbeitskraft. Löhne, soziale Abgaben und Steuern sind für das Einzelkapital wesentlich Kostenfaktor. Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, vertritt sogar öffentlich die Position, dass die negativen Effekte hingenommen werden müssten, um eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft zu ermöglichen, d.h. Kapital wieder profitabel werden zu lassen.

Dies zeigt, dass die Austeritätspolitik in Europa nicht eine Frage richtiger wirtschaftspolitischer Konzepte oder ökonomischer Vernunft ist, sondern Resultat von Klassenkämpfen und Auseinandersetzungen darüber, wie die Krisenlasten sozial verteilt werden – auch zwischen den Eurostaaten. Schließlich war es vor allem Deutschland, das die Fahne des Sparens und der Strukturanpassung hochhielt. Für das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sind etwa Arbeitsmarktreformen in südlichen Euroländern »der Schlüssel, wenn ein Land im Euro bleiben möchte«. (Märkische Allgemeine, 3.7.2012)

Die politische Dimension zeigt sich auch daran, dass, als der IWF vor zehn Jahren eine Auswertung seiner fiskalischen Anpassungsprogramme zwischen 1993 und 2001 vorlegte, er zu dem kaum erstaunlichen Ergebnis kam, dass immer wieder zu hohe Sparauflagen verordnet wurden, weil das Wirtschaftswachstum zu stark fiel. Würde der IWF seine eigene wissenschaftliche Kompetenz ernst nehmen, wäre er als Teil der Troika kaum dabei gewesen, die von der Krise betroffenen Länder der Europeripherie mit Austeritätspolitik und Anpassungsmaßnahmen zu überziehen. Das Verhätnis von wissenschaftlicher Expertise und politischer Strategie zeigte sich auch keine Woche nach der Veröffentlichung des IWF-Arbeitspapiers: Von Portugal forderte der Weltwährungsfonds Kürzungen im Umfang von vier Milliarden Euro, 50.000 Entlassungen im öffentlichen Dienst; außerdem sollen die Renten um 20 Prozent gekürzt und die Gesundheitsgebühren angehoben werden.

Es gibt aber keinen Grund für Linke, sich über die selbstkritische Beurteilung der Sparmaßnahmen freuen. Die zu erreichenden Ziele, die mal mit mehr oder weniger defizitfinanzierter Wirtschaftspolitik verfolgt werden, sind nämlich die gleichen: Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und günstige Rahmenbedingungen für die Kapitalverwertung schaffen.

Das Ziel der Konkurrenzfähigkeit ist nämlich das Lebenselixier der Kapitalverwertung und der Soundtrack für einen aggressiven Nationalismus und Rassismus innerhalb Europas.

Eine Voraussetzung dafür ist in Deutschland der Bruch der Gewerkschaften mit der Sozialdemokratie. Dass dieser nicht abzusehen ist, weiß auch die Bundesregierung, die die deutschen Mitmachgewerkschaften an ihrer Seite hat. Das bezeugte die Neujahrsrede von Angela Merkel: »Es sind die … Gewerkschafter und Unternehmer, die gemeinsam für die Sicherheit der Arbeitsplätze arbeiten«.

Ingo Stützle

Erschienen in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 579 vom 18.1.2013

Is the whole World going bankrupt? Government debt: What it is and how it functions

da83855671In the 1990s, it was “globalization.” Now “government debt” is considered the central problem of the world economy. The reason: for the first time since the Second World War, it is not the so-called developing countries that are experiencing a debt crisis, but rather established industrial countries. In Europe, a few governments have become insolvent and have to be financed by other states. In the United States, government debt has grown to levels that are otherwise only reached during wars. That is why Bild, Germany’s biggest tabloid, asked: “Is the Whole World Going Bankrupt?” (July 13, 2011), while the headline of the newsweekly Der Spiegel (32/2011) asked: “Is the World Going Bust?”

In the public discourse, two things seem to be clear: first, government debt is bad. And second, there is too much of it. “Saving” is therefore the order of the day. States want to become “trimmer,” public property is being privatized, and national wage levels are to be lowered in order to raise the level of “competitiveness” of the nation as a location for business. Government debt thus engenders the same political measures as the specter of “globalization” a decade ago.

Now all governments of the industrial countries have resolved to save more drastically. This affects the poor primarily in the form of social cuts – in all countries. Why is that the case? Where does all this debt come from? Why do all states incur debt – even though it is generally considered to be something bad? And why not just cancel these debts, if the whole world is suffering under them? These are some of the questions that this brochure seeks to answer. It does not attempt to assert that government debt is actually not a problem. Rather, it attempts to demonstrate the purposes that government debt serves, and when it becomes a problem – and for whom. Because ultimately, questions of debt are questions of distribution: some have to pay, while others benefit.

>>> »Is the whole World going bankrupt?«[pdf-file]

Translation of the original German version by Alexander Locascio.

Setzt nicht auf die Politik! UmFairteilen steht nahe der Fernsehkameras

Beim bundesweiten Aktionstag UmFairteilen protestierten in 40 Städten bundesweit laut Veranstalter 40.000 Menschen für eine andere Steuerpolitik, mehr Gerechtigkeit und die Zukunft des Sozialstaats. Dass die Medien gegen Ende des Tages die Zahlen der Veranstalter übernahmen, nachdem es tagsüber noch ganz anders aussah, spricht dafür, dass sie den Protesten wohlgesonnen waren. Das kann schon mal vorkommen. Darauf zu setzen kann aber gefährlich sein. >>> Weiterlesen in ak 576 oder dem neuen nd-Bewegungsblog.

FAQ. Noch Fragen? ESM: Rettung unter Auflagen

Mit drei Monaten Verspätung wurde der dauerhafte Rettungsschirm ESM (European Stability Mechanism) bei einem Treffen in Luxemburg am 8. Oktober 2012 nun in Kraft gesetzt. Erst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Mitte September 2012 war der Weg frei. Das höchste deutsche Gericht machte zur Bedingung, dass der deutsche Anteil am Stammkapital nicht ohne Zustimmung des Bundestags erhöht werden kann. Die Eurostaaten haben inzwischen eine entsprechende Erklärung abgegeben. Der ESM von 17 Eurostaaten wurde bereits Anfang 2012 gründet und sollte ab Juli 2012 den bisherigen Eurorettungsschirm EFSF (European Financial Stability Facility) ablösen. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? ESM: Rettung unter Auflagen”

Was passiert, wenn man bei die-linke.de auf »Mitglied werden« klickt

Der Parteitag der Linkspartei in Göttingen im Juni 2012 markiert einen Wendepunkt. Zumindest wenn man den Diskussionen über DIE LINKE seitdem Glauben schenken mag. Nicht nur die Umfragewerte nehmen wieder zu. Seit Göttingen gibt es auch eine Diskussion, wie wichtig es ist, ein Parteibuch zu haben. Bitter nötig wären Neumitglieder für die Linkspartei allemal.

Nicht nur für diejenigen, die nach dem Parteitag in Göttingen öffentlich nach dem Parteibuch griffen, war Göttingen ein Anlass. Auch für Robert, der das Durchschnittsalter bei Eintritt in DIE LINKE von 41 Jahren fast genau trifft. In der Nacht der Wahl von Katja Kipping und BerndRiexinger ist er eingetreten – per Mausklick. Mich interessierte, was nach einem solchen Schritt passiert. Also lud ich Robert zu Kaffee und Kuchen ein, um mir anzuhören, was ihn motiviert und welche Erfahrungen er seit Juni gemacht hat. >>> Weiterlesen in ak 576.

Europa diskutieren. Nach dem ESM-Urteil ist eine solidarische Politik von unten nötig

»Mit diesem Vertrag beginnen Sie die Gründung einer europäischen Föderation, der Vereinigten Staaten von Europa, und zwar über eine Fiskalunion«, erklärte der Vorsitzende der Linksfraktion Gregor Gysi Ende März 2012 vor dem Bundestag und schlussfolgerte, dass der zur Debatte stehende Fiskalvertrag verfassungswidrig sei. Als hätte Gysi hellseherische Fähigkeiten, verkündete EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am 12. September 2012, dem Tag des ESM-Urteils durch das Bundesverfassungsgericht, eine »Föderation der Nationalstaaten«. »Dies bedeutet eine Union mit den Mitgliedstaaten, nicht gegen die Mitgliedstaaten«, so Barroso weiter. Continue reading “Europa diskutieren. Nach dem ESM-Urteil ist eine solidarische Politik von unten nötig”

FAQ. Noch Fragen? Draghikomödie: Viel Lärm um nichts

Nachdem EZB-Chef Draghi bekannt gab, dass die Europäische Zentralbank (EZB) unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen würde, war die Aufregung groß – zumindest in den deutschen Medien. Die Springerzeitung Die Welt (6.9.2012) beklagte, dass die Finanzmärkte den »Tod der Bundesbank« bejubelten; Nikolaus Blome bedauerte auf bild.de einen »Blanko-Scheck für Schulden-Staaten« und fragte rhetorisch, ob »Draghi damit den Euro kaputt« mache?

Angela Merkel hingegen gab zu Protokoll, dass das Aufkaufprogramm vom EZB-Mandat gedeckt sei. Selbst Bundesbankchef Jens Weidmann, der als einziger Vertreter im EZB-Rat gegen die Wiederaufnahme des Aufkaufprogramms stimmte, vermied es geflissentlich, zu behaupten, das Programm sei illegal. Vielmehr sprach er im Vorfeld von »Bauchschmerzen«, die er bei diesem »heiklen« Vorhaben habe, das er »jedenfalls vermeiden« wolle. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Draghikomödie: Viel Lärm um nichts”

Aus einem finanztheoretischen Lehrbuch von 1969

Vor der Durchssetzung der Neoklassik als Mainstream konnte noch Unerhörtes in finanztheoretischen Lehrbüchern[1. Horst Claus Recktenwald (Hg.): Finanztheorie, Köln-Berlin 1969] behauptet werden, nämlich dass die Konsolidierung der Staatsfinanzen durch die Drosselung der öffentlichen Nachfrage gegen die ökonomische Vernunft verstoße: Die Wirtschafts- und Finanzwissenschaften hätten bis nach dem Zweiten Weltkrieg

»Enthaltsamkeit des Staates, Budgetausgleich wegen Inflationsgefahr (!) und neutrale Finanzpolitik [gefordert] […]. Alles das klingt heute selbst in den Ohren jedes Erstsemesters als eine Herausforderung, da bewusste Drosselung der öffentlichen Nachfrage […] gegen elementare ökonomische Vernunft verstößt. Die hausbackene, biedere Vorstellung, was für den einzelnen gut sei, sei auch stets für die Gesamtwirtschaft richtig, erwies sich als falsch.« (S. 16, HerV.: I.S.)

So liest sich die Kehrseite eines wirtschaftspolitischen und wirtschaftstheoretischen Paradigmenwechsel.

Ist die ganze Welt bald pleite?

Viele fragen sich noch immer: Ist die ganze Welt bald pleite? Die gleichnamige Bildungsbroschüre zu Staatsverschuldung, die ich zusammen mit Stephan Kaufmann verfasst habe, liegt endlich in in der vierten und überarbeiteten Auflage vor und ist über die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu beziehen.

Aus der Einleitung:

In den 1990er Jahren war es die «Globalisierung», heute gilt die «Staatsverschuldung» als das zentrale Problem der Weltwirtschaft. Der Grund: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg sind es nicht die sogenannten Entwicklungsländer, die eine Schuldenkrise erleben, sondern die etablierten Industriestaaten. In Europa sind einige Regierungen zahlungsunfähig geworden und müssen von anderen Staaten finanziert werden. In den USA wachsen die Staatsschulden in Höhen, die sonst nur nach Kriegen erreicht werden. «Geht bald die ganze Welt pleite?», fragt die Bild-Zeitung (13.7.2011), und der Spiegel (32/2011) titelt «Geht die Welt bankrott?».

In der öffentlichen Diskussion scheinen zwei Dinge klar: Staatsschulden sind schlecht. Und sie sind zu viel. «Sparen» ist daher das Gebot der Stunde. Die Staaten wollen «schlanker» werden, öffentliches Eigentum wird privatisiert, das nationale Lohnniveau soll sinken, um die «Wettbewerbsfähigkeit» des Standortes zu erhöhen. Die Staatsverschuldung zeitigt damit die gleichen politischen Maßnahmen wie das Schreckensgespenst «Globalisierung» im Jahrzehnt zuvor.

Nun haben sich alle Regierungen der Industrieländer vorgenommen, härter zu sparen. Dies trifft vor allem die Armen in Form von Sozialkürzungen – in allen Ländern. Warum ist das eigentlich so? Wo kommen überhaupt die ganzen Schulden her? Warum machen alle Staaten Schulden – obwohl sie allgemein als Übel gelten? Und warum streicht man die Schulden nicht, wenn schon die ganze Welt unter ihnen leidet? Dies sind einige Fragen, die diese Broschüre beantworten will. Sie will nicht behaupten, Staatsschulden seien eigentlich kein Problem. Sondern sie will zeigen, welchem Zweck Staatsschulden dienen, wann sie zu einem Problem werden – und für wen. Denn am Ende sind Schuldenfragen immer Verteilungsfragen: Einige müssen zahlen, andere dürfen verdienen.

FAQ. Noch Fragen? Warum kauft die EZB Staatsanleihen?

Ein Gespenst geht um in der Eurozone. Nicht der Kommunismus, sondern, zumindest für die Deutsche Bundesbank, viel schlimmer: der Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Was ist damit gemeint? Anleihen sind die gängigste Form, wie sich Staaten auf den Finanzmärkten Geld leihen.

Eine Anleihe ist ein Wertpapier mit einem festen Zinssatz und hat einen Nennwert, auf den sich der festgelegte Zinssatz bezieht. Für einen Kredit von einer Million Euro werden beispielsweise zehn Anleihen zu einem Nennwert von 100.000 Euro ausgegeben – im Folgenden zur Vereinfachung zu einem Zinssatz von zwei Prozent. Die Laufzeit einer Staatsanleihe beträgt 10 bis 30 Jahre. Während dieser Laufzeit fallen jährlich Zinsen ab, zwei Prozent auf 100.000 Euro, d.h. 2.000 Euro.

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Moody’s Downgrade von Italien: Antizipation der Antizipation

Die Ratingagentur Moody’s hat am Freitag die Kreditwürdigkeit Italiens herabgestuft. Mit Baa2 steht das Land auf der Stufe von Kasachstan.

Mache fragen schon, ob Italien zu taumeln beginnt und – darauf haben wir alle bereits gewartet – Berlusconi bringt sich mal wieder als Retter in der Not ins SpielBorat lässt grüßen.

Wie begründete Moody’s das Downgrade?

»Italy’s near-term economic outlook has deteriorated, as manifest in both weaker growth and higher unemployment, which creates risk of failure to meet fiscal consolidation targets,« Moody’s said. »Failure to meet fiscal targets in turn could weaken market confidence further, raising the risk of a sudden stop in market funding.«

Für Moody’s gebietet das Zusammenspiel von  EU-Sparpolitik und den zu erwartenden Reaktionen auf den »Märkten« eine schlechtere Bewertung. Denn:

  • Sparprogramme schwächem das Wirtschaftswachstum
  • Das Sparziel selbst sei Grund genug für eine Herabstufung. Schließlich könnten die Märkte keine Nervosität an den Tag legen, wenn es keine Zielmarken gebe. Logisch. Werden keine Ziele genannt, können sie auch nicht gerissen werden
  • Vor diesem Hintergrund antizipiert Moody’s schließlich mit ihrem Downgrade die antizipierte Verfehlung der Sparziele durch die Märkte

Zusammengefasst: Um das Vertrauen der Finanzmärkte in Italien zu stärken, spart Rom (und viele andere EU-Länder). Aus der Sicht von Moody’s verschlechtern die Sparkurse die Kreditwürdigkeit. Weil das Finanzkapital die Meinung der Ratingagenturen schätzt (schon allein aus Angst davor, dass Einzelkapitale dementsprechend handeln), werden sie in Zukunft für frischen Kredit höhere Renditen verlangen – nicht nur von Italien. Das wird wiederum die Kosten der Staatsschulden erhöhen und die Krise weiter verschärfen.

Darf ich vorstellen: das »Duo infernale« EU-Sparpolitik und Marktlogik. Mit dem Souffleur Ratingagentur.

Griechenland: Euro-Austritt oder nicht – ist das die Frage?

Am 17. Juni wird in Griechenland gewählt. Was bis vor ein paar Monaten noch fast undenkbar war, wird derzeit offen diskutiert: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Auch wenn aus Brüssel derzeit Verhandlungsbereitschaft gezeigt wird.

In der Frage, ob Griechenland den Euro aufgeben soll oder nicht, ist selbst die griechische Linke gespalten. Einen erhellenden Beitrag zu dieser Frage war in den letzten beiden Ausgabe des express zu finden. Inzwischen sind beide Teile online:

Christos Laskos, John Milios und Euclid Tsakalotos über kommunistische Dilemmata in der Euro-Krise: Austreten oder nicht? (Teil I, Teil II)

Geld hat Athen wohl noch bis zum 20. Juli, so das Handelsblatt. Über den Sommer kommt es damit nicht.

Nachtrag zur Graeber-Besprechung

»Die Gewohnheit, immer ›bitte‹ und ›danke‹ zu sagen, setzte sich während der kommerziellen Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts durch – bei eben jenen Mittelschichten, die hauptsächlich für diese Revolution verantwortlich waren. Es ist die Sprache der Ämter, der Läden und Kanzleien, und im Lauf der letzten 500 Jahre hat sie sich mit diesen Einrichtungen ausgebreitet. Dies Sprache ist nur ein Zeichen einer umfassenden Denkweise, einer Reihe von Annahmen, was Menschen sind und was sie sich einander schulden. Heute sind diese Annahmen so tief verwurzelt, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen.« (Graeber 2011: 131)

Meine Besprechung zu Graebers Schulden-Buch musste knapp ausfallen. Ein paar Punkte sind nur angerissen. Bei anderen wissen nur diejenigen, die bestimmte (zwischen den Zeilen zu findende) Debatten kennen, worauf ich hinaus will. Deshalb ein kurzer, summarischer Nachtrag. Wer meine ak-Besprechung nicht kennt, sollte sie vorher lesen. Auf viele Punkte, die ich dort ausführe, gehe ich hier wiederum nicht ein.

Buchpräsentation zu »Inside Occupy« mit David Graeber. Foto : CC-Lizenz/Tine Nowak

Graeber orientiert sich an einer klassischen Frage der politischen Ökonomie – was ist Geld? Er kritisiert den Mainstream scharf und klopft im ersten Teil seines Buches die Wirtschaftstheorie kritisch ab – zu Recht. Diese geht meist von unhistorischen und fiktionalen Gesellschaften aus, in denen Menschen ihren natürlichen Neigungen nachgehen, unter anderem ihrem Hang zu Tausch und Handel. Graeber kritisiert richtigerweise, dass ökonomische Lehrbücher immer mit dem Barter, einem einfachen Produktentausch ohne Geld beginnen.[1] In seiner Auseinandersetzung streift Graeber u.a. Smith, Menger, Jevons, Keynes, Knapp, Samuleson und Aristoteles und Aglietta.

Wen Graeber zu Beginn seines Buchs nicht kritisiert bzw. diskutiert ist Marx, obwohl dieser auch mit dem Warentausch beginnt – könnte man zumindest meinen. Und genau hier zeigt sich Graebers grundlegendes Problem, der zwar viel historisch-anthropologisches Material zusammenträgt, es aber nicht theoretisch-begrifflich durchdringt. Hierfür bedürfte es nämlich einer Theorie des Kapitalismus, Kriterien, was den Kapitalismus auszeichnet – eine Formanalyse und Kritik.
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