Soft Shell, Hard Core: On the 150th Anniversary of the Publication of Karl Marx’s Capital, Vol. 1

Isaac Deutscher once told the following story about reading Capital:

I was relieved to hear that Ignacy Daszynski,1 our famous member of parliament, a pioneer of socialism, … admitted that he too found hard a nut. “I have not read it,” he almost boasted, “but Karl Kautsky has read it. I have not read Kautsky either, but Kelles-Krauz, our party theorist, has read him, and he summarized Kautsky’s book. I have not read Kelles-Krauz, either, but … Herman Diamond, our financial expert, has read Kelles-Krauz, and he has told me all about it.”2

Deutscher’s anecdote illustrates the fate of Karl Marx’s most important work, Das Kapital. Since then, the summaries and their contexts of origin have changed, as well as why and who wrote them and what they focus on—but the original still often sits unread on the shelf. But which original actually? Continue reading “Soft Shell, Hard Core: On the 150th Anniversary of the Publication of Karl Marx’s Capital, Vol. 1”

Even closer to the truth

Why we ought to read Keynes with Marx in mind, and why doing so can help us learn – from Keynes. A response to Michael Roberts.

To many who subscribe to Marx’s theory and critique of political economy, the economist John M. Keynes is a provocation: aside from Marx, hardly any other scholar so fundamentally challenged the predominant economic theory of his time. ⇒ http://marx200.org/en/debate/even-closer-truth

Einblicke in Marx’ Laboratorium – Neuerscheinung

Im April 1867 fährt Karl Marx nach Hamburg. Im Gepäck befindet sich das Manuskript zum »Kapital«. Zu Besuch bei seinem Freund Ludwig Kugelmann in Hannover treffen die ersten Druckfahnen ein und Kugelmann setzt Marx einen Floh ins Ohr: Der Anfang des »Kapitals« sei derart kompliziert, dass Marx einen erläuternden Anhang schreiben soll. Zurück in London macht sich Marx an die Arbeit. Viele, die sich mit der Wertformanalyse beschäftigen, kennen nur die MEW 23, die sich an der Auflage von 1890 orientiert. Anlässlich 150 Jahre »Das Kapital« wird nun der Anfang der Erstauflage erstmals allgemein zugänglich gemacht.

Der Band enthält die in der ersten Ausgabe von 1867 veröffentlichten beiden Fassungen des Wertformabschnitts, einen Teil des Überarbeitungsmanuskripts für die 2. Auflage (1873) und den  entsprechenden Teil aus der Broschüre »Kapital und Arbeit« von Johann Most, den Marx redigiert hat. Die unterschiedlichen Fassungen verdeutlichen, wie Marx darum gerungen hat, den logisch-systematischen  Zusammenhang im »Kapital« klar herauszuarbeiten, im Unterschied zur populären Darstellung in »Kapital und Arbeit«, wo eine historische Abfolge der Kategorien, also sozusagen die Herausbildung des Warenaustausches in den vorkapitalistischen Gesellschaften, illustriert wird.

Karl Marx: Die Wertform
Hrsg. von Rolf Hecker und Ingo Stützle
224 Seiten, Bruschur
ISBN 978-3-320-02334-8
Karl Dietz Verlag Berlin GmbH 2017

(Die kleine Schwester der MEW – demnächst komplett im Schuber)

Hätte, müsste, sollte – die Kritik der Neoklassik

Nach Jahrzehnten der neoklassischen Dominanz wird in den Wirtschaftswissenschaften die Forderung nach Pluralismus wieder lauter. Doch der lässt sich nicht herbeiwünschen.

Ein Bild von Karl Marx
Gehört an die ökonomischen Fakultäten, meinen die einen. Nein!!, sagen die anderen. Foto: ms.akr / Flickr CC-BY 2.0 Lizenz

Vom Nobelpreisträger und Autor des wohl wirkungsmächtigsten VWL-Lehrbuchs, Paul A. Samuelson, ist der Satz überliefert, dass es ihm egal sei, wer die nationalen Gesetze formuliere, wenn er die Ökonomielehrbücher schreiben könne. Ein selbstbewusster Satz, der den Gestaltungs- und Machtanspruch des ökonomietheoretischen Mainstreams, der Neoklassik, zum Ausdruck bringt, sozusagen die Software des Neoliberalismus. Der Neoklassik hat auch die Weltwirtschaftskrise nichts anhaben können, wie Philip Mirowski in seinem jüngsten Buch nachzeichnet: Untote leben länger. Auch wenn es – etwa von Studierenden vor zwei Jahren – den Ruf nach mehr Pluralität in der Hochschullehre gibt. Aber was ist das, Pluralität in den Wissenschaften?

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Dostojewski, Marx, Liza Minelli – vom Geld und seinen Mythen

Die Bargeldbegrenzung wird derzeit heiß diskutiert. Eine gute Gelegenheit, ein paar grundlegende Fragen zum Zusammenhang von Geld und Kapitalismus zu beantworten – und mit Mythen und Missverständnissen aufzuräumen.

In Berlin finden im Durchschnitt über fünf Demonstrationen statt – pro Tag. In Frankfurt am Main sind es sicherlich weniger. Dafür steht dort die Europäische Zentralbank (EZB), was der Finanzmetropole schon mehrmals Proteste beschwert hat. Und deshalb wird dort heute unter dem Motto »Finger weg von unserem Bargeld« für eine neue Geldordnung demonstriert. Denn wer die Presse gut verfolgt hat, weiß: Es soll nicht nur der 500-Euro-Schein abgeschafft werden, sondern, so die Befürchtungen einiger ZeitgenossInnen, das Bargeld überhaupt. Im Aufruf für die heutige Kundgebung in Frankfurt am Main heißt es deshalb: »Wir rufen zur Verteidigung unseres Bargeldes und unserer Freiheit auf. Gegen Gängelung und Bevormundung von uns freien Bürgern!« Nicht ohne Grund wird in den letzten Wochen gerne der russische Schriftsteller Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821-1881) zitiert: »Geld ist geprägte Freiheit«. //→ Weiterlesen bei oxi-blog.

Die letzte Form der politischen Ökonomie: die Professoralform

»Die letzte Form [der politischen Ökonomie] ist die Professoralform, die ›historisch‹ zu Werke geht und mit weiser Mäßigung überall das ›Beste‹ zusammensucht, wobei es auf Widersprüche nicht ankommt, sondern auf Vollständigkeit. Es ist die Entgeistung aller Systeme, denen überall die Pointe abgebrochen wird, und die sich friedlich im Kollektaneenheft zusammenfinden. Die Hitze der Apologetik wird hier gemäßigt durch die Gelehrsamkeit, die wohlwollend auf die Übertreibungen der ökonomischen Denker herabsieht und sie nur als Kuriosa in ihrem mittelmäßigen Brei herumschwimmen läßt. Da derartige Arbeiten erst auftreten, sobald der Kreis der politischen Ökonomie als Wissenschaft sein Ende erreicht hat, ist es zugleich die Grabstätte dieser Wissenschaft.« (Karl Marx, MEW 26.3, 492)

Marx mich nicht voll. Der neue HKWM-Band bietet nur bedingt historisch-kritische Orientierung

Vor mehr als 20 Jahren erschien der erste Band des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM). Das erste Vorwort im ersten Band ist noch geprägt vom Ende des »Nominalsozialismus« (Agnoli) und dem sogenannten Ende der Geschichte. Es sei, so heißt es gleich auf der ersten Seite, hinsichtlich eines Vergleichs mit anderen Wörterbüchern, als spräche das HKWM »in ein gähnendes Schweigen hinein«. Seitdem hat sich einiges verändert. Der Stille folgte ein Gemurmel und das Bedürfnis vieler Linker, sich positiv auf »den« Marxismus zu beziehen. Angesichts der Krise 2008ff. wurde Marx wiederentdeckt, ebenso vom Feuilleton und damit auch so manches Ressentiment. Viele Jüngere haben es mitunter schwer, sich die Traditionslinien des Marxismus anzueignen, ohne sich an antikommunistischen Abziehbildchen abzuarbeiten. Orientierung könnte das Historisch-kritischen Wörterbuch (HKWM) bieten, von dem nun Band 8.I vorliegt.

Während im ersten Band die Grenzen noch recht eng gefasst scheinen, bleibt unklar, warum in den folgenden Bänden die Stichworte »Jeans« und »Klonen« oder »Lüge« und »Mafia« im aktuellen Band zu finden sind. Sicher, es sind durchaus interessante Texte, und sicher lässt sich auch mit einer an Marx orientierten Kritik zu vielem etwas sagen – nur warum muss das in ein Wörterbuch? (1) Vor diesem Hintergrund ist es schließlich verwunderlich, dass ein paar Begriffe fehlen, die man als Kopie etwa gerne in einem Kapital-Lektürekurs verteilen könnte. Etwa die Frage nach der »Grenznutzentheorie«, auch »Marginalismus« genannt (beide Begriffe fehlen). Die ist heute die vorherrschende Form der Erklärung von »Wert«, die Marx’ Ansatz fundamental widerspricht. Dass Marx, der diese Ansätze noch nicht kennen konnte, deren Vorläufer einfach als »Vulgärökonomie« links liegen ließ, macht die Sache nicht einfacher. Die Begriffe »Lohnform« und »Lumpenproletariat« im neuen Band (oder »Krisentheorie« im vorherigen) bieten hingegen eine sehr gute Orientierung für das marxsche Werk und die anschließenden Debatten bzw. dafür, welche unrühmliche Funktion Begriffe mitunter im Marxismus erfüllten (»Lumpenproletariat«). Continue reading “Marx mich nicht voll. Der neue HKWM-Band bietet nur bedingt historisch-kritische Orientierung”

Ellen Meiksins Wood ist tot. Marxistische Historikerin und Ex-Herausgeberin der »Monthly Review« im Alter von 73 Jahren gestorben

Sie war eine der wichtigsten englischsprachigen Marxistinnen: Ellen Meiksins Wood. Geboren 1942 in New York, studierte die Tocher lettischer Flüchtlinge Politikwissenschaften in Los Angeles, lehrte später in Toronto und publizierte in vielen linken Theoriezeitschriften. Ellen Meiksins Wood war Redaktionsmitglied der New Left Review, neben unter anderem Paul M. Sweezy Mitherausgeberin der »Monthly Review« und Autorin für das »Socialist Register« und »Against the Current«. Hierzulande sorgte sie unter anderem mit dem Buch »Demokratie contra Kapitalismus. Beiträge zur Erneuerung des historischen Materialismus« für Aufmerksamkeit. Zuletzt erschien von ihr auf Deutsch »Der Ursprung des Kapitalismus. Eine Spurensuche«. Continue reading “Ellen Meiksins Wood ist tot. Marxistische Historikerin und Ex-Herausgeberin der »Monthly Review« im Alter von 73 Jahren gestorben”

FAQ. Noch Fragen? Der Kampf gegen die Zeit des Kapitals

Menschen leben und überleben, indem sie füreinander da sind, mit- und füreinander arbeiten. Die Formen, wie Arbeitsteilung organisiert ist, sind sehr verschiedenartig. Nicht nur historisch, sondern auch unter den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen sind es recht unterschiedliche soziale Logiken, die da am Werke sind.

In der Wohngemeinschaft regelt die Putzuhr, wann wer was zu tun hat. Die patriarchal geprägten Geschlechterverhältnisse bestimmen, dass vor allem Frauen ihre Lebenszeit dem Haushalt opfern müssen. Damit überhaupt etwas gekocht werden kann, müssen Lebensmittel vorhanden sein. Die erhält man im Supermarkt gegen einen Teil des Lohns. Diesen bekommt man nur dann, wenn man einen Teil der eigenen Lebenszeit jemand anderem als Arbeitszeit zur Verfügung stellt. In einer von Herrschaft geprägten Gesellschaft verfügt man nur selten über die eigene Lebenszeit. Selbst dann, wenn man keine Arbeit hat: Das Arbeitsamt will nicht, dass man in Urlaub geht, man soll sich vielmehr »zur Verfügung« halten. Die sozialen Logiken, die über Teile unserer Lebenszeit verfügen, sind aber durchaus verschieden – und die Macht- und Herrschaftsverhältnisse in unterschiedlichen gesellschaftlichen Formen institutionalisiert: (Sozial-)Staat, Haushalt oder Kapital. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Der Kampf gegen die Zeit des Kapitals”

Der Gott der Waren. Die ökonomische Theorie und ihr Geld

PROKLA 179: Illusion und Macht des GeldesIn Krisensituationen wird der gesellschaftliche Umgang mit Geld‬ verstärkt zum Problem – und ein politisches prisantes Thema. So auch in den letzten Jahren. Das hat die PROKLA zu einem Schwerpunktheft zu Geld motiviert. Unbestritten spielt Geld eine zentrale Rolle, die kapitalistische Wirtschaft ist wesentlich Geldwirtschaft: Geld regiert die Welt. Aber hier beginnt bereits die Unübersichtlichkeit. Es herrschen sehr unterschiedliche Auffassungen davon, in welchem Sinne Geld relevant ist. Mein einführender Beitrag »Der Gott der Waren. Die ökonomische Theorie und ihr Geld« soll im ersten Teil einen Überblick über die großen Paradigmen der politischen Ökonomie geben – Neoklassik‬, Keynes‬ und Marx‬. In einem zweiten Teil werden drei relevante Problemfelder diskutiert (Inflation‬, Kredit‬, gegenwärtiges Geldsystem). Der Beitrag ist jetzt im Volltext online. Das Editorial und der Inhalt findet sich hier.

Dialektisch gegliedert: Karl Marx und seine kaum erreichte Weise, Das Kapital nie drucken zu lassen

Heute vor 150 Jahren, am 31.7.1865, schrieb Karl Marx einen seiner vielen Briefe an Friedrich Engels, in dem er nicht nur von seinen körperlichen Beschwerden und Geldnöten berichtete, sondern auch schrieb, wie es um Das Kapital steht:

Was nun meine Arbeit betrifft, so will ich Dir darüber reinen Wein einschenken. Es sind noch 3 Kapitel zu schreiben, um den theoretischen Teil (die 3 ersten Bücher) fertigzumachen. Dann ist noch das 4. Buch, das historisch-literarische, zu schreiben, was mir relativ der leichteste Teil ist, da alle Fragen in den 3 ersten Büchern gelöst sind, dies letzte also mehr Repetition in historischer Form ist.

marx-engelsDass Marx Engels »reinen Wein« einschenken will, zeigt, dass er es nicht immer tat – und Engels auch in den kommenden Jahren immer wieder vertröstete. Immer wieder ließ Marx Engels glauben, dass er de facto mit dem Kapital fertig sei. Das angedeutete vierte Buch ist nicht das, wie oft geglaubt wird, was als sogenannten Theorien über den Mehrwert bekannt ist (ab 1905 zu großen Teilen von Karl Kautsky herausgegeben), sondern ein Manuskript, das zwischen August 1861 und Juli 1863 entstand (und in der MEGA vollständig vorliegt). Marx setzte sich an dieses Manuskript, nachdem er sein erstes Heft Zur Kritik der politischen Ökonomie 1859 veröffentlicht hatte. Auch wenn das Manuskript 1861-1863 oft als Vorarbeit fürs Kapital bezeichnet wird (so auch die Bezeichnung der zweiten Abteilung der MEGA), so sprach Marx erst im Winter 1862 vom Kapital Buchprojekt als selbstständigem Werk. Nach 1859 wollte er zunächst weitere Hefte von Zur Kritik der politischen Ökonomie veröffentlichen, ließ den Plan aber fallen – den Auflösungsprozess des Vorhabens kann man in den Manuskripten 1861 bis 1863 nachvollziehen. Auch begrifflich, etwa anhand des »Kapitals im Allgemeinen«, eine Idee, die er fallen ließ. Das am 31. Juli 1865 angedeutete 4. Buch zur Geschichte der politischen Ökonomie ist das Manuskript 1861/1863 in jedem Fall nicht. Continue reading “Dialektisch gegliedert: Karl Marx und seine kaum erreichte Weise, Das Kapital nie drucken zu lassen”

Ein typischer Fall von Prokrastination: Vor 150 Jahre hielt Karl Marx einen Vortrag »Value, price and profit«

Vor genau 150 Jahren, am 27. Juni 1865, hielt Karl Marx den zweiten Teil eines Vortrags vor dem Provisorischen Zentralrat der Internationale Arbeiterassoziation (IAA), der später als Value, price and profit bekannt wurde. [1.]  Marx selbst hatte das Vortragsskript nicht veröffentlicht und es war auch nicht dafür vorgesehen. Vielmehr war es wirklich das Vortragsmanuskript, denn entgegen so manchen Mythen war Marx nämlich alles andere als ein guter Redner – er las ab. Die Blätter trugen keine Überschrift. Angefangen zu schreiben hatte Marx bereits im Mai. Der erste Teil des Vortrags (20.6.1865) arbeitete sich an John Weston ab, der zuvor ein Vortrag hielt. Von ihm ist wenig bekannt. Laut Thomas Kuczynski nicht einmal die Lebensdaten. Er war Gründungsmitglied der IAA, Arbeiter, »old Owenist« (Marx) und Aktivist, der auch nach 12 Stunden Arbeit für den Sozialismus agitierte. Bei der Spaltung der IAA 1872 folgte er nicht dem von Marx angeführten Flügel. Weston war also ein IAA-Genosse, dessen Thesen Marx so nicht stehen lassen wollte. Schließlich ging es um die politische Ausrichtung der IAA, die in diesen Jahren viele Grundsatzdebatten führte, etwa wie sich zu Gewerkschaften und ihren Kämpfen verhalten sollte. Continue reading “Ein typischer Fall von Prokrastination: Vor 150 Jahre hielt Karl Marx einen Vortrag »Value, price and profit«”

Das Geld, Gott der Waren. Zur Debatte über die Abschaffung des Bargeldes

Greece EuroDie Debatte über die Abschaffung des Bargeldes hat viele Leerstellen. Und Lehrstellen: Sie fördert das Kapitalismusverständnis – und befähigt zu Kritik an den Verhältnissen.

Um es kurz zu machen: Ja, es ist sinnvoll, Bargeld abzuschaffen. Schon aus hygienischen Gründen. Eine Untersuchung der New York University identifizierte etwa 3000 Bakterientypen allein auf einem US-Dollar-Schein – nur 20 Prozent der nichtmenschlichen DNA konnten genauer bestimmt werden. Und natürlich hat man auch Kokain gefunden.

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PROKLA 179 zur Illusion und Macht des Geldes erschienen

Endlich ist die neue PROKLA erschienen. Thema: Illusion und Macht des Geldes. Auch ich habe einen Beitrag zum Gott der Waren beigetragen – Geld.

Das Editorial findet ihr hier.

Der Beitrag von Martin Konecny zu Syriza unter Druck und den den strategischen Perspektiven des linken Regierungsprojekts in Griechenland ist online.

Der Inhalt des ganzen Heftes sieht aus wie folgt.

Formative Phase: zum neuesten MEGA-Band und die »Manchester Hefte«

Was während des Aufenthalts in Manchester entstand, waren neun Exzerpthefte.

Vor ziemlich genau 150 Jahren, um den 23. März 1865 herum, bekam Karl Marx Post aus Deutschland. Der Philosoph und Ökonom lebte da bereits seit 15 Jahren in London. Mit dem Schreiben des Otto-Meißner-Verlags kamen auch die Vertragsunterlagen für ein Buch, das später zu einem der weltbekanntesten werden sollte: »Das Kapital«. Ein Erscheinen war für den Herbst 1867 geplant.

Etwa 20 Jahre vor diesem einschneidenden Ereignis betrat Marx das erste Mal englischen Boden. Eine Studienreise führte ihn zusammen mit seinem Freund Friedrich Engels nach Manchester, wo Engels schon einige Zeit verbracht hatte. Beide planten die Herausgabe einer »Bibliothek der vorzüglichsten sozialistischen Schriftsteller des Auslandes« und wollten hierfür Material sichten. Marx plante zudem eine Schrift, die nie erschien: »Zur Kritik der Politik und Nationalökonomie«.

Was während des Aufenthalts in Manchester entstand, waren jedoch neun Exzerpthefte. Vier der sogenannten Manchester-Hefte sind jetzt in der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) erschienen (die Hefte 1 bis 5 bereits 1988) – sie markieren einen Übergang in Marx’ Arbeit und Selbstverständnis. Die Herausgeber des neuen MEGA-Bandes bezeichnen die Zeit ab 1845 deshalb auch als »formative Phase«: »Marx begibt sich in dieser Phase ganz bewusst auf das Feld der politischen Ökonomie und damit auf die Ebene eines Wissenstyps, der gerade erst seine Formierung und Kanonisierung abgeschlossen hat und maßgeblich das Gesellschaftsdenken des 19. Jahrhunderts prägen wird.« Der Untertitel des Kapitals wird nicht ohne Grund »Kritik der politischen Ökonomie« sein.

1845 rechneten Marx und Engels mit ihrem »philosophischen Gewissen« ab, wie Marx es selbst formulierte. Marx lässt ein bestimmtes theoretisches Selbstverständnis hinter sich, wendet sich zunehmend der Ökonomiekritik zu – und auch das »Proletariat« ist nicht mehr einfach ein philosophischer Begriff, sondern eine reale, soziale Größe, die wirkliche Assoziation der kämpfenden Arbeiterklasse. »Man muss die ›Philosophie beiseite liegen lassen‹«, schrieben Marx und Engels in der »Deutschen Ideologie«, die fast zeitgleich entstand. Beide sind geradezu berauscht von der gesellschaftlichen Realität und der Empirie, von realen Auseinandersetzungen und der Materialität gesellschaftlicher Praxis – und »der Produktion« im umfassenden Sinn. Etwas, was 1845 in Manchester auch außerhalb der Studierstube zu erfahren war. Manchester war eines der industriellen Zentren der Welt. Aber nicht nur deshalb gingen die beiden Revolutionäre nach Manchester und nicht etwa nach London. Die englische Weltmetropole hatte zwar ungleich mehr Literatur zu bieten, aber ein Bibliotheksbesuch hätte nicht nur Geld gekostet, sondern er war zudem alles andere als einfach: Man brauchte eine persönliche Empfehlung, um überhaupt eine Besucherkarte zu bekommen. In Manchester kannte sich Engels zudem gut in den Bibliotheken aus, Bücher waren einfach auszuleihen und auch Genossen im Vorort hatten Material, das man sichten konnte. Continue reading “Formative Phase: zum neuesten MEGA-Band und die »Manchester Hefte«”