Ist die aktuelle Krise wirklich schon “Schnee von gestern”? Hat der Staat seine Mission als “Retter in der Not” erfüllt? Werden die Strukturprobleme der Weltwirtschaft in Zukunft noch zunehmen? Drei PROKLA-AutorInnen diskutieren aus verschiedenen Perspektiven über Politik und Ökonomie in der aktuellen Krise. Stefan Schmalz (Autor PROKLA, Universität Kassel) Ingo Stützle (Autor PROKLA, Redakteur der Zeitschrift ak – analyse & kritik) Christina Kaindl (Autorin PROKLA, Redakteurin der Zeitschrift Luxemburg) Moderation: Dorothea Schmidt (Redakteurin PROKLA) Es kommentiert: Katja Kipping (MdB und Vizevorsitzende der Partei Die LINKE) ORT UND ZEIT: 9. FEBRUAR, 18.30 UHR Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Sozialwissenschaften EG, Raum 002/003...
To be or not to be a Keynesian – ist das die Frage?
Vor wenigen Tagen ist die neue Prokla erschienen, die Nummer 157 mit dem schönen Titel: Der blutige Ernst: Krise und Politik. In einem Artikel setze ich mich mit Keynes und keynesianistischen Reformperspektiven auseinander – kritisch. Mit der Krise wurden auch die passenden Theorien an die Oberfläche des wirtschaftspolitischen Diskurses gespült. Während Karl Marx ein Platz im Feuilleton zukam, wurde John Maynard Keynes etwas ernster genommen. Dessen Anziehungskraft wirkte jedoch nicht ungebrochen. Ganz im Gegenteil: Die durch die Krise erzwungenen staatlichen Feuerwehreinsätze sorgte bei vielen Apologeten freier Märkte für Unbehagen – schon früh wurde vor staatlicher Überregulierung gewarnt (vgl. Plickert 2008). Keynes‘ Theorie wurde so zu einem zentralen Feld der...
Aufgeblättert: Stefan Frank: Die Weltver-nichtungsmaschine. Vom Kreditboom zur Wirtschaftskrise
Wenn die FAZ einen Autor zu einem der “klügsten Mitarbeiter” der “linkradikalen Zeitschrift konkret” kürt und zugleich dessen Buch mit einer “Artikelserie aus einer ordoliberalen Wirtschaftszeitung” vergleicht, dann sollte das doch sehr verwundern. Ebenso verwundern könnte es, dass ein Linksradikaler ein Buch über die Wirtschaftskrise zu schreiben im Stande ist, ohne auch nur einmal Karl Marx zu erwähnen oder Das Kapital zu zitieren. Stefan Frank schafft es, was zugleich eine Teilantwort auf den von der FAZ formulierten Widerspruch liefert. Das knapp 200 Seiten starke Buch “Die Weltvernichtungsmaschine” leiht seinen Titel aus Stanley Kubricks Film »Dr. Seltsam oder wie ich lernte die Bombe zu lieben«. Stefan Frank sieht in der...
Keynes vor seinen Liebhabern schützen
Seit Wochen wird Keynes gewürdigt und diskutiert – mehr unwillig als interessiert. Oft wird nicht verstanden, was das eigentlich Radikale an seiner Theorie ist. Keynes steht im Alltagsverstand für Schulden finanzierte Staatsausgaben und niedrige Zinsen. Selbst die FAZ wird ab heute regelmäßig Teile seiner BBC-Ansprachen als Fortsetzungsroman [sic!] bringen – im Feuilleton versteht sich. Da kann er seine Geschichten zum Besten geben. Im Wirtschaftsteil werden dann die “hard facts” verhandelt. Da kommt man schon in die Versuchung, Keynes vor seinen eigenen Liebhabern schützen zu wollen.
Der Zeitgeist des Paul Krugman
Mit der Finanzkrise ist Marx und Keynes wieder in aller Munde. Auch wenn das Wirtschaftswachstum den Rückwärtsgang eingelegt hat, scheint es für die Linke in die entgegengesetzte Richtung zu gehen: nach Vorne. Wer ein bisschen aufmerksam ist, wird merken, dass dem ganz und gar nicht so ist. Auch wirtschaftstheoretisch ist mehr als Skepsis angesagt – zumal ein neoklassich fundierter Neu-Keynesianismus schon seit Jahren im akademischen Betrieb Fuß gefasst hat. Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises von 2008, Paul Krugman, wird schon seit einiger Zeit als neuer Keynes gefeiert. Eine ersthafte Auseinandersetzung mit Keynes sucht man in Krugmans neuester Arbeit jedoch vergeblich. Dafür eine klare Position hinsichtlich der einen oder anderen Form von Kapitalismuskritik: “Freilich...
Ist der Kapitalismus in einer Formkrise?
Vergleiche werden gern gezogen. Sie können Einschätzungen erleichtern – aber auch den Blick verstellen. Auch die Finanzkrise wird gegenwärtig gern mit 1929 verglichen. Weniger mit der letzten großen Krise ab Mitte der 1970er Jahre. Es sei mal dahingestellt, welcher Vergleich eher trägt und was derartige Vergleiche bringen. Setzten wir einmal voraus, wofür vieles spricht, dass wir es in jedem Fall mit einer Krise von ähnlichem Ausmaß zu tun haben. Welche Konsequenzen hat dies für die gesellschaftliche Verarbeitung der Krise? Hier kann Elmar Altvaters Unterscheidung von großer und kleiner Krise weiterhelfen (1).
Schulden bremsen?
Da muss die politische Klasse das machen, was sie seit Jahren eigentlich hoch und heilig versprochen hat gerade nicht mehr zu tun – Schulden machen – und schon greift sie in ihrer grenzenlosen politischen Phantasie zu etwas, was wirklich keiner von ihnen gedacht hätte: Sie wollen ein Gesetz! Ein Gesetz gegen zügellose Verschuldung! Ganz großes Kino. Die sog. Schuldenbremse wurde schon vor dem Zugeständnis Steinbrücks diskutiert, dass die Krise auch Deutschland erreicht hätte. Davor hatte der wirklich sehr weitsichtige Finanzminister ja noch daran festgehalten, dass die USA das Epizentrum der Krise sei, ihre Suppe selbst auslöffeln solle und Deutschland ganz gut da stehe. Na ja, aber wo das Vertrauen in die Politik schwinden, weil morgen dies, morgen mal das behauptet wird, da muss eben...
Sozialismus droht nicht. Vordenker? Der Streit um Keynes geht an der Sache und seiner Theorie vorbei
In Zeiten von Finanzkrise, Konjunkturabschwung und drohender Rezession wird der Ruf nach staatlicher Intervention lauter. In der Linken wird derweil über Chancen und Grenzen einer Wirtschaftspolitik in Anlehnung an John M. Keynes diskutiert. Bisher traten Robert Kurz (Freitag 35/08 sowie 38/08r) und Albrecht Müller (Freitag 37/08) zur Debatte an. Er sitze gerade an einem Buch, schrieb John Maynard Keynes 1935 an den Schriftsteller George B. Shaw, das einmal die Art revolutionieren werde, in welcher über ökonomische Probleme gedacht wird. Keynes sollte Recht behalten. Zurzeit erlebt er eine Renaissance und es wird viel über seine Thesen gestritten – vor allem in der Linken. Für die einen ist der britische Ökonom an der Wirklichkeit des globalisierten Kapitalismus gescheitert; für die...
Staatsverschuldung als Kategorie der Kritik der politischen Ökonomie. Eine Forschungsnotiz. Von Ingo Stützle
Eines der gängigen Ressentiments gegenüber alternativer Wirtschaftspolitik ist die spöttische Frage nach deren Finanzierbarkeit. Darauf wird zumeist erwidert, dass dieses Problem auch eine Verteilungsdimension besitze. Die Entgegnung ist sicherlich richtig, doch sollte nicht aus dem Blick geraten, in welcher vorherrschenden Form Reichtum produziert wird und was die öffentlichen Finanzen als spezifische Form kapitalistischer Vergesellschaftung überhaupt ausmacht. Warum nimmt das ‚ökonomische Dasein’ (Marx) des Staates die Form des Steuerstaates an? Welche Reproduktionsbedingungen bringt diese Form für das Kapitalverhältnis mit sich? – Diese und ähnliche Fragen werden und wurden in den Debatten im Anschluss an Marxens Werttheorie kaum gestellt. [1] Die Staatsfinanzen auch als Gegenstand der...
Eine Torte für Keynes. Keynes’ 125. Geburtstag und wie der Ökonom in der LINKEN (nicht) diskutiert wird
Anfang 1935 schrieb John M. Keynes an den Schriftsteller George B. Shaw, dass er gerade an einem Buch über eine ökonomische Theorie sitze, die vielleicht nicht sofort, aber doch in den kommenden Jahrzehnten die Art und Weise, in welcher über ökonomische Probleme gedacht wird, revolutionieren werde. Er sollte Recht behalten. Wahrscheinlich ist es zu voreilig, gegenwärtig von einer Krise der Neoklassik zu sprechen. Aber von einer Legitimationskrise des Neoliberalismus, in den zentrale Vorstellungen der Neoklassik eingeschrieben sind, ist allemal auszugehen. Nicht nur nach der Forderung einiger IWF-Ökonomen nach einer aktiveren Finanzpolitik fiel der Name Keynes immer häufiger. Als Antwort auf die vom US-amerikanischen Häusermarkt ausgehende Finanzkrise legte der Bundestagsabgeordnete Axel...