TagFundstücke

Paul Mattick, das marxsche Kapital und die Arbeitslosenbewegung von Chicago

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»An Marx interessiert mich wirklich nur dieser eine Gedanke, die Entdeckung der immanenten Widersprüche im kapitalistischen Produktionssystem.« (Paul Mattick) Der 1904 geborene Paul Mattick emigrierte 1926 in die USA. Ihm verhalf damals der Kölner Bürgermeister zum nötigen Kleingeld, Deutschland zu verlassen – Konrad Adenauer. Mattick rechnete dem Bürgermeister vor, dass die zukünftige finanzielle Unterstützung mehr Kosten verursachen würde, als das Geld, das er für die Ausreise brauche. Das leuchtete Adenauer ein und sorgte umgehend für eine unbürokratische Lösung. Das ist nur eine von vielen Anekdoten, die Michael Buckmiller dem Rätekommunisten Mattick im Sommer 1976 in einem dreitägigen Gespräch entlockte. Das Interview ist nun zusammen mit literarischen Texten von Paul Mattick...

Gramsci lesen

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Diese Woche hat in Berlin der Gramsci-Lesekurs begonnen. Pünktlich ist auch ein Gramsci-Reader erschienen, der einen guten Einstieg in die Gefängnishefte bietet. Obwohl ich das Buch lobe, muss ich es noch nicht in der Hand gehabt haben. Das habe ich bei Gramsci gelernt, der gleich im ersten Heft (§6) seiner Gefängnishefte zustimmend Antoine de Rivarol zitiert: »Um ein Buch zu loben, ist es keineswegs nötig, es zu öffnen; aber wenn man beschlossen hat, es zu kritisieren, ist es immer klug, es zu lesen. Wenigstens solange der Autor am Leben ist.« Anton Tanter hat eine andere schöne Passage entdeckt, in der sich Gramsci (Heft 8, §57, §60, Seite 977f.) über das Rezensieren äußert: Als einzelner kann keiner die ganze über eine Gruppe von Themen veröffentlichte Literatur verfolgen, ja nicht...

Das »ökonomische Niveau von Dampflokomotiven«, Konsolenspielen und Apps

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Sabine Nuss und ich antworteten vor ein paar Wochen auf einen nd-Beitrag von Manfred Sohn, in welchem er die Produktivkraftentwicklung der elektronischen Datenverarbeitung und Kommunikationstechnologie als endgültige Krisenursache für den Kapitalismus festmacht: Das lächerliche Handygebimmel hat weder akustisch noch ökonomisch das Niveau von Dampflokomotiven, Strommasten oder dem Model T Jenseits der theoretischen Kritik, die wir in unserem Artikel skizziert haben (und Sabine auch in ihrem Buch Copyright & Copyriot ausgeführt hat), sind mir in den letzten Tagen zwei Zahlen untergekommen, die sehr deutlich zeigen, dass in Sachen Profit in der informationellen Industrie viel Luft nach oben ist: Der Studie der Association for Competitive Technology zufolge sind allein in der sog. App...

Kontrollbehörde

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»Erlauben Sie, Herr Vorsteher, daß ich Sie mit einer Frage unterbreche«, sagte K., »erwähnten Sie nicht früher einmal eine Kontrollbehörde? Die Wirtschaft ist ja nach Ihrer Darstellung eine derartige, daß einem bei der Vorstellung, die Kontrolle könnte ausbleiben, übel wird.« »Sie sind sehr streng«, sagte der Vorsteher. »Aber vertausendfachen Sie Ihre Strenge, und sie wird noch immer nichts sein, verglichen mit der Strenge, welche die Behörde gegen sich selbst anwendet. Nur ein völlig Fremder kann Ihre Frage stellen. Ob es Kontrollbehörden gibt? Es gibt nur Kontrollbehörden. Freilich, sie sind nicht dazu bestimmt, Fehler im groben Wortsinn herauszufinden, denn Fehler kommen ja nicht vor, und selbst, wenn einmal ein Fehler vorkommt, wie in Ihrem Fall, wer darf denn endgültig sagen, daß es...

Handreichung zum Klassenkampf: Was Steuersünder bedenken sollten

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 Eines muss man Zeitungen wie FTD oder FAZ einfach lassen. Sie haben ein wirklich gutes Gespür, was ihr Klientel lesen will. In Fernsehzeitschriften ist das Fernsehprogramm zu finden, in der C’t das Neuste aus der Computerwelt und in der FTD und der FAZ eben eine Handreichung für den ganz normalen bourgeoisen Steuersünder. Das war 2008 nicht anders als 2010 und mit dem jüngsten Aufkauf einer Steuer-CD in NRW war die Veröffentlich entsprechender Artikel abzusehen: »Was Steuersünder bedenken sollten« titelt heute die FTD und weiß: »Über das Privileg der Selbstanzeige können Anleger mit illegalen Konten im Ausland noch schnell eine Bestrafung vermeiden … Die FTD sagt, worauf es bei einer Selbstanzeige ankommt.«

Foto: CC-Lizenz, hddod

Apropos Urlaub

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»Kommen Angestellte aus dem Urlaub zurück, ohne die obligate Farbe sich erworben zu haben, so dürfen sie dessen versichert sein, daß Kollegen spitz fragen: »Sind Sie denn gar nicht in Urlaub gewesen?« Der Fetischismus, der in der Freizeit gedeiht, unterliegt zusätzlicher sozialer Kontrolle.« (Adorno, Freizeit, GS 10.2, S. 649)

Libero Zufall

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Heute beginnt die Fußballeuropameisterschaft der Männer. Vor ein paar Jahren konnte Paul Orientierung geben, inzwischen die ökonomische Zunft, die, als hätte sie aus einer der tiefsten Krisen des Kapitalismus gelernt, Folgendes zu bedenken gibt:
Beim Fußball im Allgemeinen und bei einem Turnier wie der Europameisterschaft im Besonderen sei nämlich die Bedeutung des Zufalls nicht zu unterschätzen
So WissenschaftlerInnen von der FU Berlin und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Pressemitteilung zu einer Studie zum Ausgang des Turniers.

Die Sache mit den blauen Bänden

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Wer dieser Tage bei der Lidl-Werbung genau hinguckte, stellte fest: Neben einem feilgebotenem Chefsessel und Eckschreibtisch standen in idealen Arbeitsräumen einige Ausgaben der Marx-Engels-Werke im Regal. Zufall? Der für Lohndumping bekannte Discounter scheint öffentlich eine materialistische Erklärung für die Produktions- und Arbeitsbedingungen anzubieten, mit denen er Profit erzielt. Christian Semler hat in der taz den Werbeprospekt aufgespießt.

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