Hast Du mal ’nen Eurobond? In der Debatte über das Für und Wider werden zentrale Fragen nicht gestellt

Eurobonds sind Anleihen, die von den Euro-Staaten gemeinsam herausgegeben werden. Eine Anleihe ist ein festverzinsliches Wertpapier und die wichtigste Form, wie sich Staaten auf den Finanzmärkten Kredit nehmen. Ziel von Eurobonds ist deshalb zum einen, dass Länder wie Griechenland überhaupt wieder Geld auf den Finanzmärkten bekommen und nicht mehr von Hilfskrediten von EZB, Euro-Staaten oder IWF abhängig sind. Zum anderen sollen die Gemeinschaftsanleihen helfen, die Zinsen zu senken. Weil nicht mehr ein Land für Zins und Tilgung geradesteht, müsste z.B. Griechenland keinen horrenden Risikoaufschlag bezahlen. Continue reading “Hast Du mal ’nen Eurobond? In der Debatte über das Für und Wider werden zentrale Fragen nicht gestellt”

The EU After the Euro Crisis. From the Death of Neoliberalism to Authoritarian Stabilization

For many leftists, the most recent global economic crisis brought with it a certain gratification. Even if emancipatory forces were not able to effect much in the last few years, one thing remained certain: we were right! However, it soon became evident that an economic crisis does not necessarily imply a political crisis. Slavoj Žižek hit the nail on the head in an interview: „Authoritarian capitalism is the victor in this crisis.” (www.zeit.de, August 25th, 2011) That was particularly evident in the EU. Continue reading “The EU After the Euro Crisis. From the Death of Neoliberalism to Authoritarian Stabilization”

Der vorsichtige Hinweis auf das no-bail-out-Gebot löste Heiterkeit aus

Der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser berichtete letztes Jahr von der Konferenz Euromoney 2009 mit dem Titel “Building a new financial architecture”:

Als die europäischen Staats- und Regierungschefs am 7. Mai 2010 ihr „Rettungspaket“ für die überschuldeten Länder im Süden der Euro-Zone schnürten, schienen sie von der Entwicklung überrascht. Glaubwürdig ist dies nicht, war doch die Problematik längst bekannt und wurde im kleinen Kreis der Banker und Finanzpolitiker offen diskutiert. So trafen sich die wichtigsten deutschen Anleger „under the auspices of the German Finance Ministry“ schon ein Jahr zuvor im Berliner Hotel Adlon, um das Risiko auszuloten. Man war sich rasch einig: Gerade weil Staatsbankrotte drohten, sei die Anlage in gefährdete Staatspapiere hoch rentabel, könne man sich doch auf ein bail out der EU – also ein Einspringen der Staatengemeinschaft – verlassen.

Weiter heißt es in einer Fußnote:

Das Panel „German fixed income investors in unchartered territory: a road map“ etwa war einhellig der Meinung, dass sich der Kauf maroder Staatspapiere auf jeden Fall lohne, weil im Ernstfall die EU intervenieren würde. Der vorsichtige Hinweis des Verfassers auf das no-bail-out-Gebot der Verträge löste unter den Panelisten (MEAG Munich Ergo, Lupus alpha, DWS Investments und McKinsey & Company) Heiterkeit aus.

Schuldenkrise: Eine Verteilungs- und Machtfrage

Leider keine ›von unten‹ formulierte Feststellung:

»Nachdem die Zuwächse des Sozialprodukts während der vergangenen dreißig Jahre vornehmlich den oberen Bevölkerungsschichten zugutekamen, stellt sich in der Schuldenkrise die Frage, ob und mit welchen Mitteln die Wohlhabenden versuchen werden, ihre Position auch um den Preis einer massiven sozialen und politischen Krise zu verteidigen.« (FAZ, 20.8.11)

Downgrade!!! Macht und Ohnmacht der Rating-Agenturen

«Europa darf sich den Euro nicht von drei US-Privatunternehmen kaputtmachen lassen» wetterte die EU-Justizkommissarin Viviane Reding Mitte Juli 2011 gegen die Rating-Agenturen. Auch  Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte Anfang Juli gegen die Rating-Agenturen mobil: «Wir müssen den Einfluss der Ratingagenturen begrenzen.» Immer wieder scheinen sie alle Versuche von Europäischer Union, IWF und den betroffenen Staaten zunichte zu machen, die Schuldenkrise zu überwinden und den Euro zu stabilisieren. Bei genauerer Betrachtung sind Rating-Agenturen aber vor allem eine beliebte Projektionsfläche. Sie sind weder derart mächtig, wie oft unterstellt wird, noch sind die Staaten einfach «Opfer» der Agentur-Ratings. Vielmehr war es die Politik selbst, die die Rating-Agenturen zum Teil des institutionellen Arrangements des Finanzmarkt-Kapitalismus gemacht hat. >>> Weiterlesen in Standpunkte 26/2011 [pdf-Datei]

Rating-Agenturen: Guter Rat ist teuer

„Europa darf sich den Euro nicht von drei US-Privatunternehmen kaputtmachen lassen“, wetterte die EU-Justizkommissarin Viviane Reding Mitte Juli gegen die Rating-Agenturen (RA) Standard -amp; Poor’s, Moody’s und Fitch. Immer wieder schienen „die großen Drei“ alle Versuche von EU/IWF und den betroffenen Staaten zunichte zu machen, die Schuldenkrise zu überwinden und den Euro zu stabilisieren.

RA geben anhand eines abgestuften Benotungssystems eine Bewertung, ein Rating ab. Sie benoten damit die Kreditwürdigkeit von Schuldnern, die Anleihen auf den Finanzmärkten platzieren wollen. Dazu gehören vor allem Staaten und große Unternehmen. Grundlage für die Bewertung sind Analysen entlang Kriterien wie Marktposition, Finanz- und Ertragslage, Eigenkapital, Zahlungsverhalten etc Continue reading “Rating-Agenturen: Guter Rat ist teuer”

Wie Deutschland von Griechenlands Krise profitiert

Anfang April 2011 legten Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz eine Studie zu Bild vor. In dieser analysierten die MedienwissenschaftlerInnen die Bild-Serie “Geheimakte Griechenland” und kamen dabei zu dem Schluss, dass Bild mit (rassistischen) Stereotypen und Weltbildern arbeitet. Die Serie ließe alle journalistischen Standards vermissen; Bild übernehme immer wieder “die Rolle einer rechtspopulistischen Partei, die im deutschen Politikbetrieb fehlt”. (www.bild-studie.de) Harte Vorwürfe, aber “das System” Bild funktioniert. Einen knappen Monat später bediente Bundeskanzlerin Merkel das rassistische Bild vom “faulen Griechen”: Wer deutsche Hilfe wolle, solle gefälligst arbeiten und nicht früher in Rente gehen oder ständig in Urlaub fahren. Continue reading “Wie Deutschland von Griechenlands Krise profitiert”

Handreichungen zum Klassenkampf: Umschuldung für Griechenland

Griechenland schafft es nicht aus den Schlagzeilen. Nicht ohne Grund, denn das Land befindet sich in einem Teufelskreis: Nach Abwertung der Bonität durch Rating-Agenturen und als Gegenleistung für Kredite wurden Griechenland von EU und IWF Sparprogramme auferlegt. Weil damit ein Einbruch der Wirtschaftsleistung zu erwarten ist, kamen weitere Abstufungen – bleibt das Wirtschaftwachstum aus, dann sinken die Steuereinnahmen, und das minimiert die Kreditwürdigkeit Griechenlands weiter.

Unter der Voraussetzung, dass IWF und EU Griechenland weiterhin Kredit gewähren, würde die Zinslast im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 9 Prozent jährlich liegen; 27 Prozent aller Einnahmen aus den direkten und indirekten Steuern (inkl. Sozialversicherungsbeiträge) müssten in den Schuldendienst fließen. Zum Vergleich: In den letzten 30 Jahren verwendeten die Euro-Länder dafür im Durchschnitt 3,4 bzw. 9,5 Prozent. Selbst unter der Voraussetzung einer leicht verbesserten Wirtschaftsleistung wird Griechenland bei den aktuellen Zinssätzen auf mittlere Frist die Schuldenlast nicht schultern können.

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Aufgeblättert: David McNally – Global Slump: The Economics and Politics of Crisis and Resistance

Endlich ist das neue Buch von David McNally lieferbar: »Global Slump: The Economics and Politics of Crisis and Resistance«.

Auf Deutsch wurde 2008/2009 ein Vortrag in zwei Teilen in der Zeitschrift Das Argument abgedruckt. [1. McNally, David (2008): Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise, 1. Teil, in: Das Argumen 279, 50.Jg., 796-804; sowie: Ders. (2009): Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise, 2. Teil, in: Das Argument 281, 51.Jg., H.3, 471-478.]

Mit Equal Time sprach er über sein neues Buch, die Auswirkungen der Krise und von der Notwendigkeit von Antirassismus und sozialer Gegenmacht.

http://equaltimeradio.com/?q=audio/download/312/1.18.11McNally.mp3

Anmerkung:

Vermögensentwicklung, Staatsverschuldung und Umverteilung

Berlin-Höllenberg brennt! Vermummte Jugendliche bedrohen Familien und prügeln auf PassantInnen ein. Es herrscht ein Krieg zwischen den Generationen. Anfang Januar strahlte das ZDF zur besten Sendezeit den Doku-Fiction-Fernsehfilm »Aufstand der Jungen« aus. Im Jahr 2030 rebelliert die Jugend gegen die Generationenungerechtigkeit: Immer weniger junge Menschen arbeiten für mehr und älter werdende RentnerInnen, deren Versorgung und den staatlichen Schuldendienst. In der Presse wurde zwar problematisiert, ob dies ein realistisches Szenario ist. Aber nicht nach der sozialen bzw. Klassendimension des Konflikts wurde dabei gefragt, sondern ob sich der Staat tatsächlich zu Lasten zukünftiger Generationen verschuldet.

Nein, tut er nicht. Alle anderen Behauptungen sind blanker Nonsens. Es findet keine Umverteilung zwischen, sondern innerhalb der Generationen statt. Und zwar – wer hätte es geahnt – eine Umverteilung von unten nach oben. Die in der Zukunft anfallenden Zins- und Tilgungszahlungen werden ja an irgendjemanden ausgeschüttet. Das bedeutet: Nicht nur die Verpflichtungen, sondern auch die Ansprüche werden »vererbt«. Es ist deshalb viel relevanter zu analysieren, wer aufgrund des Besitzes von Staatsschuldtiteln Zinsen kassiert und wer in Form von Steuern die Zinszahlungen des Staates finanziert.

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Aufgeblättert: Griechenland, die Krise und der Euro

Andreas Wehr ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der linken Fraktion GUE/NGL im Europäischen Parlament und Koordinator für Wirtschaft und Währung. Der Euro, die europäische Währung, geriet 2010 unter Druck. Sinnbildlich dafür steht die Finanzkrise Griechenlands, der sich Wehr in seinem neuen Buch widmet. Verantwortlich für die Euro-Krise ist nicht zuletzt Deutschlands exportorientiertes Wirtschaftsmodell. Wehr weist zu Recht auf die andere Seite der Medaille hin: Deutsche Banken kauften im Gegenzug zu den exportierten Waren Finanzschrott aus den USA. Auch wenn Wehrs Rückgriff auf die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus problematisch ist, liegt er mit seinem Punkt richtig: Die Finanzblase, die 2008 platzte, ist zwar in den USA gewachsen, war aber nur aufgrund der bekannten Praxis deutscher Geschäfts- und Landesbanken möglich. Die Folgen sind bekannt: Die Finanzkrise stürzte die EU und auch den Euro in eine tiefe Krise. Wehr stellt kurz die Finanzkrisen in Lettland, Island, Spanien dar und diskutiert ausführlicher den “Fall Griechenland”. Er beschreibt auch die disziplinierende Politik von IWF und EU und zeigt den eigentlichen Grund der Finanzkrise 2.0: Europäische Banken haben nicht nur in den US-Immobilienmarkt investiert, sondern auch die europäischen Staaten mit Krediten versorgt. Der Rettungsschirm und die Hilfen für Griechenland zielten vor allem auf die Rettung der Vermögen großer europäischer Banken. Dass es mit der internationalen Solidarität nicht weit her ist, zeigt Wehr anhand der Diskussionen in Deutschland. Die rassistische Hetze gegen “die Griechen” spiegelt sich in einer zunehmenden Abkehr der deutschen ökonomischen und politischen Elite von Europa: “Ein bedingungsloses Ja zu Europa ist nicht länger Staatsräson.” Insgesamt ein lesenswertes Buch zum Euro-Krisenjahr 2010 und sicherlich auch 2011 nicht überholt.

Ingo Stützle

Andreas Wehr: Griechenland, die Krise und der Euro. Papyrossa Verlag, Köln 2010. 154 Seiten, 12,90 EUR

Erschienen in:  ak – analyse & kritik. zeitung für linke debatte und praxis, Nr. 557 vom 21.1.2011

Siehe auch die Debatte zwischen Andreas Wehr und Alexis Passadakis im Neuen Deutschland zur Streitfrage: Braucht Euro-Land eine Wirtschaftsregierung?

Satellitenseminar mit Thomas Sablowski: Kein Wunder, die Krise! Wieso die Stabilität kapitalistischer Produktionsweise erklärungsbedürftig ist

Marx spürt bereits ab den ersten Seiten des Kapitals krisenhaften Momenten der kapitalistischen Produktionsweise nach. Ohne Krise sei diese nicht denkbar, so Marx. Auch deshalb ist die Marx’sche Theorie vor dem Hintergrund der Krise der Weltwirtschaft wieder interessant geworden. Aber ganz so einfach wie Marx in den Feuilletons diskutiert wird, ist es nicht. Welche unterschiedlichen krisentheoretischen Ansätze gibt es bei Marx? Welche Rolle spielen hierbei der Kredit und das fiktive Kapital? Ging Marx von einem Zusammenbruch des Kapitalismus aus? Thomas Sablowski wird in seinem Vortrag die krisentheoretischen Implikationen von Marx’ Kritik der politischen Ökonomie vorstellen und diskutieren.

Termin: 13. Dezember 2010, 19.30 Uhr

Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Seminarraum 2, 1. OG

Bitte anmelden unter: valeanto {ät} das-kapital-lesen.de

Siehe auch: www.das-kapital-lesen.de

Im Februar 2011 beginnen auch die neuen Lektüre-Kurse

Aufgeblättert: Geld und Kapitalismus

bubble-economy
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Lucas Zeise ist Mitgründer der Financial Times Deutschland und dort bis heute ein origineller Kopf, der nicht so recht in die blassrosa Apologetik des Kapitalismus passt. Bereits zum Ausbruch der Krise veröffentlichte er bei Papyrossa ein lesenswertes Buch zum Ende der Party des Finanzmarktkapitalismus. (siehe ak 533) Leider reicht sein neues Buch nicht an die inzwischen in zweiter Auflage erschienene Krisenanalyse heran. Die knapp 200 Seiten lesen sich so, als hätte sich der Autor ins stille Kämmerchen zurückgezogen und sich mit kapitalismustheoretischen Grundlagen beschäftigt. Auf 50 Seiten versucht er, mit Marx dem Geld auf die Schliche zu kommen und verfehlt dessen wichtigsten Punkt: dass das Geld für eine warenproduzierende Gesellschaft notwendig ist, weil sich nur mit einem allgemeinen Äquivalent die Waren als Werte aufeinander beziehen lassen. Auch geht bei Zeise die Unterscheidung von Geld und Kapital verloren. Das zeigt sich in den Kapiteln zu Finanzprodukten, die eben keine Varianten des Geldes sind, sondern fiktives Kapital. Diesen Begriff nennt er zwar, macht ihn aber nicht für das Verständnis der “Verrücktheit” des Finanzkapitals fruchtbar. Für diejenigen, die schon immer wissen wollten, wie die Zentralbanken mit den Geschäftsbanken interagieren und was die Basel-Abkommen sollen, ist das knapp 30-seitige 6. Kapitel durchaus erhellend. Aber leider bleibt Zeise auch da schwach, wo er eigentlich stark ist: in der Ausleuchtung konkreter politischer und ökonomischer Widersprüche, die etwa die zweite Hälfte des Buches ausmachen. Seine vorangestellte These, die er am Schluss nochmals unterstreicht, dass der Neoliberalismus am Ende sei, kann er in keiner Weise unterfüttern. Immerhin deutet der Buchtitel an, was die LeserInnen erwartet – ein Versuch. Nur leider ist er misslungen.

Ingo Stützle

Lucas Zeise: Geld – der vertrackte Kern des Kapitalismus. Versuch über die politische Ökonomie des Finanzsektors. Papyrossa Verlag, Köln 2010. 192 Seiten, 12,90 EUR

Erschienen in: ak – zeitung für linke debatte und praxis, Nr. 554 v. 15.10.2010, Seite 35

Banken? Blockieren! … und darüber reflektieren

Am 18. Oktober 2010 soll massenhaft, entschieden und in vielfältigen Aktionen ein Knotenpunkt der Finanzwelt in Frankfurt am Main blockiert werden. Die Aktionsgruppe Georg Büchner ruft zu einer Aktion zivilen Ungehorsams auf. Es sei nicht hinzunehmen, dass die Kosten der Weltwirtschaftskrise vor allem von den sozial Schwachen getragen werden sollen. So sehe es das “Sparpaket” von Schwarz-Gelben vor. Der Protest müsse deshalb dorthin getragen werden, wo er hingehört: ins Herz der Finanzmetropole. Über die geplante Blockade sprach ich für ak mit der Sprecherin des Aktionsbündnisses Karin Maler. Thomas Sablowski setzt sich in der selben Ausgabe mit zwei falsche Auffassungen über Banken und zwei Formen verkürzter Kapitalismuskritik auseinander (Siehe auch meinen Beitrag von 07.09).