Verarmung made in Frankfurt/M. by EZB

Thomas Sablowski und Etienne Schneider haben ein Standpunkte-Papier zur EZB geschrieben:

»Die Aktivitäten von Zentralbanken erscheinen meistens als rein technische Verfahren: Bereitstellung von Geld … Tatsächlich verbirgt sich jedoch hinter dieser vermeintlichen Entpolitisierung eine gezielte Festlegung der Zentralbanken auf die Vorgaben neoliberaler Geldpolitik. Da Zentralbanken in den gesellschaftlichen Verteilungskonflikten eine wesentliche Rolle spielen, geriet die Europäische Zentralbank (EZB) denn auch in der Krise wie kaum ein anderer europäischer Staatsapparat ins Handgemenge politischer Auseinandersetzungen, auch innerhalb der herrschenden Klassen, und wurde zu einem der wichtigsten Akteure der autoritär-neoliberalen Krisenpolitik.«

Und das Handgemenge wird mit Blockupy Ende des Monats nochmals handgreiflich werden.

Die wissenschaftliche Basis der Sparpolitik bröckelt (nicht) – Disziplinierungsinstrument Staatsverschuldung

»Zahlen sind unbestechlich, sie schaffen Klarheit und Orientierung. Vor allem in der Wirtschaft« schreibt Stephan Kaufmann einleitend zu seinem Artikel, der die Rechenfehler des US-Starökonomen Kenneth Rogoff referiert. Er hatte in einem Papier behauptet, dass die Wirtschaft in den Ländern schrumpfe, deren Staatsverschuldung 90 Prozent erreiche.

Jetzt ist überall zu lesen, dass die wissenschaftliche Basis der Sparpolitik bröckele – endlich! Denn eben wo Widerstand und Protest fehlen, da stellt ein Argument zur rechten Zeit sich ein. Gab es je den Zwang zu Wissenschaftlichkeit des Sparens? Braucht es die denn?

Bei der Frage, ob eine Umschuldung besser für Griechenland wäre oder eher dauerhafte Transferleistungen, wurden 2011 die WissenschaftlerInnen von M.M.WARBURG & CO plötzlich offen und attestieren ihren KollegInnen folgendes Verhältnis zur oft gebranntmarkten Staatsverschuldung:

»Zudem ist für viele Ökonomen die hohe Verschuldung ein wichtiges Disziplinierungsinstrument zur Durchsetzung struktureller Reformen, die sonst nicht zielstrebig durchgeführt würden.« (Studie Konjunktur und Strategie (21.4.11) von M.M.WARBURG & CO)

Ähnlich bereits vor über zehn Jahren der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in ihrem Jahresgutachten von 2001:

»Am Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt darf nicht gerüttelt werden. Zwar sind seine Referenzwerte wissenschaftlich nicht begründbar; sie haben aber erstaunliche Konsolidierungsbemühungen und Konsolidierungserfolge bewirkt und sollten unbedingt beibehalten werden.« (JG 01: Ziff. 28)

Die Idee, die Angst vor den Folgen der Verschuldung für die Politik zu nutzen, nannte Roland Reagans ehemaliger Direktor des Office of Management David Stockman »strategisches Defizit«. In einem Interview machte er deutlich, dass Reagan nie so recht an die Angebotspolitik glaubte, sondern einen »schlanken Staat« zum Ziel hatte. Ähnliches gibt es aus Großbritannien zu berichten. Der leitende Wirtschaftsberater von Margaret Thatcher, Alan Budd, gab dem Observer Anfang der 1990er Jahre zu Protokoll:

»Die Politik der 1980er Jahre, die Inflation durch Druck auf die Wirtschaft und Kürzung der öffentlichen Ausgaben zu bekämpfen, war ein Vorwand, um die Arbeiter abzustrafen. Das Ansteigen der Arbeitslosigkeit war sehr erwünscht, um die Arbeiterklasse zu schwächen. […] Seitdem konnten die Kapitalisten immer größere Profite machen.« (Zitiert nach Harvey 2010: 318)

Vor diesem Hintergrund steht ein finanzpolitisches Regimes der Austerität nicht im Widerspruch zur permanenten Staatsverschuldung europäischer Staaten – vielmehr sind es die zwei Seiten derselben Medaille. In die Wissenschaft sollten JournalistInnen und KritikerInnen von Merkel & Co derzeit nicht all zu viel Hoffnung setzen. Ideen müssen sich an der Wirklichkeit blamieren und die soziale und politische Wirklichkeit akzeptiert das Mantra vom Sparen – und die Deutschen lieben die Disziplin.

FAQ. Noch Fragen? Zypern: Eine Bank mit Badestrand

Bereits im Juni 2012 bat Zypern die EU um Hilfe. Zwei große Banken verzeichneten aufgrund der Griechenlandkrise Verluste von insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Zyperns damalige linke Regierung verzögerte die Verhandlungen über Finanzhilfen mit der Troika bis Herbst. Und welch Überraschung: Anfang November 2012 berichtete Der Spiegel, dass eine Hilfe für zyprische Banken vor allem russische Schwarzgelder in einem Umfang von etwa 20 Milliarden Euro retten würde. Die Quelle der Information war der Bundesnachrichtendienst (BND).

Noch gibt es ihn, den zyprischen Euro. Foto: CC-Lizenz, L. Seidler.

Im März 2013 spitzte sich die Krise zu, und Zypern sah sich nach einer über zehnstündigen Verhandlung aufgrund von »Erschöpfung« gezwungen, dem Rettungsplan der Troika zuzustimmen, so Maltas Finanzminister Scicluna. Zypern wurden zehn Milliarden Euro Finanzhilfe zugesagt unter der Bedingung, dass die beiden größten Banken des Landes umstrukturiert werden. Die Laiki-Bank soll nun in eine abzuwickelnde »Bad Bank« und einen brauchbaren Rest aufgespalten werden, der in der Bank of Cyprus aufgehen soll.

Zudem wurde eine Sonderabgabe auf Konten angekündigt, die ein Volumen von über 100.000 Euro aufweisen. Damit soll der zyprische Eigenanteil am Eurohilfspaket finanziert werden. Der Aufschrei war groß, zumal zuerst die KleinsparerInnen zur Kasse gebeten werden sollten. Der »Haircut« von Privatanlagen wird einen Vermögensschnitt von etwa 37,5 Prozent des Gesamtvermögens bedeuten. Zudem wurde beschlossen, 22,5 Prozent der Einlagen für sechs Monate einzufrieren – ein Puffer, falls die Bank of Cyprus auch Bankrott gehen sollte. Vermögenswerte jenseits von Spareinlagen – Aktien oder z.B. deutsche Staatsanleihen – werden hingegen nicht angetastet. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Zypern: Eine Bank mit Badestrand”

Von wegen Casino! Populäre Irrtümer über Banken, Börse und Kredit

In der Reihe «luxemburg argumente» ist ein weiteres Bändchen erschienen: »Von wegen Casino. Populäre Irrtümer über Banken, Börse und Kredit«. Aus dem Klappentext:

Nicht erst seit der Finanzkrise stehen Banken und Finanzmärkte im Fokus der politischen Debatte – und am Pranger. Sie hätten sich die Wirtschaft untertan gemacht, anstatt ihr zu dienen, heißt es. Sie hätten die Welt in ein Spielcasino verwandelt, anstatt Unternehmen und Haushalte mit Kredit zu versorgen. Die Gier der Banker sei schuld an der Finanzkrise, jetzt kämen sie aber ungeschoren davon. Nun sollen die Banken zahlen, fordern die einen. Das sei eine große Gefahr, warnen die anderen. Denn vom Wohl der Banken hänge die ganze Wirtschaft ab. Und gegen die Märkte könne man heutzutage ohnehin keine Politik machen. Wer hat recht? Die Bevölkerung ist verwirrt – und macht sich Sorgen um ihre Ersparnisse.

Um etwas Klarheit in die Sache zu bringen, sollen in dieser Broschüre einige Grundsatzfragen geklärt werden. Was tun Banken mit «unseren Ersparnissen»? Was leisten die Finanzmärkte – und was nicht? Sind Banker wirklich gierig? Woher kommt die Abhängigkeit von den ominösen «Märkten»? Und kann man ihre Macht regulieren oder gar beseitigen? Erklärt werden diese Sachverhalte anhand gängiger Irrtümer bezüglich Banken, Börse und Kredit. Dabei ist das Wort Irrtümer mit Vorsicht zu gebrauchen. Denn an ihnen ist stets etwas dran. Dennoch erklären diese populären Ansichten nicht die Realität der Finanzsphäre. Stattdessen spiegeln sie eher Wünsche und Anforderungen wider, die an das Finanzkapital gerichtet werden.

Als PDF-Datei kann die Broschüre hier heruntergeladen werden.

Seminarreihe zur Euro-Konstruktion. Teil III und IV: Verlaufsform und Zuspitzung des Widerspruchs – Eine Krise viele Antworten?

«Regierungen und Zentralbank werden alles tun, um den Euro zu erhalten», sagt Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Was ist «alles»? Die Anti-Krisenstrategie basiert bislang auf drei Säulen: Die Staaten richten einen 500-Milliarden-Euro-Rettungsschirm (ESM) ein; die EZB kauft Anleihen von Krisenstaaten; die Länder der Eurozone beschließen Sparprogramme und «Strukturreformen», um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Angesichts des ökonomischen Niedergangs in Griechenland, Portugal und Spanien bleibt die Frage: Was «rettet» der Rettungsschirm eigentlich? Und was stützen die Stützungskäufe der EZB? Was bedeutet es, wenn die Zentralbank Staatsanleihen kauft und den Finanzmarkt mit «Milliarden flutet»? Und wer zahlt dafür, dass massenhaft «Geld gedruckt» und Garantien gegeben werden?

Auch der Vortrag und die Diskussion des dritten Teils sind nun online:

4. «Eine Krise viele Antworten?»

Die herrschende Krisenpolitik zeigte wieder einmal: Wer die Definitionsmacht über ein Problem hat, bekommt die (politische) Lösungskompetenz. Konkret: Aus der Krise des Kapitals wurde eine Staatsschuldenkrise gemacht, für die alle bzw. vor allem die Lohnabhängigen haftbar gemacht werden mit Sparhaushalten, Renten- und Lohnkürzungen, Flexibilisierung der Arbeitsmärkte etc.

Gleichzeitig ist die linke Diskussion über Krise und Wege aus der Krise lebendiger denn je. Krise bedeuten immer auch Risse im Putz – Morgenluft für eine andere Gesellschaft. Welche linken Erklärungen prägen die letzten Jahre? Welche Konzepte werden von links angeboten? Kann es einen «linken» Austritt Griechenlands aus der Eurozone geben? Was bringt ein Schuldenschnitt? Helfen Eurobonds oder die Finanztransaktionssteuer? Ist eine Verstaatlichung oder eine Zerschlagung von Banken angesagt? Was ist mit Kampagnen wie UmFairteilen? Was hat es mit Vollgeld auf sich? Wie aktuell ist die Frage nach einer Gesellschaft jenseits von kapitalistischer Herrschaft?

Auch der Vortrag und die Diskussion des vierten Teils sind nun online:

Die komplette Dokumentation der Reihe findet ihr hier. Vielleicht sehen wir uns bei der Abschlussveranstaltung!

Seminarreihe zur Euro-Konstruktion. Teil I: Sinn des Euro – «Scheitert der Euro, scheitert Europa!»

Braucht Deutschland den Euro? Soll Griechenland aus der Eurozone austreten? Ist der Rettungsschirm groß genug? Muss mehr oder weniger gespart werden? Ist die Euro-Krise vorüber? Permanent konfrontieren Politiker, Ökonomen und die Medien die Bevölkerung mit solchen großen Fragen – und fordern Anteilnahme vom Publikum. Doch je weiter die Krise voranschreitet, desto unübersichtlicher wird das Feld. Da hilft nur eines: zurück an den Ursprung! Um die aktuellen Probleme Europas einzuordnen, befasst sich die Seminarreihe mit dem Grundkonzept der Euro-Konstruktion. Zunächst soll der Zweck des Euro-Projekts erklärt werden, dann sein Widerspruch und als Drittes die Art und Weise, wie die Politik mit dem Widerspruch umgeht, ohne ihn zu lösen. Als Schlusspunkt sollen linke Antworten auf die Krise diskutiert werden.

«Scheitert der Euro, scheitert Europa!», warnen Politiker. Aber was bedeutet dieser Satz? Schließlich gab es Europa und die EU schon vor dem Euro. Und hört man die Klagen der Politiker, so würde eine Rückabwicklung der Währungsunion viele Probleme lösen: Dann wären Staaten wie Griechenland vom deutschen Spardiktat befreit. Und Deutschland müsste nicht länger den «Zahlmeister Europas» spielen.

In ersten Teil des Seminars wird geklärt, warum die Euro-Staaten ihre Währungen zusammengelegt haben, welche Vorteile der Euro bietet, was es mit der Konkurrenz zum US-Dollar auf sich hat – und welches Projekt eigentlich scheitert, wenn der Euro scheitert.

Der Vortrag und die Diskussion sind nun online:

Is the whole World going bankrupt? Government debt: What it is and how it functions

da83855671In the 1990s, it was “globalization.” Now “government debt” is considered the central problem of the world economy. The reason: for the first time since the Second World War, it is not the so-called developing countries that are experiencing a debt crisis, but rather established industrial countries. In Europe, a few governments have become insolvent and have to be financed by other states. In the United States, government debt has grown to levels that are otherwise only reached during wars. That is why Bild, Germany’s biggest tabloid, asked: “Is the Whole World Going Bankrupt?” (July 13, 2011), while the headline of the newsweekly Der Spiegel (32/2011) asked: “Is the World Going Bust?”

In the public discourse, two things seem to be clear: first, government debt is bad. And second, there is too much of it. “Saving” is therefore the order of the day. States want to become “trimmer,” public property is being privatized, and national wage levels are to be lowered in order to raise the level of “competitiveness” of the nation as a location for business. Government debt thus engenders the same political measures as the specter of “globalization” a decade ago.

Now all governments of the industrial countries have resolved to save more drastically. This affects the poor primarily in the form of social cuts – in all countries. Why is that the case? Where does all this debt come from? Why do all states incur debt – even though it is generally considered to be something bad? And why not just cancel these debts, if the whole world is suffering under them? These are some of the questions that this brochure seeks to answer. It does not attempt to assert that government debt is actually not a problem. Rather, it attempts to demonstrate the purposes that government debt serves, and when it becomes a problem – and for whom. Because ultimately, questions of debt are questions of distribution: some have to pay, while others benefit.

>>> »Is the whole World going bankrupt?«[pdf-file]

Translation of the original German version by Alexander Locascio.

Schuldenschnitt für Athen

Bild: CC-Lizenz, thewalkingirony
Bild: CC-Lizenz, thewalkingirony

Griechenland wurde ein weiteres Mal gerettet – hieß es offiziell am 27. November 2012. Nachdem alle bisher von der Troika (EZB, EU und IWF) verordneten Maßnahmen nur dazu geführt haben, dass Griechenlands Wirtschaftsleistung gesunken ist, soll erneut versucht werden, die »Tragfähigkeit« des Landes zu erreichen. Allein letztes Jahr ging das Bruttoinlandprodukt (BIP) Griechenlands um über sieben Prozent zurück. Damit sanken auch die staatlichen Einnahmen – die Verschuldung stieg.

Mit der neuen Vereinbarung soll nun die Schuldenquote – also das Verhältnis der Gesamtverschuldung zur Wirtschaftsleistung – von heute etwa 190 Prozent auf 124 Prozent des BIP bis 2020 gedrückt werden. Realistisch ist das nicht. Selbst vor dem Hintergrund der optimistischen Konjunkturprognosen der Troika müsste Griechenlands Wirtschaft ab 2015 jährliche um fast fünf Prozent wachsen, um das Ziel bis 2020 erreichen zu können. Wobei dieses Szenario unterstellt, dass die Staatsverschuldung nicht noch weiter wächst.

Welche zwei Maßnahmen sollen nun die Verschuldung für Griechenland »tragfähig« machen? Zum einen der Rückkauf von Staatsschuldpapieren und zum anderen eine Verringerung der Zinslast sowie die Streckung der Tilgung. Die Kreditlaufzeit verlängert man, indem die Kredite aus dem europäischen Rettungsfonds EFSF erst nach 30 Jahren und nicht – wie bisher vereinbart – schon in 15 Jahren getilgt werden sollen. Gleichzeitig werden ein weiteres Mal die Zinsen gesenkt – von bislang 3,5 auf 2,5 Prozent. An den Finanzmärkten müsste Griechenland, das de facto vom Kapitalmarkt abgeschnitten ist, derzeit bis zum Zehnfachen bieten. Allerdings ist die Zinssenkung nach Finanzstärke der EU-Gläubigerländer gestaffelt. Deutschland wird Athen Zinsen erlassen, Irland und Portugal hingegen nicht, weil sie selbst EFSF-Kredite bekommen haben. Continue reading “Schuldenschnitt für Athen”

FAQ. Noch Fragen? Target2: Euro ist nicht gleich Euro

Die Angst vor Inflation ist offensichtlich nicht so tief im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verankert, wie gern behauptet wird. Vielmehr muss sie ständig wach gehalten werden. Einer, der das besonders gut kann, ist der bekennende Klabauterbartträger Hans-Werner Sinn, Chefökonom des IFO-Instituts. Er behauptet seit Monaten recht medienwirksam, dass in den südlichen Euroländern permanent Euros gedruckt würden. »Weil die Druckerpressen in der Peripherie noch immer auf Hochtouren laufen, musste die Bundesbank ihre eigene Presse in eine Schreddermaschine verwandeln, um das viele Geld, das aus dem Süden zuströmte, wieder zu vernichten« – so Sinn in der Wirtschaftswoche vor einem Jahr. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Target2: Euro ist nicht gleich Euro”

FAQ. Noch Fragen? Draghikomödie: Viel Lärm um nichts

Nachdem EZB-Chef Draghi bekannt gab, dass die Europäische Zentralbank (EZB) unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen würde, war die Aufregung groß – zumindest in den deutschen Medien. Die Springerzeitung Die Welt (6.9.2012) beklagte, dass die Finanzmärkte den »Tod der Bundesbank« bejubelten; Nikolaus Blome bedauerte auf bild.de einen »Blanko-Scheck für Schulden-Staaten« und fragte rhetorisch, ob »Draghi damit den Euro kaputt« mache?

Angela Merkel hingegen gab zu Protokoll, dass das Aufkaufprogramm vom EZB-Mandat gedeckt sei. Selbst Bundesbankchef Jens Weidmann, der als einziger Vertreter im EZB-Rat gegen die Wiederaufnahme des Aufkaufprogramms stimmte, vermied es geflissentlich, zu behaupten, das Programm sei illegal. Vielmehr sprach er im Vorfeld von »Bauchschmerzen«, die er bei diesem »heiklen« Vorhaben habe, das er »jedenfalls vermeiden« wolle. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Draghikomödie: Viel Lärm um nichts”

Aus einem finanztheoretischen Lehrbuch von 1969

Vor der Durchssetzung der Neoklassik als Mainstream konnte noch Unerhörtes in finanztheoretischen Lehrbüchern[1. Horst Claus Recktenwald (Hg.): Finanztheorie, Köln-Berlin 1969] behauptet werden, nämlich dass die Konsolidierung der Staatsfinanzen durch die Drosselung der öffentlichen Nachfrage gegen die ökonomische Vernunft verstoße: Die Wirtschafts- und Finanzwissenschaften hätten bis nach dem Zweiten Weltkrieg

»Enthaltsamkeit des Staates, Budgetausgleich wegen Inflationsgefahr (!) und neutrale Finanzpolitik [gefordert] […]. Alles das klingt heute selbst in den Ohren jedes Erstsemesters als eine Herausforderung, da bewusste Drosselung der öffentlichen Nachfrage […] gegen elementare ökonomische Vernunft verstößt. Die hausbackene, biedere Vorstellung, was für den einzelnen gut sei, sei auch stets für die Gesamtwirtschaft richtig, erwies sich als falsch.« (S. 16, HerV.: I.S.)

So liest sich die Kehrseite eines wirtschaftspolitischen und wirtschaftstheoretischen Paradigmenwechsel.

Ist die ganze Welt bald pleite?

Viele fragen sich noch immer: Ist die ganze Welt bald pleite? Die gleichnamige Bildungsbroschüre zu Staatsverschuldung, die ich zusammen mit Stephan Kaufmann verfasst habe, liegt endlich in in der vierten und überarbeiteten Auflage vor und ist über die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu beziehen.

Aus der Einleitung:

In den 1990er Jahren war es die «Globalisierung», heute gilt die «Staatsverschuldung» als das zentrale Problem der Weltwirtschaft. Der Grund: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg sind es nicht die sogenannten Entwicklungsländer, die eine Schuldenkrise erleben, sondern die etablierten Industriestaaten. In Europa sind einige Regierungen zahlungsunfähig geworden und müssen von anderen Staaten finanziert werden. In den USA wachsen die Staatsschulden in Höhen, die sonst nur nach Kriegen erreicht werden. «Geht bald die ganze Welt pleite?», fragt die Bild-Zeitung (13.7.2011), und der Spiegel (32/2011) titelt «Geht die Welt bankrott?».

In der öffentlichen Diskussion scheinen zwei Dinge klar: Staatsschulden sind schlecht. Und sie sind zu viel. «Sparen» ist daher das Gebot der Stunde. Die Staaten wollen «schlanker» werden, öffentliches Eigentum wird privatisiert, das nationale Lohnniveau soll sinken, um die «Wettbewerbsfähigkeit» des Standortes zu erhöhen. Die Staatsverschuldung zeitigt damit die gleichen politischen Maßnahmen wie das Schreckensgespenst «Globalisierung» im Jahrzehnt zuvor.

Nun haben sich alle Regierungen der Industrieländer vorgenommen, härter zu sparen. Dies trifft vor allem die Armen in Form von Sozialkürzungen – in allen Ländern. Warum ist das eigentlich so? Wo kommen überhaupt die ganzen Schulden her? Warum machen alle Staaten Schulden – obwohl sie allgemein als Übel gelten? Und warum streicht man die Schulden nicht, wenn schon die ganze Welt unter ihnen leidet? Dies sind einige Fragen, die diese Broschüre beantworten will. Sie will nicht behaupten, Staatsschulden seien eigentlich kein Problem. Sondern sie will zeigen, welchem Zweck Staatsschulden dienen, wann sie zu einem Problem werden – und für wen. Denn am Ende sind Schuldenfragen immer Verteilungsfragen: Einige müssen zahlen, andere dürfen verdienen.

Der zerbrochene Kopf des Kapitals

In der Diskussion über Sahra Wagenknechts politische Aneignung einiger Begriffe von Ludwig Erhard und über die Frage, ob die Linke – nicht nur die gleichnamige Partei – die Krise theoretisch auf ausreichendem Niveau reflektiert, haben Ulrike Herrmann von der tageszeitung (hier) und Albrecht von Lucke von den Blättern für deutsche und internationale Politik (hier) ihre Positionen dargelegt. Warum nicht Roosevelt?, fragte Ulrike Herrmann und kritisierte, dass Sahra Wagenknecht auf den Liberalen Ludwig Erhard hereinfalle. In meiner Replik argumentiere ich, dass beide, Herrmann wie Wagenknecht, die falschen Fragen stellen.

Eine detailiertere Auseinandersetzung mit Keynes findet ihr hier.

Moody’s Downgrade von Italien: Antizipation der Antizipation

Die Ratingagentur Moody’s hat am Freitag die Kreditwürdigkeit Italiens herabgestuft. Mit Baa2 steht das Land auf der Stufe von Kasachstan.

Mache fragen schon, ob Italien zu taumeln beginnt und – darauf haben wir alle bereits gewartet – Berlusconi bringt sich mal wieder als Retter in der Not ins SpielBorat lässt grüßen.

Wie begründete Moody’s das Downgrade?

»Italy’s near-term economic outlook has deteriorated, as manifest in both weaker growth and higher unemployment, which creates risk of failure to meet fiscal consolidation targets,« Moody’s said. »Failure to meet fiscal targets in turn could weaken market confidence further, raising the risk of a sudden stop in market funding.«

Für Moody’s gebietet das Zusammenspiel von  EU-Sparpolitik und den zu erwartenden Reaktionen auf den »Märkten« eine schlechtere Bewertung. Denn:

  • Sparprogramme schwächem das Wirtschaftswachstum
  • Das Sparziel selbst sei Grund genug für eine Herabstufung. Schließlich könnten die Märkte keine Nervosität an den Tag legen, wenn es keine Zielmarken gebe. Logisch. Werden keine Ziele genannt, können sie auch nicht gerissen werden
  • Vor diesem Hintergrund antizipiert Moody’s schließlich mit ihrem Downgrade die antizipierte Verfehlung der Sparziele durch die Märkte

Zusammengefasst: Um das Vertrauen der Finanzmärkte in Italien zu stärken, spart Rom (und viele andere EU-Länder). Aus der Sicht von Moody’s verschlechtern die Sparkurse die Kreditwürdigkeit. Weil das Finanzkapital die Meinung der Ratingagenturen schätzt (schon allein aus Angst davor, dass Einzelkapitale dementsprechend handeln), werden sie in Zukunft für frischen Kredit höhere Renditen verlangen – nicht nur von Italien. Das wird wiederum die Kosten der Staatsschulden erhöhen und die Krise weiter verschärfen.

Darf ich vorstellen: das »Duo infernale« EU-Sparpolitik und Marktlogik. Mit dem Souffleur Ratingagentur.

Griechenland: Euro-Austritt oder nicht – ist das die Frage?

Am 17. Juni wird in Griechenland gewählt. Was bis vor ein paar Monaten noch fast undenkbar war, wird derzeit offen diskutiert: der Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Auch wenn aus Brüssel derzeit Verhandlungsbereitschaft gezeigt wird.

In der Frage, ob Griechenland den Euro aufgeben soll oder nicht, ist selbst die griechische Linke gespalten. Einen erhellenden Beitrag zu dieser Frage war in den letzten beiden Ausgabe des express zu finden. Inzwischen sind beide Teile online:

Christos Laskos, John Milios und Euclid Tsakalotos über kommunistische Dilemmata in der Euro-Krise: Austreten oder nicht? (Teil I, Teil II)

Geld hat Athen wohl noch bis zum 20. Juli, so das Handelsblatt. Über den Sommer kommt es damit nicht.