FAQ. Noch Fragen? Geld- und Zinskritik gegen Fiatgeld?

EZB-Neubau.August-2013
EZB Neubau im August 2013

Seit einiger Zeit wird wieder der Autobauer und Antisemit Henry Ford zitiert: »Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.« Die Geldkritik – wie sie momentan in den Montagsdemos fröhliche Urstände feiert – speist sich aus dem Bedürfnis nach einem krisenfreien Geldsystem und aus dem allerorten anzutreffenden Wunsch nach »Souveränität« – hier nicht gegenüber »Brüssel«, sondern über das Geld. Ihre Kritik richtet sich nicht gegen das Geld an sich, sondern gegen ein Geldsystem, das scheinbar unter der Kontrolle wahlweise falscher PolitikerInnen bzw. dunkler Mächte steht und zudem auf dem sogenannten Fiatgeld basiert – Geld, das keinen Gegenwert habe. Die Lösung: ein neutrales Geldsystem.

Nichtneutral sei das derzeitige Geldsystem deshalb, weil es nicht neutral in die Welt kommt – sondern als ein Schuldverhältnis ohne Gegenwert mit dem Anspruch auf Zinsen. Die Zentralbanken drucken einfach Geld und verleihen es an die Geschäftsbanken, die dafür Sicherheiten hinterlegen müssen. Obwohl also kein echter Wert oder ein eigener Gegenwert zugrunde liegt, können sowohl Zentralbanken als auch Geschäftsbanken durch Zinsen Geld schöpfen. Durch die Geldschöpfung, so die GeldkritikerInnen, sind alle Waren zu teuer (weil Zinsen eingepreist seien), wird durch Kredit zu viel produziert (Folge: Überproduktion) und fließe ein ungerechter Ressourcentransfer von den SchuldnerInnen zu den GläubigerInnen – durch den Zins. Aus Geld wird mehr Geld, ohne dass dafür etwas geleistet wird. Vor diesem Hintergrund fordert Franz Hörmann, der an der Universität Wien lehrt und etwa gerne von Ken Jebsen (KenFM) zum Thema Geld interviewt wird, sogenanntes Informationsgeld, das auf seinen reinen Informationscharakter reduziert wird. In diesem Verständnis ist Geld selbst weder Ausdruck von, noch relevant für die ökonomischen Verhältnisse.

Bereits Marx witzelte, dass in diesen Vorstellungen das Geld auf ein »pfiffig ausgedachtes Auskunftsmittel« reduziert werde. Dabei ist Geld ein gegenständlicher Ausdruck dafür, dass die Vergesellschaftung der Arbeit erst im Nachhinein vonstattengeht, dass sich erst auf dem Markt entscheidet, ob produzierende Arbeit als gesellschaftliche Arbeit anerkannt wird. Die Instanz, die darüber entscheidet, ist das Geld. Allerdings zählt unter der Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise nicht jede Arbeit gleichermaßen als gesellschaftliche, sondern nur die, die mit der durchschnittlichen Produktivität mithalten kann, und weil Arbeit als Lohnarbeit vom Kapital kommandiert wird, nur die, die auch einen durchschnittlichen Profit abwirft.

Weil der Kapitalismus auch die erste Wirtschaftsform ist, in der Wirtschaftswachstum systematisch dazugehört, ist der Kredit nicht mehr das, was die GeldkritikerInnen ihm zuschreiben, nämlich ein Mittel zur Verarmung, Ausbeutung und Herrschaft, sondern ein Mittel zu Vermehrung des Profits und Beschleunigung von Wachstum.

Überproduktion ist in einer Gesellschaft angelegt, die sich nicht darüber verständigt, was sie braucht, sondern in der ex post, anhand von Geld, festgestellt wird, was gebraucht wird. Geld ist nicht Ursache, sondern Ausdruck der ökonomischen Verhältnisse, zumal nicht die Bedürfnisbefriedigung, sondern Profit Zweck der Produktion ist und das Kapital darüber entscheidet, was wie produziert wird und hierbei allein Profit und Marktanteile Kriterien sind.

Kredit ist im Kapitalismus ein Mittel, und das Kapitalverhältnis ist dem Schuldner-Gläubiger-Verhältnis vorgeordnet: Nur wenn Kapital Profitmöglichkeiten hat, nimmt es Kredit auf; ist Kapital nicht kreditwürdig, rückt auch keine Bank Geld raus. Beides ist derzeit sehr gut zu beobachten, und da hilft es auch nichts, dass die Leitzinsen auf einem historischen Tiefstand sind und die Zentralbanken viel Geld an die Banken verleihen – es kommt nämlich gar nicht in den Geldkreislauf.

Die Geldversorgung durch Zentralbanken ist eine historisch-spezifische institutionelle Form, nachdem andere organisatorische Formen zu schweren Krisen geführt haben oder die kapitalistische Dynamik bremsten: So entstand die US-Notenbank Fed, nachdem ein auf Privatbanken basierendes Geldsystem sich als sehr krisenanfällig gezeigt hatte (siehe ak 590), die Deckung von Papiergeld durch Gold wurde aufgehoben, weil sich zeigte, dass die Golddeckung für die expansive kapitalistische Dynamik zu starr und restriktiv ist.

Weder das Geld noch das Geldsystem in Form der Zentralbanken sind also das politische Problem. Dass die Geldkritik zudem antisemitisch anschlussfähig ist, macht es umso wichtiger, sich kritisch mit ihr zu beschäftigen.

Ingo Stützle