FAQ. Noch Fragen? Zypern: Eine Bank mit Badestrand

Bereits im Juni 2012 bat Zypern die EU um Hilfe. Zwei große Banken verzeichneten aufgrund der Griechenlandkrise Verluste von insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Zyperns damalige linke Regierung verzögerte die Verhandlungen über Finanzhilfen mit der Troika bis Herbst. Und welch Überraschung: Anfang November 2012 berichtete Der Spiegel, dass eine Hilfe für zyprische Banken vor allem russische Schwarzgelder in einem Umfang von etwa 20 Milliarden Euro retten würde. Die Quelle der Information war der Bundesnachrichtendienst (BND).

Noch gibt es ihn, den zyprischen Euro. Foto: CC-Lizenz, L. Seidler.

Im März 2013 spitzte sich die Krise zu, und Zypern sah sich nach einer über zehnstündigen Verhandlung aufgrund von »Erschöpfung« gezwungen, dem Rettungsplan der Troika zuzustimmen, so Maltas Finanzminister Scicluna. Zypern wurden zehn Milliarden Euro Finanzhilfe zugesagt unter der Bedingung, dass die beiden größten Banken des Landes umstrukturiert werden. Die Laiki-Bank soll nun in eine abzuwickelnde »Bad Bank« und einen brauchbaren Rest aufgespalten werden, der in der Bank of Cyprus aufgehen soll.

Zudem wurde eine Sonderabgabe auf Konten angekündigt, die ein Volumen von über 100.000 Euro aufweisen. Damit soll der zyprische Eigenanteil am Eurohilfspaket finanziert werden. Der Aufschrei war groß, zumal zuerst die KleinsparerInnen zur Kasse gebeten werden sollten. Der »Haircut« von Privatanlagen wird einen Vermögensschnitt von etwa 37,5 Prozent des Gesamtvermögens bedeuten. Zudem wurde beschlossen, 22,5 Prozent der Einlagen für sechs Monate einzufrieren – ein Puffer, falls die Bank of Cyprus auch Bankrott gehen sollte. Vermögenswerte jenseits von Spareinlagen – Aktien oder z.B. deutsche Staatsanleihen – werden hingegen nicht angetastet.

Aufgrund eines drohenden Bank Run und drohender Kapitalflucht wurden die Banken für mehrere Tage geschlossen, Kapitalverkehrskontrollen eingeführt (die in der EU eigentlich verboten sind) und Überweisungen ins Ausland gesetzlich begrenzt. Dies kam allerdings reichlich zu spät: Allein in den letzten neun Monaten verlor die Laiki Bank bereits 25 Prozent ihrer Einlagen. Die Dunkelziffer der insgesamt aus Zypern abgezogenen Gelder ist noch weitaus größer.

Für Aufregung sorgte der Fall Zypern vor allem deshalb, weil niemand mehr an die staatliche Garantie von Spareinlagen glauben konnte. Warum sollte Zypern ein Einzelfall sein? Sogar von Enteignung war die Rede, obwohl die Spareinlagen de facto schon lange dem Geschäftsmodell der Banken zum Opfer gefallen waren – zum Beispiel der Spekulation mit griechischen Staats- oder Unternehmensanleihen.

Als Zypern schon Thema in den Kommentarspalten der Wirtschaftsteile war und Griechenland Ende 2010 wieder Rekordzinsen zahlen musste, kaufte die Bank of Cyprus allein an einem Tag griechische Staatsanleihen im Wert von 300 Millionen Euro – und besaß damit Staatsanleihen im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro, die de facto nichts mehr wert waren. Nur derartig risikoreiche Geschäfte ermöglichten den zyprischen Banken in den letzten Jahren, ihren Kunden im Vergleich zu anderen Eurostaaten hohe Zinsen zu zahlen. Im März 2013 wurde dieses riskante Geschäftsmodell Zyperns von Seiten der EU, Deutschlands und der EZB neunmalklug angeprangert, obwohl es seit über fünf Jahren und auch schon vor dem Eurobeitritt Zyperns bekannt war – und akzeptiert wurde.

Eine Ausbreitung der Krise oder gar ein Überspringen auf andere Eurostaaten wurde weder von EU oder EZB, noch von den wissenschaftlichen Abteilungen der Banken erwartet. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank lobte gar das Verfahren: Endlich reguliere wieder die »Marktdisziplin«.

Gerade weil wenig Gefahr für die Eurozone insgesamt ausging, wurde mit Zypern nicht nur hart verhandelt, sondern auch ein Exempel statuiert.

Damit konnte die Bundesregierung endlich wieder die europakritische Stimmung besänftigen – und das nur wenige Monate vor der Bundestagswahl. Laut einer Umfrage Anfang April 2013 ging die Euroskepsis deutlich zurück. Knapp 70 Prozent der Deutschen sprachen sich für den Euro aus. 2012 wünschten sich noch die Hälfte aller Befragten die D-Mark zurück.

Die Gesundschrumpfung der zyprischen Banken ist zweitens eine Ansage in Richtung der auch von einer Bankenkrise gebeutelten Euroländer Spanien und Irland – auch wenn das bestritten wird. Die politische Klasse kann nun endlich auf mehr Europa drängen, eine europäische Bankenaufsicht und -regulierung fordern, die auch eine formale und rechtliche Abwicklung von Banken ermöglicht. Mehr Europa bedeutet eine stärkere deutsche Handschrift, die auch im Fall Zypern wieder zu erkennen ist. Adressiert war dieses Mal ebenfalls Russland. Weder wurde es vor dem EU-Beschluss informiert, noch sollte es Zypern »retten« – obwohl es sich vor allem um russische Gelder handelt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Ingo Stützle