FAQ. Noch Fragen? Bis einer heult: Währungskrieg

small_5455248543Währungen konkurrieren auf dem Weltmarkt um Anlagen suchendes Kapital. Das war auch ein Grund für die Einführung des Euro. Er sollte dem US-Dollar die Stirn bieten. Seit ein paar Monaten scheint aber Krieg, ein Währungskrieg zu herrschen. Großbritanniens Zentralbankchef, Mervyn King, spricht noch vorsichtig von »aktiv gesteuerten Wechselkursen«. Vor einem regelrechten Währungskrieg warnen hingegen bereits Russlands Zentralbanker Alexej Uljukajew oder William White, der frühere Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).

Währungskrieg ist die etwas martialische Bezeichnung dafür, dass Staaten einen Konkurrenzvorteil auf dem Weltmarkt dadurch bekommen, indem sie ihre Währung gegenüber anderen Währungen abwerten. Sinkt etwa der Kurs des Euro zum US-Dollar, bekommt man für die in der Eurozone produzierten Waren für die gleiche Menge US-Dollar mehr.
Diese Strategie wird auch als »Beggar-thy-neighbor-Politik« bezeichnet. Warum verarmt sie den Nachbarn, wie es zu Deutsch heißt? Waren, die im Ausland gekauft werden, weil sie aufgrund des gesunkenen Wechselkurses billiger sind, werden nicht mehr im Inland produziert. Kein Wunder, dass die USA seit Jahren den chinesischen Yuan als zu niedrig anprangern. Dort sind deshalb laut einer Studie des Peterson Institute fünf Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen.
Die Krise ließ weltweit das Wachstum einbrechen. In vielen Ländern ist der Binnenmarkt nur begrenzt Wachstumsmotor für die Wirtschaft, weil Staaten sparen und die Löhne sinken. Deshalb soll das Wirtschaftswachstum durch Export angekurbelt werden. Diese Strategie geht dann auf, wenn die zu exportierenden Waren aufgrund eines schwachen Außenwerts einer Währung für das Ausland billig sind.

small_5455861040Wie aber kann ein Staat seine Währung gezielt abwerten? Seit den 1970er Jahren und dem Ende des sogenannten Währungssystems von Bretton Woods sind die Wechselkurse nicht mehr zueinander fixiert, sondern »frei« und werden auf dem Devisenmarkt bestimmt. Die Nachfrage nach einer Währung in einer anderen Währung bestimmt den Wechselkurs. Wie wiederum Angebot von und Nachfrage nach einer Währung bestimmt werden, steht auf einem anderen Blatt und selbst die beiden vorherrschenden Ökonomietheorien – Neoklassik und keynessche Theorie – sind sich in dieser Frage mehr als uneins.

Eine Möglichkeit ist,die Geldmenge zu erhöhen. Das behauptet zumindest die Neoklassik, die nach wie vor die Zentralbanken weltweit im Griff hat. Die Geldmenge kann z.B. durch den Aufkauf von Staatsanleihen erhöht werden. Der dadurch entstehende Inflationsdruck führt in der neoklassischen Theorie zu einer Abwertung. Deshalb wird derzeit vor allem Japan vorgeworfen, einen Währungskrieg anzuzetteln, weil die japanische Zentralbank derzeit genau das praktiziert.

Eine andere Möglichkeit ist der Aufkauf von US-Dollar mit der eigenen Währung. Da einer Zentralbank das eigene Geld theoretisch unbegrenzt zur Verfügung steht, ist diese Strategie immer möglich. Umgekehrt nicht: Will ein Staat seine Währung vor einer unkontrollierten Abwertung schützen, ist das nur möglich, wenn er mit Devisen die eigene Währung aufkauft. Devisen stehen aber nur begrenzt zur Verfügung und müssen zuvor »eingenommen« werden.

small_5455248611Laut Studie des Peterson Institute haben in den letzten Jahren über 20 Länder durch Aufkauf von US-Dollar ihren Wechselkurs gedrückt, u.a. China, Dänemark, Korea, Malaysia und Taiwan, d.h. vor allem Länder im Bereich von Massen- und Billiggütern oder Länder, die von Rohstoffexporten abhängig sind, wie etwa Norwegen oder Brasilien.
Auch innerhalb der Eurozone konkurrieren Nationalstaaten noch immer gegeneinander – auch wenn sie die gleiche Währung haben. Das ist auch der Grund dafür, dass Deutschland und Frankreich unterschiedliche Interessen hinsichtlich der Stärke des Euro haben, der in der letzten Zeit deutlich aufgewertet hat. Deutschlands Export hängt weniger am Außenwert des Euro, weil deutsche Unternehmen vor allem teure und hochqualitative Waren ausfahren und die Schwankungen nicht besonders ins Gewicht fallen – bei anderen Eurostaaten – wie etwa Frankreich – hingegen schon. Deshalb plädiert der französische Präsident Francois Hollande Anfang Februar für eine aktive Wechselkurspolitik. »Eine Währungszone muss eine Wechselkurspolitik haben, ansonsten wird sie mit einem Wechselkurs enden, der nicht dem wirklichen Zustand seiner Volkswirtschaft entspricht«, erklärte Hollande. Die EU müsse auf den Weltmärkten ihre Interessen verteidigen. Dass Deutschland ganz andere Interessen hat, machte der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler deutlich: »Das Ziel muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und nicht die Währung zu schwächen.«

Ingo Stützle

Erschienen in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 580 vom 15.2.2013; Foto: CC-Lizenz, flickr/vladimirguculak