Pressefreiheit in Gefahr?

Der gar nicht so bornierte ehemalige Verfassungsrichtiger Dieter Grimm (siehe seine Ausführung zum modernen Konstitutionalismus als Resultat von Klassenkämpfen und nicht als Einsicht der Vernunft), hat in einem Gespräch mit der FAZ bzgl. der Presselandschaft angesichts der Krise zu Protokoll gegeben:

“Die Neigung wächst, Inhalte zu bevorzugen, für die man sich besondere Aufmerksamkeit eines breiten Publikums verspricht, ohne dass sie große Kosten verursachen.”

Die Agora in Athen war in der griechischen Antike ein Versammlungsplatz der Polis und wurde für die Heeres-, Gerichts- und Volksversammlungen der freien Bürger genutzt.
Die Agora in Athen war in der griechischen Antike ein Versammlungsplatz der Polis und wurde für die Heeres-, Gerichts- und Volksversammlungen der freien Bürger genutzt (Foto: xenicabliss, CC-Lizenz).

Dass die Weltwirtschaftskrise gegenwärtig so manche (Tages)Zeitung mit in den Strudel reißt ist schon seit längerem klar. Dass Zentralisierungsprozesse durch die Krise beschleunigt werden ebenso – nicht nur in der Automobilindustrie. Aber, lieber Herr Grimm, trifft der von ihnen formulierte Satz nicht recht allgemein für die Presse im Kapitalismus zu? Vor und nach der Krise? Schließlich geht es bei einem kapitalistisch organisierten Presse- und Medienbetrieb nicht um die zu entdeckende Wahrheit oder eine allumfassende Durchsetzung von Demokratie, sondern eben – wie bei der Autoproduktion – um möglichst viel Profit durch einen hohen Marktanteil (“Aufmerksamkeit eines breiten Publikums”) mit möglichst geringen Kosten.

Das wusste auch schon der frühe Habermas (“Strukturwandel der Öffentlichkeit”). War die in privater Hand fungierende Presse eine Einrichtung des räsonierenden Publikums gerade durch den privaten Charakter vo® staatlichem Zugriff geschützt, drehte sich mit der zunehmenden Kommerzialisierung das Verhältnis um. Der Staat nahm Teile Publizität in seine Hand, da so die kritische Funktion gegenüber dem Profitinteresse erhalten bleiben konnte. Habermas:

“Auf dem Weg des Journalismus der schriftstellernden Privatleute zu den öffentlichen Dienstleitungen der Massenmedien verändert sich die Sphäre der Öffentlichkeit durch das Einströmen privater Interessen, die in ihr privilegiert zur Darstellung kommen […]. Die Trennung von Öffentlichkeit und Privatsphäre implizierte, dass die Konkurrenz privater Interessen grundsätzlich dem Regulativ des Marktes überlassen und aus dem öffentlichen Streit der Meinungen herausgehalten wurde. In dem Maße, in dem aber die Öffentlichkeit für geschäftliche Werbung in Anspruch genommen wird, wirken unvermittelt Privatleute als Privateigentümer auf die Privatleute als Publikum ein.”

Ist Grimms Feststellung nichts Neues unter dem Mond , dann sollten wir uns auch nicht über temporäre Subventionen zum Erhalt einer pluralen Presselandschaft unterhalten, sondern darüber, in was für einer Gesellschaft wir leben und wie wir was eigentlich zu welchem Zweck produzieren wollen. Und, als Zugeständnis an Herrn Grimm und seine Freunde, welche Rolle in dieser medial vermittelten Debatte die Presse spielen kann. Dabei werden wir allerdings schnell aneinander geraten, denn, das wird sich dann zeigen, so viel Freiheit des öffentlichen Streits über die Einrichtung der Gesellschaft kann die bürgerliche Gesellschaft aber dann doch wieder nicht zulassen. Das zeigen zumindest die Arbeiten von Gramsci und Foucault über Negt/Kluge bis Fraser oder Demirovic.

Aber das gehört nun wirklich nicht hierhin, oder Herr Grimm?