FAQ. Noch Fragen? Argentinien ist zahlungsunfähig

Anfang August war Argentinien »technisch zahlungsunfähig«. Ratingagenturen stuften das Land deshalb als »bedingt zahlungsunfähig« ein. Die Zuspitzung in den letzten Wochen ist jedoch kaum zu verstehen, wenn man nicht weiß, was sich vor über zehn Jahren abspielte. Ende 2001 war in Argentinien fast alles, was Beine hat, auf den Straßen – mit Kochtöpfen und trotz erklärtem Ausnahmezustand. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Argentinien ist zahlungsunfähig”

Blackbox EZB: Macht und Ohnmacht der Europäischen Zentralbank

Zentralbanken ähneln modernen Kirchen. Sie hausen in imposanten Gebäuden. Sie umgibt eine Aura von Autorität – von Macht, Geheimnis und Bedeutung. Eine Zentralbank gilt als «Hüterin der Stabilität» oder «des Geldes», sie «versorgt die Gesellschaft mit Liquidität». Ihr Auftrag scheint fraglos gut und nützlich. Denn alle wünschen stabiles Geld, alle fürchten das Monster Inflation.

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»Im Übrigen wären Reparationen mehr als 65 Jahre nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen ohne jede Präzedenz.«

»Im Übrigen wären Reparationen mehr als 65 Jahre nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen ohne jede Präzedenz.« (Deutsche Bundesregierung)

Die deutsche Regierung hat auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke geantwortet (Anfrage/Antwort). Gegenstand sind mögliche Reparationsansprüchen Griechenlands und die Rückzahlung einer Zwangsanleihe. Es gebe keine Ansprüche, so die Regierung. Hintergrund ist, dass u.a. Syriza immer wieder angekündigte, die Reparationsfrage nochmals aufs Tablett zu bringen.

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Deutsche in Athen. Foto: liketobite (CCBY2.0)

Zur offenen Reparationsfrage trug Karl Heinz Roth einiges an Material zusammen, Hintergrund ist u.a. die Zerstörung der griechischen Volkswirtschaft (1941-1944) (hörenswert ist auch der Beitrag von Otto Köhler zu Deutschlands Schulden in Athen; siehe unten). In der gleichen Ausgabe von Lunapark21 fragte sich Winfried Wolf, wie der Euro nach Griechenland kam und warum vieles, was lange bekannt war, erst 2009ff. zu einem Skandal hochgejazzt wurde und weißt auf eine aussagekräftige Parallelität »zwischen Euro-Verweigerung für Griechenland bzw. Ja zu einem griechischen Beitritt zur Euro-Zone und die politische und juristische Zuspitzung bei den Forderungen nach Entschädigung« hin. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Vortrag von Otto Köhler über »Schuldenkrise«, deutsche Besatzung, Ausplünderung und Wehrmachtsverbrechen in Griechenland:

Seminarreihe: Die Krise hat Europa gestärkt

Die Euro-Krise scheint überstanden. Mehr noch: «Die Krise hat Europa gestärkt», so Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im April 2013. An den Finanzmärkten ist Ruhe eingekehrt. Die Haushaltsdefizite der Staaten sind drastisch gesunken, die Wirtschaft wächst. Alles wieder normal? Nicht ganz. Denn erstens ist die Lage in vielen Staaten noch katastrophal: Arbeitslosigkeit und Schuldenstände liegen rekordhoch. Zweitens hat sich Europa durch die Krise stark verändert. Die EU kontrolliert nun die Staatsverschuldung und die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten. Daneben existiert ein Sicherheitsnetz für hochverschuldete Staaten in Form des Eurorettungsschirms ESM und den Garantien der Europäischen Zentralbank. Insgesamt lässt sich feststellen: Die Euro-Staaten haben an Souveränität eingebüßt und Machtbefugnisse an die Zentrale in Brüssel abgegeben. Ist dieses Arrangement haltbar? Kann es künftige Krisen verhindern?

Staatsbankrott – Nachtrag zur Buchvorstellung

Geld unter die Bank kehrenGestern kam bei der Buchvorstellung von Austerität als politisches Projekt die Frage auf, ob Staaten Pleite gehen können und welche größeren Länder in den letzten Jahren zahlungsunfähig waren. Neben einer Wikipedia-Liste finden sich gleich mehrere Aufzählungen in der umstrittenen Studie von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff.

Auch in der Broschüre Ist die ganze Welt bald pleite? sind wir auf die Frage eingegangen, wann Staaten pleite sind – keine einfache Frage:

›Pleite‹ ist ein schwieriger Begriff, wenn man ihn auf Staaten anwendet. Bei einem Unternehmen ist es leicht: Die Firma kann ihre Rechnungen oder Zinsen nicht mehr bezahlen, erhält von Banken keinen Kredit mehr. Es folgt das Insolvenzverfahren. Kommt der Insolvenzverwalter zum Schluss, dass nichts mehr zu retten ist, wird das Unternehmen aufgelöst, was zu verkaufen ist wird verkauft, und die Gläubiger werden aus den Verkaufserlösen so gut es geht bedient. Dann ist die Firma weg. Continue reading “Staatsbankrott – Nachtrag zur Buchvorstellung”

Keynesianismus ist nicht unbedingt links

AusteritaetAxel Berger hat mich für die aktuelle Ausgabe der Jungle World zu meinem Buch »Austerität als politisches Projekt« interviewt.

Wir sprachen über die Grenzen von Staatsverschuldung, ob Keynesianismus links ist und ob ein Austeritätskurs und ein defizitärer Staatshaushalt ein Widerspruch sind.

Den erwähnten Text von Sabine Nuss zum Gebrauchsanleitungs-Kapitalismus findet ihr in der Zeitschrift LUXEMBURG.

Reaktionen auf und Buchvorstellung von »Austerität als politisches Projekt«

Inzwischen liegen für »Austerität als politisches Projekt« erste Besprechungen vor. Weitere wurden bereits angekündigt. Das freut mich sehr. Das Buch stelle ich im Rahmen von Veranstaltungen auch hier und da vor. Ich habe begonnen, alles hier zu sammeln.

Aufgeblättert: Europas Revolution von oben

Steffen Vogel nimmt Angela Merkels Forderung einer »marktkonformen Demokratie«, die sie 2011 auf einer Pressekonferenz formulierte, als Ausgangspunkt, die letzten Jahre Austeriätpolitik Revue passieren zu lassen. In fünf Kapiteln zeichnet Vogel die Krise nach, die spezifischen Bedingungen in Spanien und Griechenland, wie die Troika in der Eurozone agierte und schließlich Deutschland die EU nach seinem Sparbilde formte: Schuldenbremse für alle. Vogel schließt mit einer solidarischen Referenz auf die Proteste der letzten Jahre: »Die Zukunft Europas wird heute in Sitzungssälen geschrieben. Ab morgen sollte sie auf den Straßen und Plätzen geschrieben werden.« Das Buch ist mit heißer Nadel gestrickt, will es doch am Puls der Zeit linken AktivistInnen und kritischen Köpfen eine Handreichung zur Eurokrise geben. Wer Details und wichtige Weichenstellungen der letzten Jahre Zeitungslektüre vergessen hat, wird für das Buch dankbar sein. Leider fehlt etwas analytischer Tiefgang. Nicht diskutiert wird, was ein Staat und was die EU als politisches Gebilde ist und wie sich Privatinteressen gesellschaftlich verallgemeinern. Für Vogel wird eine falsche Politik verfolgt bzw. eine, die bestimmten Interessen nützt. Wichtig für linke Gegenmacht ist jedoch zu verstehen, wie sich deutsche Interessen und die spezifischen Kapitalfraktionen als Allgemeininteressen europäisch verallgemeinern konnten und welche Rolle europäische Staatlichkeit dabei spielte.

Ingo Stützle

Steffen Vogel: Europas Revolution von oben. Sparpolitik und Demokratieabbau in der Eurokrise. Laika Verlag, Hamburg. 165 Seiten, 19,80 EUR.

Erschienen in: ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 587 vom 15.10.2013

FAQ. Noch Fragen? Gefährdet der Shutdown den Weltmarkt?

Lincoln Memorial during the Government Shutdown. (flickr/J. Sonderman)

Anfang Oktober 2013. Die Freiheitsstatue, Parks und Museen sind geschlossen – die USA pleite? Nur noch elementare staatliche Dienstleistungen werden garantiert. Selbst die Geheimdienste leiden unter dem zugedrehten Geldhahn. Der Finanzsoziologe Rudolf Goldscheid erklärte das Budget als das »aller verbrämenden Ideologie entkleidete Gerippe des Staates«. Die Medien interessierte jedoch weniger das aufklärerische Moment des Shutdown – nämlich dass offensichtlich wurde, was den Staat im Innersten zusammenhält: die organisierte Gewalt -, als vielmehr, ob die Weltwirtschaft am Abgrund stehe. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Gefährdet der Shutdown den Weltmarkt?”

FAQ. Noch Fragen? War das EWS besser als der Euro?

DMark
War die D-Mark mit dem EWS keine Mittel der deutschen Hegemonialpolitik? Foto: CC-Lizenz, oxfordian

Die Debatte innerhalb der Linken hat nochmals Fahrt aufgenommen: Soll am Euro festgehalten werden? Der Euroausstieg wird als Antwort auf die Krisenpolitik »von oben« präsentiert. Zumindest wird behauptet, der Euro sei mitverantwortlich dafür, dass der Austeritätskurs möglich ist. Der Vorschlag: zurück zum Europäischen Währungssystem (EWS), das, zumindest formal, von 1979 bis zur Einführung des Euro 2002 herrschte. Was jedoch gerne unter den Tisch fällt: auch hier dominierte Deutschland.  Continue reading “FAQ. Noch Fragen? War das EWS besser als der Euro?”

Die politische Ökonomie des Sparstrumpfs

Income taxIn den 1990er-Jahren war es die ›Globalisierung‹, heute gilt die Staatsverschuldung als das zentrale Problem der Weltwirtschaft. Der Grund: Erstmals seit dem 2. Weltkrieg sind es nicht die sogenannten Entwicklungsländer, die eine Schuldenkrise erleben, sondern die etablierten Industriestaaten. In Europa sind einige Regierungen zahlungsunfähig geworden und müssen von anderen Staaten finanziert werden. In den USA wachsen die Staatsschulden in Höhen, die sonst nur nach Kriegen erreicht werden. »Geht bald die ganze Welt pleite?«, fragt die BILD-Zeitung (13.07.2011), und der SPIEGEL (32/2011) titelt »Geht die Welt bankrott?«

In der öffentlichen Diskussion scheinen zwei Dinge klar: Staatsschulden sind schlecht. Und sie sind zu viel. ›Sparen‹ ist daher das Gebot der Stunde. Die Staaten wollen ›schlanker‹ werden, öffentliches Eigentum wird privatisiert, das nationale Lohnniveau soll sinken, um die ›Wettbewerbsfähigkeit‹ des Standortes zu erhöhen. Die Staatsverschuldung zeitigt damit die gleichen politischen Massnahmen wie die ›Globalisierung‹. Im Folgenden soll zunächst allgemein dargestellt werden, wie in bürgerlicher Staat sich finanziert und warum die Schuldenaufnahme für ihn keine ausserordentliche, sondern eine normale Form der Finanzierung ist. Anschliessend werden einige gängige Annahmen über Staatsschulden kritisiert. Darüber hinaus soll erklärt werden, was Staatsschulden sind, wozu sie dienen und an wem gespart wird, wenn es heisst: »Wir müssen sparen«.

>>> Weiterlesen [pdf] in: »Die politische Ökonomie des Sparstrumpfes. Der Steuerstaat und Mythen der Staatsschuld«, in: Denknetz Jahrbuch 2012 – Auf der Suche nach Perspektiven, Zürich 2012, 14-25.

Verarmung made in Frankfurt/M. by EZB

Thomas Sablowski und Etienne Schneider haben ein Standpunkte-Papier zur EZB geschrieben:

»Die Aktivitäten von Zentralbanken erscheinen meistens als rein technische Verfahren: Bereitstellung von Geld … Tatsächlich verbirgt sich jedoch hinter dieser vermeintlichen Entpolitisierung eine gezielte Festlegung der Zentralbanken auf die Vorgaben neoliberaler Geldpolitik. Da Zentralbanken in den gesellschaftlichen Verteilungskonflikten eine wesentliche Rolle spielen, geriet die Europäische Zentralbank (EZB) denn auch in der Krise wie kaum ein anderer europäischer Staatsapparat ins Handgemenge politischer Auseinandersetzungen, auch innerhalb der herrschenden Klassen, und wurde zu einem der wichtigsten Akteure der autoritär-neoliberalen Krisenpolitik.«

Und das Handgemenge wird mit Blockupy Ende des Monats nochmals handgreiflich werden.

Seminarreihe zur Euro-Konstruktion. Teil I: Sinn des Euro – «Scheitert der Euro, scheitert Europa!»

Braucht Deutschland den Euro? Soll Griechenland aus der Eurozone austreten? Ist der Rettungsschirm groß genug? Muss mehr oder weniger gespart werden? Ist die Euro-Krise vorüber? Permanent konfrontieren Politiker, Ökonomen und die Medien die Bevölkerung mit solchen großen Fragen – und fordern Anteilnahme vom Publikum. Doch je weiter die Krise voranschreitet, desto unübersichtlicher wird das Feld. Da hilft nur eines: zurück an den Ursprung! Um die aktuellen Probleme Europas einzuordnen, befasst sich die Seminarreihe mit dem Grundkonzept der Euro-Konstruktion. Zunächst soll der Zweck des Euro-Projekts erklärt werden, dann sein Widerspruch und als Drittes die Art und Weise, wie die Politik mit dem Widerspruch umgeht, ohne ihn zu lösen. Als Schlusspunkt sollen linke Antworten auf die Krise diskutiert werden.

«Scheitert der Euro, scheitert Europa!», warnen Politiker. Aber was bedeutet dieser Satz? Schließlich gab es Europa und die EU schon vor dem Euro. Und hört man die Klagen der Politiker, so würde eine Rückabwicklung der Währungsunion viele Probleme lösen: Dann wären Staaten wie Griechenland vom deutschen Spardiktat befreit. Und Deutschland müsste nicht länger den «Zahlmeister Europas» spielen.

In ersten Teil des Seminars wird geklärt, warum die Euro-Staaten ihre Währungen zusammengelegt haben, welche Vorteile der Euro bietet, was es mit der Konkurrenz zum US-Dollar auf sich hat – und welches Projekt eigentlich scheitert, wenn der Euro scheitert.

Der Vortrag und die Diskussion sind nun online:

»Our Grandchildren Will Have to Pay Back Our Debts«

Weltmacht EuroThe German weekly newspaper Welt am Sonntag (June 26, 2011) explained to Sigmar Gabriel, chair of the Social Democratic Party of Germany (SPD): »We’re living at the expense of our grandchildren and great grandchildren, since they have to pay for all of that.« In every talk show debate, the remark always comes up at least once that »we« cannot incur debt at the expense of our children and grandchildren. That is a requirement of the fundamental principle of »intergenerational justice«. The dramatic picture is clear: debts incurred today have to be paid back in a few years or decades. If new debts are taken on every year, then the pile of debt becomes larger. The more debts accumulate, according to this argument, the less money there is for other expenditures, for example for education, road construction, and social programs.

What Truth is There to That?

This picture is also wrong. First of all, assets such as roads or schools that are financed by credit are also available for use by future generations. Second of all, with government debt, no redistribution between generations occurs, but rather redistribution within a generation: generally, from »below« to »above«. How does that work? »Our grandchildren« do not just inherit the debt, but also the claims upon the debt, so they also inherit wealth. One can picture this using the example of a family: when the mother lends 100 euros to the father, and both die, the children do not just inherit the 100 euro debt of the father, but also the mother’s claim. So who inherits the debt and who inherits the claim? Who has lent money at interest to the state? And above all else: who pays this interest and where does the money come from? Continue reading “»Our Grandchildren Will Have to Pay Back Our Debts«”

Is the whole World going bankrupt? Government debt: What it is and how it functions

da83855671In the 1990s, it was “globalization.” Now “government debt” is considered the central problem of the world economy. The reason: for the first time since the Second World War, it is not the so-called developing countries that are experiencing a debt crisis, but rather established industrial countries. In Europe, a few governments have become insolvent and have to be financed by other states. In the United States, government debt has grown to levels that are otherwise only reached during wars. That is why Bild, Germany’s biggest tabloid, asked: “Is the Whole World Going Bankrupt?” (July 13, 2011), while the headline of the newsweekly Der Spiegel (32/2011) asked: “Is the World Going Bust?”

In the public discourse, two things seem to be clear: first, government debt is bad. And second, there is too much of it. “Saving” is therefore the order of the day. States want to become “trimmer,” public property is being privatized, and national wage levels are to be lowered in order to raise the level of “competitiveness” of the nation as a location for business. Government debt thus engenders the same political measures as the specter of “globalization” a decade ago.

Now all governments of the industrial countries have resolved to save more drastically. This affects the poor primarily in the form of social cuts – in all countries. Why is that the case? Where does all this debt come from? Why do all states incur debt – even though it is generally considered to be something bad? And why not just cancel these debts, if the whole world is suffering under them? These are some of the questions that this brochure seeks to answer. It does not attempt to assert that government debt is actually not a problem. Rather, it attempts to demonstrate the purposes that government debt serves, and when it becomes a problem – and for whom. Because ultimately, questions of debt are questions of distribution: some have to pay, while others benefit.

>>> »Is the whole World going bankrupt?«[pdf-file]

Translation of the original German version by Alexander Locascio.