Das Volk als Wille und Vorstellung. Die Forderung nach »Souveränität« ist für politische Emanzipationsprozesse mehr Irrlicht als Orientierungspunkt

Von Holger Oppenhäuser und Ingo Stützle

Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst der Souveränität. Links wie rechts erhofft sich, durch eine Stärkung staatlicher Souveränität wahlweise der kapitalistischen Globalisierung, der neoliberalen Banken- und Eurorettung und der Europäischen Zentralbank oder dem US-Imperialismus die Stirn bieten zu können -auch auf den sogenannten Montagsdemos stimmen einige ProtagonistInnen in diesen Chor ein. Continue reading “Das Volk als Wille und Vorstellung. Die Forderung nach »Souveränität« ist für politische Emanzipationsprozesse mehr Irrlicht als Orientierungspunkt”

Vom Wollen und Können: Europa und DIE LINKE

Nicht nur die Partei DIE LINKE, sondern auch viele Linke wissen nicht, wie sie sich zur Europawahl verhalten sollen, wie EU-Kritik formulieren. Es ist auch nicht leicht. Aber das Problem ist oft, dass nicht einmal klar ist, was die eigentlichen Konflikte sind. Stefan Liebich, Jan Korte, Julia Nüss, Luise Neuhaus-Wartenberg und Dominic Heilig haben heute ein Diskussionsangebot verfasst, eine Resultante aus den Debatten innerhalb der Partei DIE LINKE zum Entwuf des Parteivorstandes für ein Europawahlprogramm. Es wurde heute im neuen deutschland dokumentiert. Darin heit es u.a.:

Die LINKE muss deshalb auch 2014 glaubhaft aufzeigen, dass sie die Europäische Union zu einer sozial gerechten und demokratischen Union entwickeln will.

Continue reading “Vom Wollen und Können: Europa und DIE LINKE”

Welche Keynes-Kritik hätten sie den gerne?

Keynes-KarikaturAuf »Wirtschaft und Gesellschaft« versuchte vor ein paar Tagen Christian Christen, Keynes vor seinen LiebhaberInnen zu retten – zu Recht. All zu oft firmiert unter Keynesianismus etwas, was an Keynes und seiner Kritik an der Neoklassik vorbeigeht. Ein Grund, warum viele von Bastard-Keynesianismus sprechen, ein Begriff, der auf die Ökonomin Joan Robinson zurückgeht. Als Kritikfolie zieht Christian Christen auch einen Artikel von mir heran. Einen recht kurzen Artikel für die Tageszeitung neues deutschland, in dem ich zu Keynes Position beziehen sollte. Eine klassische Pro/Contra-Diskussion, bei der sich Heiner Flassbeck für den Keynesianismus ins Zeug legen sollte. Kein Wunder also, dass Keynes bzw. der Keynesianismus bei mir nicht all zu gut wegkam. Auftrag erledigt.

Continue reading “Welche Keynes-Kritik hätten sie den gerne?”

Mitterrands Albtraum: Ein Europäisches Währungssystem ist keine Alternative

François Mitterrand 2099 bei der Université d’été du parti socialiste.

Als Oskar Lafontaine in einem Interview beiläufig sagte, er wäre dafür, Euro-Ländern den Ausstieg aus der Gemeinschaftswährung zu ermöglichen, wusste die Öffentlichkeit noch nicht, dass die Rosa-Luxemburg-Stiftung gerade dabei war, eine Studie zum Thema zu veröffentlichen – u.a. von Lafontaines ehemaligem Staatssekretär Heiner Flassbeck. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Debatte geriet auf jeden Fall ins Rollen (lange vor Veröffentlichung der Flassbeck-Lapavitsas-Studie). Ausführliche Dossiers beim nd und der rls versammelt wichtige Beiträgen und Berichte. Continue reading “Mitterrands Albtraum: Ein Europäisches Währungssystem ist keine Alternative”

Prokla 171 erschienen! Demokratie und Herrschaft, Parlamentarismus und Parteien

Für die Prokla 171 habe ich mich erneut als Gastredakteur nützlich gemacht. Nach den Debatten im letzten Jahr zur Linkspartei war es mir wichtig, dass die Debatte weitergeht bzw. auf angemessenem Niveau erstmal beginnt. Nun ist die Ausgabe erschienen – passend zum anstehenden Wahkampf im Vorfeld der Bundestagswahlen im September.

»Demokratie, Öffentlichkeit, Parteien sind in den letzten Jahren verstärkt Gegenstand politischer Auseinandersetzungen geworden. Es sind insbesondere die sozialen Bewegungen vom “arabischen Frühling” bis zum Protest gegen “Stuttgart 21”, die den Mangel an Demokratie und Beteiligung beklagen, die kritisieren, dass in der repräsentativen Demokratie die Interessen der Bevölkerung nicht ausreichend vertreten sind. Auch die Kritik an der Repräsentation ist nicht neu. Immer wieder kommt es zur Bildung von Protest- und Anti-Partei-Parteien. PROKLA 171 fragt u.a.: Welchen Illusionen über neue und alte Formen der Öffentlichkeit, welchen Illusionen über die Möglichkeiten parlamentarischen Einflusses sitzt man auf? Ist Demokratie “nur” die adäquate Form bürgerlicher Herrschaft oder steht sie potenziell dem “Zwang der ökonomischen Verhältnisse” entgegen, eröffnet sie eine Perspektive zur Überwindung von Ausbeutung und Herrschaft? Welche Rolle spielen die Parlamente, die Parteien, die Wahlen, die Öffentlichkeit im bürgerlichen Herrschaftsapparat? Was können linke Parteien zu emanzipatorischen Prozessen beitragen?nsnationalen Konzerne und den multiplen globalen Krisen fragen.«

Das Inhaltsverzeichnis findet ihr hier.

FAQ. Noch Fragen? War das EWS besser als der Euro?

DMark
War die D-Mark mit dem EWS keine Mittel der deutschen Hegemonialpolitik? Foto: CC-Lizenz, oxfordian

Die Debatte innerhalb der Linken hat nochmals Fahrt aufgenommen: Soll am Euro festgehalten werden? Der Euroausstieg wird als Antwort auf die Krisenpolitik »von oben« präsentiert. Zumindest wird behauptet, der Euro sei mitverantwortlich dafür, dass der Austeritätskurs möglich ist. Der Vorschlag: zurück zum Europäischen Währungssystem (EWS), das, zumindest formal, von 1979 bis zur Einführung des Euro 2002 herrschte. Was jedoch gerne unter den Tisch fällt: auch hier dominierte Deutschland.  Continue reading “FAQ. Noch Fragen? War das EWS besser als der Euro?”

Streitfrage im nd: Was taugt Keynes zur Lösung der aktuellen Krise?

Die Eurokrise hält die um die deutsche Wirtschaft besorgte Politik im Bann – auch die am Keynesianismus orientierten Linken. Angesichts des 2013 erwarteten Rückgangs des Bruttoinlandprodukts in der Eurozone zeigte sich der Chefvolkswirt der LINKEN, Michael Schlecht, sehr beunruhigt. »Wer jetzt nicht dafür sorgt, dass die Löhne kräftig steigen, gefährdet auch noch den letzten Stabilitätsanker der deutschen Wirtschaft. Das blinde Vertrauen in die positive Entwicklung der Exporte muss endlich einem gesunden Realismus weichen«, so Schlecht. Die zitierte Pressemitteilung macht ein Grundproblem des Keynesianismus deutlich. Er sorgt sich, genauso wie die neoliberalen Kräfte und Unternehmensverbände, vor allem um Kapitalakkumulation und profitable Investitionen. Continue reading “Streitfrage im nd: Was taugt Keynes zur Lösung der aktuellen Krise?”

Seminarreihe zur Euro-Konstruktion. Teil III und IV: Verlaufsform und Zuspitzung des Widerspruchs – Eine Krise viele Antworten?

«Regierungen und Zentralbank werden alles tun, um den Euro zu erhalten», sagt Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Was ist «alles»? Die Anti-Krisenstrategie basiert bislang auf drei Säulen: Die Staaten richten einen 500-Milliarden-Euro-Rettungsschirm (ESM) ein; die EZB kauft Anleihen von Krisenstaaten; die Länder der Eurozone beschließen Sparprogramme und «Strukturreformen», um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Angesichts des ökonomischen Niedergangs in Griechenland, Portugal und Spanien bleibt die Frage: Was «rettet» der Rettungsschirm eigentlich? Und was stützen die Stützungskäufe der EZB? Was bedeutet es, wenn die Zentralbank Staatsanleihen kauft und den Finanzmarkt mit «Milliarden flutet»? Und wer zahlt dafür, dass massenhaft «Geld gedruckt» und Garantien gegeben werden?

Auch der Vortrag und die Diskussion des dritten Teils sind nun online:

4. «Eine Krise viele Antworten?»

Die herrschende Krisenpolitik zeigte wieder einmal: Wer die Definitionsmacht über ein Problem hat, bekommt die (politische) Lösungskompetenz. Konkret: Aus der Krise des Kapitals wurde eine Staatsschuldenkrise gemacht, für die alle bzw. vor allem die Lohnabhängigen haftbar gemacht werden mit Sparhaushalten, Renten- und Lohnkürzungen, Flexibilisierung der Arbeitsmärkte etc.

Gleichzeitig ist die linke Diskussion über Krise und Wege aus der Krise lebendiger denn je. Krise bedeuten immer auch Risse im Putz – Morgenluft für eine andere Gesellschaft. Welche linken Erklärungen prägen die letzten Jahre? Welche Konzepte werden von links angeboten? Kann es einen «linken» Austritt Griechenlands aus der Eurozone geben? Was bringt ein Schuldenschnitt? Helfen Eurobonds oder die Finanztransaktionssteuer? Ist eine Verstaatlichung oder eine Zerschlagung von Banken angesagt? Was ist mit Kampagnen wie UmFairteilen? Was hat es mit Vollgeld auf sich? Wie aktuell ist die Frage nach einer Gesellschaft jenseits von kapitalistischer Herrschaft?

Auch der Vortrag und die Diskussion des vierten Teils sind nun online:

Die komplette Dokumentation der Reihe findet ihr hier. Vielleicht sehen wir uns bei der Abschlussveranstaltung!

Vortrag und Diskussion: Kein Staat zu machen? Die Krise, der Staat und die Linke

Die letzten Jahre führten nicht nur vor Augen, dass der Kapitalismus nur krisenhaft zu haben ist, sondern dass der Staat alles Nötige tut, damit er nicht den Bach runtergeht. Er hat Konjunkturprogramme aufgesetzt, Banken gerettet, verstaatlicht und nicht nur Griechenland ein Sparprogramm aufgezwungen. Wer für die Krise zahlen muss, war schnell klar: Lohnabhängige, RenterInnen, Prekäre. Eine radikale und theoretisch fundierte Staatskritik ist nötiger denn je. Die Veranstaltung wird in materialistische Staatstheorie und -kritik vor dem Hintergrund der Krise einführen. Ziel ist es, Fragen zu diskutieren, die für die außerparlamentarische Linke aktuell von Bedeutung sind. Wie gestaltet sich das Verhältnis von Staat und Kapital? Ist der Staat nur Instrument und Repressionsapparat des Kapitals? Hat der Staat ein Geschlecht? Sind linke Parteien Teil des Staats und außerparlamentarische Bewegung autonom? Diese Fragen sollen mit den Theorien von unter anderem Gramsci, Althusser
und Poulantzas diskutiert werden. Vorkenntnisse sind nicht nötig.

Freitag, 8. Februar 2012, 19.30h, Infoladen Wilhelmsburg, Fährstr. 10.

Die Veranstaltung wird unterstützt vom Verein für politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

Was passiert, wenn man bei die-linke.de auf »Mitglied werden« klickt

Der Parteitag der Linkspartei in Göttingen im Juni 2012 markiert einen Wendepunkt. Zumindest wenn man den Diskussionen über DIE LINKE seitdem Glauben schenken mag. Nicht nur die Umfragewerte nehmen wieder zu. Seit Göttingen gibt es auch eine Diskussion, wie wichtig es ist, ein Parteibuch zu haben. Bitter nötig wären Neumitglieder für die Linkspartei allemal.

Nicht nur für diejenigen, die nach dem Parteitag in Göttingen öffentlich nach dem Parteibuch griffen, war Göttingen ein Anlass. Auch für Robert, der das Durchschnittsalter bei Eintritt in DIE LINKE von 41 Jahren fast genau trifft. In der Nacht der Wahl von Katja Kipping und BerndRiexinger ist er eingetreten – per Mausklick. Mich interessierte, was nach einem solchen Schritt passiert. Also lud ich Robert zu Kaffee und Kuchen ein, um mir anzuhören, was ihn motiviert und welche Erfahrungen er seit Juni gemacht hat. >>> Weiterlesen in ak 576.

ak-Sonderseite zum Verhältnis von Parteien, organisierter Linke und Bewegungen

Anfang Juni 2012 wurden in Göttingen Katja Kipping und Bernd Riexinger zu den Vorsitzenden der Partei DIE LINKE gewählt. Eine Fortsetzung des selbstzerstörerischen innerparteilichen Konflikts schien vorerst abgewendet zu sein. Diesen »Kurswechsel« nahmen 18 Linke aus sozialen Bewegungen, Wissenschaft und Gewerkschaften zum Anlass, öffentlich ihren Eintritt in die Partei zu erklären. Dieser Schritt löste eine Debatte aus, die in ak 574 in Ausschnitten dokumentiert und in einem polemischen Aufmacher kommentierten wurde. Es war (und ist) der ak-Redaktion unklar, was die GenossInnen mit dem Eintritt in die Partei politisch bezwecken wollen.

Die ak-Redaktion argumentiere an der Problematik vorbei, kritisiert Mario Candeias, der zu den 18 Neumitgliedern zählt. In einem an die ak-Redaktion adressierten Text verdeutlicht er die Gründe der Initiative und plädiert für ein anderes Parteiverständnis. Auch Raul Zelik antwortete der ak-Redaktion und mir, da ich in einem Offenen Brief an Raul Zelik wenig Verständnis für die Initiative gezeigt hatte. Die meisten Debattentexte in diesem Zusammenhang sind auf der Website Lafontaines Linke dokumentiert. Die ak-Redaktion hat nun Debattenbeiträge der letzten Jahre auf einer Sonderseite zusammengestellt.

CfP: Demokratie und Herrschaft, Parlamentarismus und Parteien

Die Prokla-Redaktion lädt zur Einsendung von Exposees zum Thema Demokratie und Herrschaft, Parlamentarismus und Parteien:

Nicht erst infolge der großen Krise ab 2008 wird eine Erosion der Demokratie konstatiert. Dies geschieht seit langem. In der linken Diskussion stehen dafür die Namen Agnoli, Poulantzas, Hirsch und jüngster Zeit Crouchs Diagnose von der Postdemokratie. Aber gibt es tatsächlich ‚mehr‘ oder ‚weniger‘ Demokratie? Kann es einen kontinuierlichen Abbau der Demokratie geben? Wann gab es denn die ‚wirklich‘ demokratischen Verhältnisse?

Weiterlesen bei PROKLA.

Der zerbrochene Kopf des Kapitals

In der Diskussion über Sahra Wagenknechts politische Aneignung einiger Begriffe von Ludwig Erhard und über die Frage, ob die Linke – nicht nur die gleichnamige Partei – die Krise theoretisch auf ausreichendem Niveau reflektiert, haben Ulrike Herrmann von der tageszeitung (hier) und Albrecht von Lucke von den Blättern für deutsche und internationale Politik (hier) ihre Positionen dargelegt. Warum nicht Roosevelt?, fragte Ulrike Herrmann und kritisierte, dass Sahra Wagenknecht auf den Liberalen Ludwig Erhard hereinfalle. In meiner Replik argumentiere ich, dass beide, Herrmann wie Wagenknecht, die falschen Fragen stellen.

Eine detailiertere Auseinandersetzung mit Keynes findet ihr hier.

Vorsicht, falsche Freunde. Die Linke hat in der Debatte um die Eurokrise eine besondere Verantwortung.

Rudolf Hickel und Axel Troost haben ein Papier geschrieben, in dem sie für die Eurorettung plädieren und nochmals resümieren, was ihnen zufolge den Kern der Eurokrise ausmacht und was eine linke Wirtschaftspolitik angehen sollte.[1. siehe hierzu auch den Beitrag von Joachim Bischoff im Sozialismus] Das neue deutschland hat das Papier dokumentiert, dessen Katalog an Vorschlägen und Forderungen nicht gerade kurz ist. Es zeigt sich jedoch mal wieder ein Problem linker ÖkonomInnen: sie thematisieren die Eurokrise vornehmlich als volkswirtschaftliches Problem, zerbrechen sich den Kopf des Kapitals und verstehen unter Politik die Formulierung ›vernünftiger‹ Vorschläge. Continue reading “Vorsicht, falsche Freunde. Die Linke hat in der Debatte um die Eurokrise eine besondere Verantwortung.”

Ein Brief an Raul Zelik

Vor ein paar Tagen ist der Schriftsteller und Politautor Raul Zelik in die Linkspartei eingetreten. Der Schritt hat eine Debatte über das Verhältnis von unabhängigen Linken und der Partei angestoßen – unter anderem bei Lafontaines Linke. Anne Roth fragt sich, wie es gelingen soll, diese Partei, in der gleich mehrere Flügel quasi mit Gewalt jede Veränderung bekämpfen, von innen zu ändern, nur weil der Vorstand gewechselt hat. Thomas Seibert sieht nach dem Göttinger Parteitag für die Linkspartei bessere Chancen, über ihr bisheriges Milieu hinaus attraktiv zu werden – will aber lieber im Rahmen der Mosaiklinken und nicht als Mitglied die Zusammenarbeit fortsetzen. Ich habe zu dieser Debatte einen weiteren Gastbeitrag beigesteuert: Continue reading “Ein Brief an Raul Zelik”