Exploring Economics: Eine Kritik der Modern Monetary Theory als geldtheoretisches Konzept

Angesichts der Wirtschafts-, Geld- und Finanzpolitik infolge der COVID-19-Pandemie sowie den finanziellen Spielräumen, die anlässlich des russischen Kriegs gegen die Ukraine plötzlich für das Militär möglich waren, wurde das geldtheoretische Konzept Modern Monetary Theory (MMT) prominent. Das Projekt »Explorings Economics« des Netzwerks Plurale Ökonomik hat mir gebeten, meine Kritik an MMT, die ich ursprünglich für die Zeitschrift PROKLA ausformuliert hatte, zu überarbeiten. Der Text ist jetzt frei zugänglich: https://www.exploring-economics.org/de/entdecken/eine-kritik-der-modern-monetary-theory-als-geldtheoretisches-konzept/

Pausenlose Profitlogik

Wer die Ursachen für die Erwerbszentrierung der Gesellschaft ergründen will, kommt am Mehrwert nicht vorbei

»Ökonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf« heißt es in Karl Marx‘ »Grundrissen «. Was meint er damit? Menschen leben und überleben, indem sie füreinander da sind, mit- und füreinander »arbeiten«. Die Formen, wie diese Arbeitsteilung organisiert ist, sind jedoch sehr verschiedenartig. Nicht nur historisch, also über die Jahrhunderte, ja Jahrtausende hinweg, sondern auch unter den herrschenden kapitalistischen Verhältnissen sind da recht unterschiedliche soziale Logiken am Werk.

In der Wohngemeinschaft regelt die Putzuhr, wann wer was zu tun hat. Wird sie von wem ignoriert, kann man zumindest daran erinnern, dass man sich einmal gemeinsam auf diese Form der Arbeitsteilung verständigt hat. In Haushalten von Kleinfamilien gibt es eine Putzuhr eher selten. Die patriarchal geprägten Geschlechterverhältnisse bestimmen hier, dass meist Frauen ihre Lebenszeit für reproduktive Arbeiten opfern müssen. Vor allem an Wochenenden, so zeigen Studien, haben Männer Freizeit – Frauen weniger. Damit aber auf dem Herd überhaupt etwas gekocht werden kann, müssen Lebensmittel vorhanden sein. Die erhält man im Supermarkt gegen ein Teil des Lohns. Diesen bekommt man nur dann, wenn man einen Teil der eigenen Lebenszeit jemand anderem als Arbeitszeit zur Verfügung stellt – als Arbeitszeit in einem Unternehmen, indem die eigene Arbeitskraft verkauft wird, gegen Lohn. In einer von Herrschaft geprägten Gesellschaft verfügt man nur selten über die eigene Lebenszeit. Selbst dann, wenn man keine Lohnarbeit hat, arbeitslos ist: Das Jobcenter will nicht, dass man unangekündigt in Urlaub geht, man soll sich »zur Verfügung« halten.

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Die Leidenschaft am Eigeninteresse. Adam Smith und die Politische Ökonomie auf der Suche nach ihrem Gegenstand

Auch wer von Adam Smith noch nie etwas gehört hat, kennt wahrscheinlich die fixe Idee, dass die Marktkräfte wie eine „unsichtbare Hand“ wirken und dafür sorgen, dass die Wirtschaft effizient und gerecht funktioniert.[1] Diese Metapher wird gerne dann strapaziert, wenn wahlweise Staats- oder Marktversagen beklagt und eine neue „Balance“ angemahnt wird – oder Adam Smith gewürdigt werden soll, dessen 300. Geburtstag in diesen Tagen zu feiern wäre. Wann genau, weiß man bis heute nicht, denn der Tag seiner Geburt ist nicht überliefert. Das Datum, an dem er getauft wurde, hingegen schon. Es war der 5. Juni – zumindest nach dem julianischen Kalender, einem der ältesten Sonnenkalender, dem Vorläufer des heute gebräuchlichen gregorianischen.[2] Die Umstellung vom einen auf den anderen sollte dem Auseinanderdriften von Kalender- und Sonnenjahr entgegenwirken – quasi zweier Zeitrechnungen, einer abstrakten und einer „natürlichen“, ein Gegensatzpaar, das geradezu symptomatisch für die Zeit steht, in der Smith sich den Kopf über den „Wohlstand der Nationen“ zerbrach.

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Marx-Engels-Werke: Keine unschuldige Lektüre

Im Interview mit neues deutschland spricht Ingo Stützle vom Karl Dietz Verlag Berlin über Mühen und Erkenntnisgewinn der Überarbeitung der Marx-Engels-Werke.

Sebastian Klauke: Ende März 2023 ist die überarbeitete Neuauflage des Bands 21 der Marx-Engels-Werke (MEW) erschienen. Warum sollte dieser heute noch gelesen werden?

Ingo Stützle: Der Band umfasst die Texte, die nach Marx’ Tod im März 1883 entstanden sind. Engels war in dieser Zeit mit dem Nachlass von Marx und ihrem gemeinsamen politischen und publizistischen Erbe betraut. Wie er dieses Erbe annahm und was er daraus machte, lässt sich in dem Band nachvollziehen. Es findet sich darin etwa Engels’ »Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats« sowie »Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie«. Dies sind zwei Texte, die vor allem aufgrund der politischen Umstände zu dem wurden, als das sie bis heute gelten: zu Referenzwerken des historischen Materialismus, wie er sich nach Marx’ Tod herausbildete.

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Material für Theoriearbeit: Was Karl Marx und Friedrich Engels in England suchten und fanden

»In England ist immer Wales eingeschlossen, in Großbritannien England, Wales und Schottland, im Vereinigten Königreich jene drei Länder und Irland.«

Karl Marx: Das Kapital, MEW, Bd. 23, S. 683, Fn. 107.

Im Vorwort zur Erstauflage des »Kapitals« von 1867 schreibt Karl Marx, dass die »klassische Stätte« der kapitalistischen Produktionsweise England ist. Dies sei der Grund, warum er es zur »Hauptillustration« seiner »theoretischen Entwicklung« herangezogen habe. Wer glaube, mit den Achseln zucken zu müssen, so Marx weiter, dem rufe er zu: »Über dich wird hier berichtet!« Sein Hauptwerk »Das Kapital« erschien fast 20 Jahre nachdem er auf die Insel geflüchtet war; die englische Übersetzung des ersten Bandes des »Kapitals« sollte er jedoch nicht mehr erleben. Sie erschien vier Jahre nach seinem Tod im Jahr 1883. Warum fand Marx England so zentral für die Analyse des Kapitalismus, stellte diese aber auf Deutsch an?

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Wie die Mathematik in die Wirtschaftswissenschaften kam und die Verhältnisse mystifiziert

Wenn jeder Mensch auf eine Zahl reduziert wird, kann das Unternehmen niemals die ganze Person sehen«, heißt es im Harvard Business manager (7/2022, S. 28), womit das Magazin eine gängige Kritik formuliert, warum der Kapitalismus unmenschlich ist, nämlich, dass von all dem, was einen Menschen ausmacht, abstrahiert wird und am Ende nur eine Zahl übrig bleibt. Ein Businessmagazin hat selbstredend keine Gesellschaftskritik im Sinn. Wer diese jedoch formuliert, kommt nicht umhin, auch die Wirtschaftswissenschaften zu kritisieren, die beanspruchen, die herrschende Wirtschaftsweise zu verstehen.

Nicht ohne Grund trägt Marx’ Hauptwerk »Das Kapital« den Untertitel »Kritik der Politischen Ökonomie«, womit der Kapitalismus und die Wissenschaft gemeint sind. Und die Disziplin, selbst die Strömungen, die sich als »heterodox«, also nicht dem Mainstream folgend, verstehen, zeichnen sich heute durch Mathematik aus: Formeln, Gleichungssystem, Kurven und Matrizen. In einem verhältnismäßig weit verbreiteten heterodoxen VWL-Lehrbuch heißt es: »Es gibt Vertreter in der Zunft der Volkswirte, die davon ausgehen, dass erst mit der Einführung der Mathematik die Volkswirtschaftslehre zur Wissenschaft geworden ist und theoretische Aspekte, die nicht mathematisch formulierbar sind, in der Volkswirtschaftslehre keinen Platz haben sollten.«

Die marginalistische Revolution

Mathematik fasste erst im 19. Jahrhundert Fuß in den Wirtschaftswissenschaften, während aus political economy die Selbstbezeichnung economics wurde, und mauserte sich zur tonangebenden wissenschaftlichen Methode. Das lässt sich anhand der Verwendung in Fachzeitschriften aufzeigen. So wurden 1930 in zehn Prozent der Beiträge in den Fachzeitschriften Economic Journal und American Economic Review Formeln verwendet, während es 50 Jahre später bereits 75 Prozent waren. Im Jahr 1892 wurden in 95 Prozent aller Artikel in den vier führenden Wirtschaftszeitschriften weder geometrische Darstellungen noch Formeln verwendet, während etwa hundert Jahre später sich das Verhältnis umgedreht hatte.

Dieser Prozess ging mit der sogenannten marginalistischen Revolution einher, die sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vollzog und die neue Fragestellungen etablierte. Die gesellschaftliche Konfliktlinie war nicht mehr die zwischen grundbesitzendem Feudaladel und industriellem Kapital, wie zur Zeit der ökonomischen Klassik (von William Petty bis David Ricardo), sondern der Kapitalismus hatte sich bereits etabliert und die zentrale Konfliktlinie war nunmehr die zwischen Lohnarbeit und Kapital – zwischen formal Freien und Gleichen, die gleichermaßen nach Glück streben.

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Schulden, ohne Sühne

Man kann sich etwas zu Schulden kommen lassen und Schulden haben. Auch wenn hier das gleiche Wort verwendet wird, so liegen dem Satz ganz unterschiedliche gesellschaftliche Phänomene zugrunde. Im Folgenden soll es allein um das ökonomische Phänomen der Schulden gehen, die Schulden, die mit Geld beglichen werden können. Und damit ist man bereits mitten drin, denn Schulden bezeichnen wesentlich eine soziale Beziehung, eine zwischen Schuldnerinnen und Gläubigerinnen. Die Beziehung endet erst, wenn die Schuld beglichen wird, mit Geld. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Geld. Wechselt eine Ware die Hände und wird unmittelbar mit Geld bezahlt, ist die Beziehung zwischen Käuferin und Verkäuferin bereits wieder aufgelöst. Anders bei einer Schuldbeziehung. Sie besteht, solange das Kreditverhältnis besteht. Zudem setzt eine Schuldnerinnen-Gläubigerinnen-Beziehung immer Geld voraus, d.h. ein Medium, das laut Kontrakt die Kreditbeziehung beendet.

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How Unscientific is the Labor Theory of Value?

[Translated version of »Wie unwissenschaftlich ist die Arbeitswerttheorie?«, originally published by Viewpoint Magazine – thanks a lot!]

In any Capital course, the question of whether the labor theory of value is still valid is a much discussed issue, one that extends to the third volume, as the transformation problem (which I won’t go into at all) shows. The point of departure for my elaboration is a podcast that is currently popular in Germany that deals with Marx’s Capital, and the reaction by listeners in a Twitter thread. I wanted to keep my response short, but my two observations are too long for Twitter.

In my opinion, Marx does not formulate a substance theory, [1] because that which is referred to as substance, value, is purely social. He also does not intend to prove that labor underlies value (see his letter to Kugelmann); rather, he poses the question of why labor, under the reign of the capitalist mode of production, takes on the forms of value. In the Contribution to the Critique of Political Economy (an earlier work from 1859), he makes it more explicit by writing that he only examines commodities that are products of labor (and not those that aren’t products of labor – which means conversely that he must be able to explain how something that is not a product of labor obtains a price, such as untilled soil).

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Erweiterte Neuauflage von »Kapitalismus: Die ersten 200 Jahre« erschienen

Thomas Pikettys »Das Kapital im 21. Jahrhundert« hat wie kaum ein anderes wissenschaftliches Werk international Furore gemacht, Begeisterung hervorgerufen – aber auch heftige Kritik provoziert. Angesichts des sensationellen Erfolgs der 800-Seiten-Studie stellt sich die Frage, woher der Hype um Pikettys Buch kommt. In kompakter, verständlicher Form referieren wir Inhalt und Argumente des monumentalen Werks und erörtert die Kontroversen, die diese »Bibel der Umverteilungspolitiker« (Manager-Magazin) ausgelöst hat; zudem zeigen die beiden Autoren die Grenzen, Leerstellen und Irrtümer der »Piketty-Revolution« (Paul Krugman) auf. – Die gerade erschienene Neuauflage ist um ein Kapitel zu Pikettys »Kapital und Ideologie« erweitert.

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Sozialdemokratischer Ideen-Parcours

Trotz des Plädoyers für einen »partizipativen Sozialismus« bleibt Thomas Piketty auch in seinem neuen Buch ein bürgerlicher Ökonom

Kein neuer Marx, sondern am Ende och nur ein bürgerlicher Ökonom: Thomas Piketty. Foto: Sue Gardner / Wikimedia, CC BY-SA 3.0
Kein neuer Marx, sondern am Ende och nur ein bürgerlicher Ökonom: Thomas Piketty. Foto: Sue Gardner / Wikimedia, CC BY-SA 3.0

Viele werden es nicht einmal geschafft haben, die Lektüre von Thomas Pikettys »Das Kapital im 21. Jahrhundert« abzuschließen, das 2014 auf deutsch erschien und international eine breite Diskussion über Ungleichheit lostrat. Nun hat der französische Wirtschaftswissenschaftler bereits ein neues Buch veröffentlicht: »Kapital und Ideologie«. Es sorgt bis dato, obwohl explizit politischer, nicht für vergleichbaren Wirbel. Pikettys jüngstes Werk »befasst sich mit der Geschichte und Zukunft von Ungleichheitsregimen«. Seine zentrale These ist, dass der »Kampf für Gleichheit und Bildung … die Wirtschaftsentwicklung und den menschlichen Fortschritt möglich gemacht hat, nicht die Heiligsprechung von Eigentum, Stabilität und Ungleichheit.« Der Autor führt sein Projekt  eine Analyse der Ungleichheit und ihrer Dynamiken  demnach fort, diskutiert jedoch vertieft deren Ursache  die Eigentumsverhältnisse  und deren Rechtfertigung  die Ideologie. Sie ist der zentrale Begriff im neuen Buch. Piketty versteht darunter ein »Gefüge von Ideen und Diskursen«, die »auf grundsätzlich plausible Weise beschreiben wollen, wie die Gesellschaft zu organisieren sei.« Der Begriff bezeichnet somit weder eine Illusion oder einen falschen Schein, angesiedelt im Reich der Ideen. Ideologie ist für Piketty wesentlich eine Praxis der Legitimierung, etwa der Ungleichheit. Grundlegend seien hier »politisch-ideologische Kräfteverhältnisse zwischen den verschiedenen Gruppen und Diskursen« in der Gesellschaft. Diese seien nicht allein »materielle«, sondern »vor allem intellektuelle und ideologische Kräfteverhältnisse«.

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Hexen verbrennen, Geldfälscher hängen

»Um dieselbe Zeit, wo man in England aufhörte, Hexen zu verbrennen, fing man dort an, Banknotenfälscher zu hängen.« (MEW 23: 783)

Karl Marx stimmt mit diesem Satz an, wie die moderne Eigentums- und Geldordnung durchgesetzt wurde, blut- und schmutztriefend, als Resultat eines gewaltsamen Prozesses. Er wendet sich damit gegen die Selbstverklärung der bürgerlichen Gesellschaft, die ihre eigene Geschichte – etwa in der Politischen Ökonomie – gern als eine von Fortschritt und Zivilisation zeichnet und idealisiert. Dieses Bild zurecht zu rücken, fällt vor allem bei den Kategorien Geld und Eigentum schwer, die als etwas Selbstverständliches, immer schon Vorhandenes gelten. In der Vergangenheit werden nur die modernen Formen wiedererkannt, statt diese in ihrer historischen Spezifik zu begreifen. Marx hatte für diese Form der Rückprojektion oft beißenden Spott übrig. Während Marx die historische Durchsetzung der modernen Eigentumsordnung im Kapital kritisch nachzeichnet, bleiben seine Ausführungen zu Geld auffällig spärlich. Für die PROKLA bin ich der Genese nachgegangen und wollte dem historischen Hintergrund des Zitats zu Hexerei und Geldfälschung nachgehen. Leider war hierfür kein Platz und der Exkurs hätte etwas vom Thema des Beitrags weggeführt. Deshalb möchte ich meine Notizen hier zugänglich machen.

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Wie unwissenschaftlich ist die Arbeitswerttheorie?

Ich habe mir den Wohlstand-für-alle-Podcast zum Kapital angesehen und es gäbe viel zu sagen, aber die Bitte, mich zu Wort zu melden, war nicht der Podcast, sondern ein Twitter-Thread bzw. ein Reply darauf. Auch hier gäbe es viel zu sagen und zu erwidern. Ja, der Thread bietet Anlass, einen längeren Text zum Thema zu schreiben, denn es stimmt: In jedem Kapital-Kurs ist die Frage danach, ob die Arbeitswerttheorie noch gilt, eine gern diskutierte Frage, eine, die sich bis zum dritten Band zieht, wie das Trafo-Problem zeigt (worauf ich gar nicht eingehen will). Ich will nur zwei Anmerkungen machen, die viel zu lang geraten sind, um sich bei Twitter wohl zu fühlen. Es ist aber auch noch kein längerer Text.

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Forschungsnotiz: Eigentumsprämie, Urwert und Geld bei Gunnar Heinsohn und Otto Steiger

Für die neue PROKLA habe ich einen Beitrag zu Eigentum und Geld beigesteuert. Wie es so ist, war nicht für alles Platz – nicht nur weil der Beitrag keine 20 Druckseiten umfassen sollte, sondern auch weil die konzeptionelle Anlage des Beitrags es nicht zuließ. Wenn eine Zwischenüberschrift »Exkurs« im Namen trägt, sollte man sich immer zwei Mal überlegen, ob das meist durchaus interessante Material wirklich für die Fragestellung relevant ist. Weil ich aber darum gebeten wurde, meine Auseinandersetzung mit Gunnar Heinsohn und Otto Steiger zugänglich zu machen, stelle ich meine skizzenhaften Überlegungen hier ein. Skizzenhafte Überlegungen deshalb, weil ich den Exkurs nicht ausgearbeitet habe.

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Neuerscheinung: Mythen über Marx. Die populärsten Kritiken, Fehlurteile und Missverständnisse

200 Jahre Karl Marx, 150 Jahre Das Kapital, 100 Jahre russische Revolution – anlässlich der Jubiläen erscheinen fast täglich Einschätzungen und Kommentare zum Werk des großen Denkers. In der Regel wird Marx kritisiert und verworfen. Und wenn er gewürdigt wird, dann nur mit einer gewissen gönnerhaften Nachsicht. Schließlich sind sich fast alle einig: Marx hat zumeist falsch gelegen. Er hat den Untergang des Kapitalismus prophezeit, heißt es. Sein Werk beschreibe nur eine bestimmte historische Phase und beruhe auf einer überholten Arbeitswertlehre. Marx wollte alles verstaatlichen, er habe die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen ebenso ignoriert wie die ökologische Frage und stattdessen den industriellen Fortschritt verherrlicht.
Einige dieser Urteile sind zumindest fragwürdig, manche schlicht falsch, andere Kritiken treffen einen wunden Punkt. So geläufig vielen der Name Marx ist, so unbekannt ist oftmals sein Werk. Der vorliegende Band will in knapper und leicht verständlicher Form für Aufklärung sorgen und dafür werben, sich mit Marx´ Theorie zu beschäftigen. Hat er wirklich die fortschreitende Verelendung der Arbeiter∗innen prophezeit? Gibt es heute keine Klassen und keine Ausbeutung mehr? Führt ein direkter Weg von seiner Theorie zum Gulag? Ob und inwieweit Marx doch richtig lag, ist nicht bloß von historischem Interesse. Denn die Haltung zu seinen Analysen spaltet heute noch die politischen Lager in aller Welt. Und anhand von Marx´ Werk wird noch immer die Frage diskutiert: Ist eine andere Welt möglich?

Das Autor*nnenkollektiv sind: Valeria Bruschi, Jakob Graf, Charlie Kaufhold, Anne-Kathrin Krug, Antonella Muzzupappa und Ingo Stützle. Erschienen sind die 136 Seiten bei BERTZ + FISCHER.

Leseproben

Pressestimme

  • »Marx hat viele Texte hinterlassen und seine Gedanken oft revidiert. Allein deswegen kann das Buch die Frage ›Hatte Marx recht?‹ nicht abschließend beantworten. Aber das ist kein Mangel. Denn die heiße Frage ist ja nicht, ob Marx unfehlbar war. Sondern ob der Kapitalismus eine feine oder zumindest alternativlose Sache ist. Dazu hat Karl Marx einiges gesagt, mit dem man sich beschäftigen sollte. Dieses Buch lädt dazu ein.« (Stephan Kaufmann, der freitag)
  • »Nicht jeder wird sich auf die umfangreicheMarx-Literaturstürzen wollen – wohl aber ein paar aktuelle Fragen haben. Dafür empfiehlt sich das Büchlein „Mythen über Marx“, verfasst von einem „Autor_innenkollektiv“ marxistischer Provenienz. Sei’s drum; das Büchlein, das Fragen in Aussageform wie „Es gibt keine Klassen mehr“ formuliert und ohne längliche Zitierung von geheiligten Marx-Sentenzen beantwortet, sorgt zumindest für erste Aha-Erlebnisse – etwa jenes, dass das Kollektiv bei Fragen wie nach dem „Untergang des Kapitalismus“ ins Schleudern gerät. Samt einem nur mit Humor zu nehmenden Verweis auf die „Blauen Bände“ der DDR-Marx-Engels-Ausgabe: „MEW 23: 657 Fn 77c“. Jetzt schnell mal nachschlagen!« (Bernhard Schulz, Der Tagesspiegel)

 

Ein nagelneuer blauer Band, die MEW Nummer 44, ist aus dem Druck

Nach fast 30 Jahren ist es jetzt wieder soweit: Ein nagelneuer blauer Band, die MEW Nummer 44, ist aus dem Druck und glänzt, nicht nur mit den goldenen Lettern auf dem Titel, sondern auch mit Vorwort, Register, etc.pp., ediert und kommentiert von Rolf Hecker und mir – mit einem interessanten Entstehungskontext.

Rechtzeitig zum 200. Geburtstag von Karl Marx erscheint damit erstmals ein weiterer Band der Marx-Engels-Werke. Mit dem neuen Band MEW 44 liegt das 23 Hefte umfassende Manuskript »Zur Kritik der politischen Ökonomie« in den Marx-Engels-Werken nun fast vollständig vor. Teile davon sind bereits in den Bänden MEW 26.1-3 und 43 erschienen. Marx schrieb dieses Manuskript in den Jahren 1861 bis 1863. Es ist die größte zusammenhängende Ausarbeitung, die Marx zwischen den »Grundrissen« und dem »Kapital« verfasst hat. Die Manuskripte, die jetzt als MEW 44 erscheinen, erlauben einen tiefen Einblick in die Art und Weise, wie Marx mit der Darstellung der Mehrwertproduktion und der Akkumulation des Kapitals gerungen hat. Aus der Perspektive des »Kapital« gelesen, kann man hier nachvollziehen, wie Marx manchen theoretischen Problemen bei der Analyse der kapitalistischen Produktionsverhältnisse einerseits einen Schritt näher war, andere Probleme, wie die Verwandlung von Mehrwert in Profit, jedoch noch nicht lösen konnte. Die Manuskripte gewähren damit einen intimen Blick in das Forschungslabor von Marx. → Zum Karl Dietz Verlag.