Forschungsnotiz: Eigentumsprämie, Urwert und Geld bei Gunnar Heinsohn und Otto Steiger

Für die neue PROKLA habe ich einen Beitrag zu Eigentum und Geld beigesteuert. Wie es so ist, war nicht für alles Platz – nicht nur weil der Beitrag keine 20 Druckseiten umfassen sollte, sondern auch weil die konzeptionelle Anlage des Beitrags es nicht zuließ. Wenn eine Zwischenüberschrift »Exkurs« im Namen trägt, sollte man sich immer zwei Mal überlegen, ob das meist durchaus interessante Material wirklich für die Fragestellung relevant ist. Weil ich aber darum gebeten wurde, meine Auseinandersetzung mit Gunnar Heinsohn und Otto Steiger zugänglich zu machen, stelle ich meine skizzenhaften Überlegungen hier ein. Skizzenhafte Überlegungen deshalb, weil ich den Exkurs nicht ausgearbeitet habe.

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Immobilienpreise: Der Sachverständigenrat und der Sound des Sachzwangs

wohnenDer Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung legte letzte Woche sein Jahresgutachten 2013/2014 vor. Es trägt den Titel »Gegen eine rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik«. Was mein rückwärtsgewandt? Etwa beim Problem der explodierenden Mieten?

»Bei allen Eingriffen in den Preismechanismus ist zu bedenken, dass Preise in einer Marktwirtschaft wichtige Signale darstellen. Dies gilt natürlich auch für die vor allem in Großstädten stark anziehenden Immobilienpreise und Mieten. Sie spiegeln in erster Linie die wachsende Attraktivität dieser Regionen wider … Das Marktsignal höherer Preise trägt dazu bei, das durch Zuwanderung gestörte Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage wieder ins Lot zu bringen. Für Investoren wird ein Anreiz geschaffen, verstärkt in einer solchen Region zu investieren. Für Nachfrager wird demgegenüber die Attraktivität des Zuzugs gemindert.« (JG 2013/2014, Ziffer 861)

Klartext? Politische Eingriffe sind rückwärtsgewandt (etwa sozialer Wohnungsbau, Mietdeckelung, Regulierung des Wohnungsmarkts, Mietrecht, Mietspiegel etc.). Es lebe der Marktmechanismus, das Herzstück der neoliberalen Ideologie. Schließlich soll der Geldbeutel darüber entscheidet, wer wo wie wohnen kann und darf. Dem guten Marktgleichgewicht zuliebe, wird Zuzug auch gerne mal umgekehrt (könnte man Vertreibung bezeichnen) – alles schön in neutraler Sprache verpackt, die nur anonyme und effiziente Märkte, Preismechanismen, Anreize sowie Angebit und Nachfrage kennt.

Stephan Kaufmann nannte diesen Jargon einmal in den Blättern den Sound des Sachzwangs.

»Copyright & Copyriot« von Sabine Nuss befreit

nuss»Die Frei­heit ist immer die Frei­heit der Eigen­tums­ord­nung« – so überschrieb ich meine Buchbesprechung von Sabine Nuss’ Studie »Copyright & Copyriot«. Das war 2007. Angesichts der Entwicklung im Bereich der digitalen Welt liegt es nahe, dass ein Buch über die »Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus« ebenso schnell veraltet wie die Prozessorleistung in einem Computer (Tablets waren 2007 noch Zukunftsmusik) oder die Speicherkapazitäten von Festplatten – dem ist aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil.

Nuss geht nicht dem Gerede vom »ganz Neuen« und »Revo­lu­tio­nä­ren« auf den Leim, son­dern zeigt auf, dass der Kapi­ta­lis­mus trotz aller Ände­run­gen bestän­dig geblie­ben ist. (ak 516)

Weil Sabine Nuss das Thema geistiges Eigentum allgemeiner und damit grundsätzlicher angeht, ist ihre Studie trotz aller oberflächlichen Veränderung – Apps, Streaming und Tablets – nach wie vor hoch aktuell. Das Buch stellt zwar keine »neuen« Maß­stäbe für die Debatte »Aneignungskonflikte um geistiges Eigentum« auf, aber ein Maßstab ist die Studie  allemal und nach wie vor. Deshalb ist es besonders erfreulich, dass Sabine Nuss »Copyright & Copyriot« befreit und zum freien Download auf ihre Website gestellt hat.

 

FAQ. Noch Fragen? Ökonomie der Immobilienblase

Vor kurzem war in der FAZ (5.8.2013) zu lesen: »Österreicher flüchten in Betongold. Die Grundstückskäufe florieren«. Entsteht hier eine Spekulationsblase, und was ist überhaupt eine Immobilienblase? Zunächst ist festzuhalten, dass die Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise immer Spekulation bedeutet – bereits bei ihrer elementaren Form, der Warenproduktion. Ob eine Ware auf ein gesellschaftliches Bedürfnis und eine zahlungsfähige Nachfrage trifft, stellt sich erst im Nachhinein heraus. Es ist spekulativ, ob aufgewendete Arbeit wirklich als gesellschaftlich notwendige anerkannt wird. Nicht anders verhält es sich bei Immobilien. Nicht das Bedürfnis (etwa nach einem Dach über dem Kopf) steht im Vordergrund, sondern potenzielle (und steigende) Mieteinnahmen oder Preissteigerungen: aus G soll G’ werden und es ist unklar, ob das klappt.

Bild: flickr.com/dierkschaefer

Was ist das Besondere an Immobilien? Grund und Boden sind beschränkt, im Gegensatz zu Waren des alltäglichen Lebens (Brot, Software) können sie nicht beliebig (bzw. abhängig von Rohstoffen) produziert werden. Das ist ein Grund, warum bei sehr hohen Quadratmeterpreisen in die Höhe gebaut wird. Zudem ist das Eigentum an Immobilien verbrieft, d.h. neben dem physischen Grund und Boden existiert ein Eigentumstitel. Das Besondere ist auch, dass der Preis einer Immobilie nicht wie bei Waren des alltäglichen Gebrauchs wesentlich von der Produktivität der Arbeit abhängt, sondern von der zukünftig erwartbaren Grundrente, d.h. den regelmäßig gezahlten Summen für die Nutzung von Grund und Boden (z.B: Pacht, Miete) – danach richtet sich der Preis des Eigentumstitels. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Ökonomie der Immobilienblase”

Prema solidarnoj ekonomiji?

LMD-hrDer Text »Wie wir leben wollen. Die zentralen Konfliktfelder des alternativen Wirtschaftens« aus ak 580 (mit dem Schwerpunkt Solidarische Ökonomie) ist in der kroatischen Ausgabe der Le Monde Diplomatique erschienen. Danke an Stipe Ćurković für die Übersetzung. Den Text findet ihr als pdf-Datei hier.

 

FAQ. Noch Fragen? Deutschland arm gerechnet

Nach dem 1. Mai 2013 titelte die Süddeutsche Zeitung: »Trotz europäischer Schuldenkrise: Deutsche so reich wie nie«. Nur einen Monat zuvor war in der gleichen Zeitung zu lesen: »EZB-Studie zu Wohlstand in Europa: Zyprer reicher als Deutsche«. Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, weiß der Volksmund.

Statistiken sind mit der Durchsetzung bürgerlicher Herrschaft entstanden. Bereits Marx stellte fest: »Die Statistik ist die erste politische Wissenschaft! Ich kenne den Kopf eines Menschen, wenn ich weiß, wieviel Haare er produziert.« Der Staat muss wissen, wie er seine Bevölkerung möglichst produktiv im Sinne des Kapitals zurichten kann. Dafür bedurfte es einheitlicher Längen (in Preußen galten im 18. Jahrhundert noch über 20 unterschiedliche Definitionen des Längenmaßes Fuß), Menschen wurden gezählt und ihre Wohnstätten dem postalischen und polizeilichen Zugriff gefügig gemacht: die Hausnummer wurde geboren. Menschen wurden Rechtspersonen und zur Steuerbasis. Die Entstehungsbedingungen des Wissens über »Land und Leute«, die Statistik, ist in diesem Sinne auch eine Form von Politik und Herrschaft. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Deutschland arm gerechnet”

Wie wir leben wollen. Die zentralen Konfliktfelder des alternativen Wirtschaftens

ak_580_01Solidarische Ökonomie ist in. Nach dem Abflauen der globalisierungskritischen Bewegung, der Krise von Occupy und inmitten einer der tiefsten Krisen des Kapitalismus stehen ökonomische Alternativen hoch im Kurs. Die vielfältigen Ansätze einer anderen Ökonomie, jenseits von Profitzwang und Konkurrenz, boomen in Theorie und Praxis.

Herausgestellt wird dabei immer, dass sich die unterschiedlichen Konzepte gegenseitig ergänzen und durchaus kompatibel seien. Das zeigt zum einen: Die bislang häufig in der Linken auf Abgrenzung zielenden Debatten über die »richtige Linie« wurden von einer solidarischen Diskussion und Kooperation abgelöst. So weit, so gut. Dennoch scheint zugleich eine gewisse Beliebigkeit und grau in grau vorzuherrschen. »Zinskritik« findet sich neben sinnvollen Projekten, die auf Gemeingüter (Commons) setzen; auf die gehobene Mittelschicht orientierende Landwirtschaftsprojekte existieren neben geldlosen Produktions- und Konsumtionskollektiven, die aus der unmittelbaren Not entstanden sind.

Die fehlende Kritik an »konkurrierenden« Ansätzen verweist deshalb auch schlicht darauf, dass eine politische Bezugnahme untereinander oft unterbleibt. Denn nur so würden die Konflikte, aber auch die Anschlusspunkte zwischen den unterschiedlichen politischen und sozialen TrägerInnen offengelegt.

Anlass genug, etwas Licht in das oft trübe Allerlei zu bringen. Entlang von fünf Widerspruchslinien wollen wir die unseres Erachtens zentralen Fragestellungen für eine produktive Weiterentwicklung des Diskurses um Solidarische Ökonomie diskutieren. >>> Weiterlesen in ak 580

Welttreffen am Sankt-Immer-Tag. Neuerscheinungen zum Konflikt zwischen Marx und Bakunin provozieren eine neue Debatte um linke Geschichte

Das schweizerische St-Imier (früher: Sankt Immer) war im August 2012 Treffpunkt für Libertäre und AktivistInnen verschiedener anarchistischer Bewegungen. Das »Welttreffen des Anarchismus« hatte einen Anlass: das Jubiläum der Gründung der Antiautoritären Internationalen 1872. »140 Jahre nach dem Kongress von St-Imier ist die Ausbeutung und Entfremdung der Arbeiterinnen und Arbeiter noch ebenso brutal. Die marxistische Illusion ist angesichts der kommunistischen Diktaturen dahingeschmolzen. Der Kapitalismus lebt von Krise zu Krise, gesellschaftliche Krise, politische Krise, zu denen heute noch die ökologische Krise hinzukommt.« [1]

1872 war der Höhepunkt eines jahrelangen Konflikts zwischen Karl Marx und Michael Bakunin bzw. den von ihnen vertretenen politischen Strömungen. Wenige Tage vor dem Gründungstreffen in St-Imier wurde der russische Anarchist zusammen mit James Guillaume auf dem Kongress der Ersten Internationalen in Den Haag ausgeschlossen.

Zum Verhältnis von »Marxismus« und »Anarchismus« und dem Konflikt zwischen den beiden bärtigen Männern sind gleich mehrere Bücher erschienen, die vieles in neuem Licht erscheinen lassen und deutlich machen, dass es schon lange an der Zeit ist, die gemeinsame Geschichte gemeinsam aufzuarbeiten. Der Konflikt ist nicht einfach darauf zu reduzieren, dass zwei Egomanen aufeinandertrafen. Continue reading “Welttreffen am Sankt-Immer-Tag. Neuerscheinungen zum Konflikt zwischen Marx und Bakunin provozieren eine neue Debatte um linke Geschichte”

Modernisierung statt Meuterei

»Ich kann vor allen Dingen die ganzen asozialen Leute nicht mehr hören, die immer sagen: Ja, wieso … diese Künstler … das sind doch sowieso alles Nutten, wenn sie es für Geld machen!«

So wütete im März 2012 dieses Jahres der Element-of-Crime-Sänger Sven Regener im Bayrischen Rundfunk. Eigentlich wollte der Sender nur ein kurzes Statement zum Urheberrecht einholen – und traf einen Nerv.

Weiterlesen zu Regener, Tatort-AutorInnen und den Piraten als Katalysatoren der aktuellen Urheberrechtsdebatte in ak 573

Tatort als Karstadt des Kulturbetriebs. Der Streit um das Urheberrecht ist neu entbrannt und geht meist an der Sache vorbei – ein Inteview mit Florian Cramer

»Insbesondere in südeuropäischen Ländern, in Südostasien und Südamerika, hat die Cassettenpiraterie epidemische Formen angenommen.« (Die Zeit, 5.9.1986) Bild: Gestaltung: Homann

Nicht erst seit sich der Element-of-Crime-Sänger Sven Regener im Bayrischen Rundfunk über die Mitnahmementalität der Jugend Ende März 2012 aufgeregt hat, sind Internettauschbörsen, die Qualität von Kultur und das prekäre Dasein von KünsterInnen Thema. Seit den Wahlerfolgen der Piratenpartei sind Internet und Urheberrecht Dauerthema und die Debatte wird hitzig geführt – eigentlich wichtige Fragen gehen dabei schnell unter. Darüber sprach ich für ak mit dem Künstler und Literaturwissenschaftler Florian Cramer.

Urheberrecht: Sven Regener will weiter Musik machen und nicht ins Gesicht gepinkelt bekommen

Sven Regener hat sich gestern im BR-Zündfunk über die verlogene Umsonstkultur, YouTube und Piraten, die mit iPhoneApps Geld verdienen aufgeregt.

http://cdn-storage.br.de/mir-live/MUJIuUOVBwQIb71S/iw11MXTPbXPS/_2rc_71S/_-ZS/_-rH5Axy/1abdba29-8e11-4b49-86c2-40e4b861dfc0_2.mp3

Eigentlich war ein Interview zum Urheberrecht geplant. Wer die Aufgeregtheit versteht und gleichzeitig auch irgendwie wieder nicht, lese doch von Sabine Nuss den Aufsatz »Naturalisierung als Legitimationsstrategie. Kritik der Debatte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus« [pdf].

»Dass in der aktuellen Debatte um geistiges Eigentum die sich diametral gegenüberstehenden Positionen die gleichen, stillschweigenden Vorannahmen zu Eigentum teilen – nämlich die Perspektive der Warenzirkulation – drückt sich auch darin aus, dass immer nur über geistiges Eigentum diskutiert wird. Diskutiert wird ausschließlich der Zugang zum bereits fertigen Produkt, der Zugang zu digitaler Musik, Film oder Software, der Zugang zu Ergebnissen aus der Biotechnologieforschung, aus der Pharmazie, etc. Letztlich reduziert sich die Debatte dann nur noch auf ein ›mehr oder weniger‹ an Zugang als Ergebnis eines weniger oder mehr restriktiven geistigen Eigentums. Die dem zugrunde liegende bürgerliche Eigentumsordnung selbst wird stillschweigend vorausgesetzt bzw. als gegeben angenommen. Sie ist jedoch systemnotwendig für eine Produktionsweise, in der die Herstellung von Musik, von Geschichten, Software, Medikamenten usw. nur das Mittel darstellt, um aus vorgeschossenem Kapital mehr Kapital machen zu können.«

Erschienen in: Ingo Elbe/ Sven Ellmers (Hg.): Eigentum, Gesellschaftsvertrag, Staat, Münster 2009

Klasse Kämpfe – Wiederkehr einer Problematik

Die gegenwärtigen Krise des Kapitalismus und die Tatsache, dass die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter auseinandergeht, hat auch dazu geführt, dass wieder verstärkt über gesellschaftliche Klassen gesprochen wird. Das ist nicht selbstverständlich. Schließlich wurde lang und oft alles auf ein Verteilungsproblem reduziert. Aber selbst taz-Autorin Ulrike Herrmann hält in ihrem Bestseller fest:

»Die Bundesrepublik lässt sich als eine typische Klassengesellschaft beschreiben: Wenige Kapitaleigner besitzen die Produktionsmittel während stets mehr Menschen nur ihre eigene Arbeitskraft verkaufen können.«

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Vor Veränderung kommt Verstehen. Die Commons liefern nur ein schräges Bild vom Kapitalismus

Bereits für Marx stellte die Zerstörung der Commons eine zentrale Voraussetzung kapitalistischer Produktion dar. Sind die Bedingungen des Kapitals jedoch einmal durchgesetzt, reproduzieren sie sich in anderen Formen und vor allem diese müssen kritisiert werden. Die Anwendung des Commons-Begriffs für den modernen Kapitalismus ist deshalb nur bedingt angemessen. Zudem fehlt meist eine ordentliche Prise Staatskritik. Continue reading “Vor Veränderung kommt Verstehen. Die Commons liefern nur ein schräges Bild vom Kapitalismus”

iPad löst Verwertungsprobleme des Kapitals in der digitalen Welt

Jörg Kantel (Schockwellenreiter) hätte für seinem Text »Endstation App-Store. Das iPad ist nur eine Fernbedienung« Copyright & Copyriot von Sabine Nuss lesen sollen. Das hätte den eigentlich ganz guten Text vom Kopf auf die Füße gestellt und das liberale (i.S. von marktbejahend) Hintergrundrauschen zumindest heruntergepegelt. Das iPad ist aus einer kapitalismuskritischen Persektive deshalb interessant, weil wohl einige Verwertungsprobleme des Kapitals in der digitalen Welt wenn nicht gelöst, so doch bearbeitet werden.