Isaak Il’ič Rubin: Marxforscher – Ökonom – Verbannter

»Der Menschewik Rubin revidierte Marx’ Lehre vom idealistischen bürgerlichen Standpunkt aus, beraubte den Marxismus seines revolutionären Inhalts, lenkte die Aufmerksamkeit der Ökonomen nach Schädlingsart vom Studium der Fragen der Sowjetökonomie ab und führte sie auf das Gebiet scholastischer Streitereien und Abstraktionen.« (Anmerkung des Instituts für Marxismus-Leninismus in Stalin-Werke, Bd.12, S. 332)

Ein seit zehn Jahren geplanter Band ist nun endlich erschienen: Sonderband 4 der Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge. Er ist Isaak Il’ič Rubin gewidmet, einem Marx-Forscher, der wie viele andere unter Stalin ermordet wurde. In Deutschland ist er vor allem durch seine Studien zur Marxschen Werttheorie bekannt, die erstmals 1929 erschienen. Das erst 1973 bei EVA auf Deutsch publizierte Buch hat zwei Mankos: Es wurde nicht aus dem Russischen ins Deutsche übersetzt, sondern aus der englischen Übersetzung aus dem Russischen. Zudem wurde ein (in der englischen Fassung sehr wohl zu findendes) Kapitel einfach ignoriert: das zum Fetisch. Dieses Kapitel wurde dankenswerterweise 2010 von Devi Dumbadze für den Sammelband Kritik der politischen Philosophie ins Deutsche übertragen und von ihm in einem Aufsatz kommentiert. Neben einem etwas skurrilen Sammelband bei VSA ist vor allem noch A History of Economic Thought bekannt.[1. Ein paar Aufsätze von Rubin finden sich hier. Lesenswert ist nach wie vor der Text Abstrakte Arbeit und Wert im Marxschen System von 1927]

Der Sonderband 4 zu Rubin ist schon jetzt ein Highlight des Jahres 2012. Zumindest für alle, die sich für die marxsche Geld- und Werttheorie interessieren. Neben einer Würdigung von Rubins Tätigkeit am Marx-Engels-Insitut, seiner Geschichte der politischen Ökonomie, finden sich im über 200 Seiten starken Sonderband mehrere biografische Aufsätze zu Rubin.[2. Ludmila Vasina schrieb bereits für die Beiträge 1994 eine knappe biografische Skizze] Auf 110 Seiten kommt Rubin selbst zu Wort. Endlich wurde der Text Studien zur Geldtheorie von Marx (von Ilka John) übersetzt und so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Anlass des Textes war wahrscheinlich Rubins Übersetzung von Marx’ Zur Kritik der politischen Ökonomie von 1859, in der Marx etwas ausführlicher (als später im Kapital) auf Ware und Geld eingeht. 1923 im Knast begonnen arbeitete Rubin in den folgenden Jahren weiter an diesem Text. Dass der Text überhaupt überliefert wurde ist ein Glück und u.a. Rubins Frau Polina Petrovna zu verdanken, die die Manuskripte über die Jahre aufbewahrte und in der SU vergeblich für eine Rehabilitation Rubins kämpfte – das geschah erst nach 1990.

In der Ankündigung des Sonderbandes heißt es:

Der Politökonom und Marxforscher Isaak Il’ič Rubin (1886–1937) nahm eine wichtige Stellung in den ökonomischen und philosophischen Diskussionen in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre in Sowjetrussland ein. Über ihn lag jedoch der „Bann der Partei“ – er war bekennender Menschewik. Sein zweites „Vergehen“ bestand darin, dass er eine Interpretation des ersten Bandes des „Kapitals“ vorlegte, die angeblich idealistischen Charakter trug. Hier wird in Fortsetzung seiner bekannten „Studien zur Marxschen Werttheorie“ erstmals in Übersetzung sein Manuskript über die Geldtheorie von Marx veröffentlicht. Schließlich war Rubin Leiter des Kabinetts für politische Ökonomie des Marx-Engels-Instituts unter Leitung von David B. Rjazanov (1870–1938). Diese Verbindung kam Stalin gerade recht, um beide 1931 aus der wissenschaftlichen Kommunikation ausschließen zu lassen.

Bestellungen nimmt jede gute Buchhandlung entgegen. Ebenso der Argument-Verlag oder die Redaktion der Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge.

Nachtrag zur Graeber-Besprechung

»Die Gewohnheit, immer ›bitte‹ und ›danke‹ zu sagen, setzte sich während der kommerziellen Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts durch – bei eben jenen Mittelschichten, die hauptsächlich für diese Revolution verantwortlich waren. Es ist die Sprache der Ämter, der Läden und Kanzleien, und im Lauf der letzten 500 Jahre hat sie sich mit diesen Einrichtungen ausgebreitet. Dies Sprache ist nur ein Zeichen einer umfassenden Denkweise, einer Reihe von Annahmen, was Menschen sind und was sie sich einander schulden. Heute sind diese Annahmen so tief verwurzelt, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen.« (Graeber 2011: 131)

Meine Besprechung zu Graebers Schulden-Buch musste knapp ausfallen. Ein paar Punkte sind nur angerissen. Bei anderen wissen nur diejenigen, die bestimmte (zwischen den Zeilen zu findende) Debatten kennen, worauf ich hinaus will. Deshalb ein kurzer, summarischer Nachtrag. Wer meine ak-Besprechung nicht kennt, sollte sie vorher lesen. Auf viele Punkte, die ich dort ausführe, gehe ich hier wiederum nicht ein.

Buchpräsentation zu »Inside Occupy« mit David Graeber. Foto : CC-Lizenz/Tine Nowak

Graeber orientiert sich an einer klassischen Frage der politischen Ökonomie – was ist Geld? Er kritisiert den Mainstream scharf und klopft im ersten Teil seines Buches die Wirtschaftstheorie kritisch ab – zu Recht. Diese geht meist von unhistorischen und fiktionalen Gesellschaften aus, in denen Menschen ihren natürlichen Neigungen nachgehen, unter anderem ihrem Hang zu Tausch und Handel. Graeber kritisiert richtigerweise, dass ökonomische Lehrbücher immer mit dem Barter, einem einfachen Produktentausch ohne Geld beginnen.[1] In seiner Auseinandersetzung streift Graeber u.a. Smith, Menger, Jevons, Keynes, Knapp, Samuleson und Aristoteles und Aglietta.

Wen Graeber zu Beginn seines Buchs nicht kritisiert bzw. diskutiert ist Marx, obwohl dieser auch mit dem Warentausch beginnt – könnte man zumindest meinen. Und genau hier zeigt sich Graebers grundlegendes Problem, der zwar viel historisch-anthropologisches Material zusammenträgt, es aber nicht theoretisch-begrifflich durchdringt. Hierfür bedürfte es nämlich einer Theorie des Kapitalismus, Kriterien, was den Kapitalismus auszeichnet – eine Formanalyse und Kritik.
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Schuld und Sühne. In David Graebers Buch »Schulden – Die ersten 5.000 Jahre« fehlt die Kapitalismusanalyse

Die letzten Jahre Krisenpolitik waren ein Paradebeispiel dafür, wie Gewinne privatisiert, Verluste hingegen vergesellschaftet werden. Die tiefe Krise des Kapitalismus hinterlässt eine Staatsschuldenkrise. Die Antwort der politischen Klasse ist Haushaltskonsolidierung. Die Renditeansprüche des Finanzkapitals werden staatlich garantiert und eingetrieben. Der unsichtbaren Hand des Marktes wird die sichtbare Faust des Staates zur Seite gestellt. Damit werden die Kämpfe über die Staatsfinanzen in den kommenden Jahren zum zentralen Konfliktfeld.

Wohl auch deshalb wurde die Veröffentlichung von David Graebers Buch »Debt – The First 5.000 Years« so euphorisch begrüßt – auch von der bürgerlichen Presse. Frank Schirrmacher schrieb in der FAS (13.11.2011), dass Graeber »dem Leser die Augen für das (öffnet), was gerade vor sich geht«. Und weiter: »Graebers Text ist eine Offenbarung, weil er es schafft, dass man endlich nicht mehr gezwungen ist, im System der scheinbar ökonomischen Rationalität auf das System selber zu reagieren.« Der Spiegel meint: »Sein Buch über das Wesen von Schulden und deren wirtschaftliches und moralisches Fundament gilt schon jetzt als antikapitalistisches Standardwerk der neuen sozialen Bewegungen, die während der Weltwirtschaftskrise entstanden sind.« Gemeint sind damit die Occupyproteste. Sogar der Chefsvolkswirt der Deutschen-Bank-Gruppe rezipiert Graeber positiv in der wirtschaftspolitischen Monatszeitschrift Wirtschaftsdienst (4/2012) bei der Frage nach der Zukunft der Zentralbankwirtschaft. Das Buch liegt seit Mai 2012 nun auch in deutscher Übersetzung vor.  Continue reading “Schuld und Sühne. In David Graebers Buch »Schulden – Die ersten 5.000 Jahre« fehlt die Kapitalismusanalyse”

Marx goes PowerPoint

Seit einigen Jahren klettert Marx aus der Mottenkiste. Soziale Verwerfungen im globalen Kapitalismus, die Schwächen herrschender Erklärungsansätze für wirtschaftliche Zusammenhänge und schließlich die seit den 1990er Jahren den Erdball erschütternden Krisen sorgen für eine erneute Beschäftigung mit Marx’ Gesellschaftsanalyse. Insbesondere eine jüngere, von ideologischen Grabenkämpfen unbeleckte Generation liest wieder das Kapital. An Universitäten, in Bildungseinrichtungen, bei  Gewerkschaften oder in Wohnzimmern wird die Kritik der politischen Ökonomie in kleinen Gruppen diskutiert.

PolyluxMarx möchte diesen Prozess unterstützen. Das Arbeitsmaterial ist eine Sammlung kommentierter PowerPoint-Folien, die auch auf der Webpräsenz einzelnen vorgestellt werden. Zentrale Argumentationsgänge des Kapital werden illustriert, einführende Texte und knappe Hinweise zu Methode und Didaktik erleichtern die Lektüre.

Valeria Bruschi, Antonella Muzzupappa, Sabine Nuss, Anne Steckner, Ingo Stützle
136 Seiten, inkl. CD
19,90 Euro
ISBN 978-3-320-02286-0
Karl Dietz Verlag Berlin

www.polyluxmarx.de

Urheberrecht: Sven Regener will weiter Musik machen und nicht ins Gesicht gepinkelt bekommen

Sven Regener hat sich gestern im BR-Zündfunk über die verlogene Umsonstkultur, YouTube und Piraten, die mit iPhoneApps Geld verdienen aufgeregt.

http://cdn-storage.br.de/mir-live/MUJIuUOVBwQIb71S/iw11MXTPbXPS/_2rc_71S/_-ZS/_-rH5Axy/1abdba29-8e11-4b49-86c2-40e4b861dfc0_2.mp3

Eigentlich war ein Interview zum Urheberrecht geplant. Wer die Aufgeregtheit versteht und gleichzeitig auch irgendwie wieder nicht, lese doch von Sabine Nuss den Aufsatz »Naturalisierung als Legitimationsstrategie. Kritik der Debatte um geistiges Eigentum im informationellen Kapitalismus« [pdf].

»Dass in der aktuellen Debatte um geistiges Eigentum die sich diametral gegenüberstehenden Positionen die gleichen, stillschweigenden Vorannahmen zu Eigentum teilen – nämlich die Perspektive der Warenzirkulation – drückt sich auch darin aus, dass immer nur über geistiges Eigentum diskutiert wird. Diskutiert wird ausschließlich der Zugang zum bereits fertigen Produkt, der Zugang zu digitaler Musik, Film oder Software, der Zugang zu Ergebnissen aus der Biotechnologieforschung, aus der Pharmazie, etc. Letztlich reduziert sich die Debatte dann nur noch auf ein ›mehr oder weniger‹ an Zugang als Ergebnis eines weniger oder mehr restriktiven geistigen Eigentums. Die dem zugrunde liegende bürgerliche Eigentumsordnung selbst wird stillschweigend vorausgesetzt bzw. als gegeben angenommen. Sie ist jedoch systemnotwendig für eine Produktionsweise, in der die Herstellung von Musik, von Geschichten, Software, Medikamenten usw. nur das Mittel darstellt, um aus vorgeschossenem Kapital mehr Kapital machen zu können.«

Erschienen in: Ingo Elbe/ Sven Ellmers (Hg.): Eigentum, Gesellschaftsvertrag, Staat, Münster 2009

Mit David Harvey den zweiten Band des marxschen Kapitals lesen

Youtube machte David Harveys Vorlesungen zum marxschen Kapital zu Beginn der Krise einem breiteren Publikum bekannt. Harvey hat sie danach verschriftlichen lassen und der VSA-Verlag hat die Vorlesungen in einer sehr guten Übersetzung nun auch dem deutschen Publikum zugänglich gemacht (siehe ak 568). Nun beginnt Harvey seine Vorlesungen zum zweiten Band des marxschen Kapitals – wir dürfen gespannt sein:

Alle weiteren Vorlesungen zum zweiten Band des Kapital finden sich hier: davidharvey.org

Radikale Kritik mit Bart

Mit der Finanz- und Weltwirtschaftskrise wuchs das Interesse an der marxschen Theorie. Fast jede Neuerscheinung über Marx beginnt mit dieser Feststellung – und es sind viele Bücher: Einführungen, Übersetzungen, Sammelbände und Neuauflagen. Sie alle haben unterschiedliche Ansprüche und AdressatInnen.

Einführungen sollen einen ersten Einblick in die marxsche Kritik geben. Eine zweite Gattung versucht, Marx gegenüber dem Mainstream zu verteidigen. Hier ist »Wo Marx Recht hat« von Fritz Reheis zu nennen, das man jedoch nicht in die Hand nehmen sollte, wenn man über Marx etwas lernen will. (1) Marx für sich zu entdecken prädestiniert nicht automatisch dazu, ihn anderen zugänglich machen zu können.

Die dritte Kategorie hat weder zum Ziel, Marx im Sinne einer Einführung zu erklären, noch seine vermeintlich richtigen »Ideen« zu verteidigen, sondern nimmt ihn als Wissenschaftler ernst. Hierbei geht es durchaus zur Sache: Weiße Flecken werden benannt, wichtige Fragen kontrovers diskutiert und die Unabgeschlossenheit der Kritik der politischen Ökonomie herausgearbeitet.

Einführungen mit Lücken

In einfacher Sprache zentrale Punkte der Theorie nachvollziehbar zu machen, gelingt vor allem David Harvey. Der VSA-Verlag hat seine Vorlesungen in einer sehr guten Übersetzung dem deutschen Publikum zugänglich gemacht. Die Einführung ist lebendig und in angelsächsischer Manier nicht belehrend. Die Gliederung entspricht dem Aufbau des »Kapital«. Leider hat sich Harvey nur den ersten Band vorgenommen. Zentrale Begriffe, die für das Verständnis der Finanzmarktkrise nötig sind (fiktives Kapital, Kreditsystem), sucht man vergeblich.

Georg Fülberth diskutiert auf viel weniger Seiten alle drei Bände – mit inhaltlichen Lücken. Was nicht schlimm wäre, wenn er sich nicht gleichzeitig auf Nebenschauplätzen tummeln würde. Fülberth möchte das marxsche »Kapital« für alle diejenigen erklären, »die ihren Lebensunterhalt nicht mit Kritik der Politischen Ökonomie und Gesellschaftswissenschaften verdienen, sondern mit anderen Tätigkeiten«. Ein löbliches Vorhaben, dem er leider kaum gerecht wird.

Zwar will Fülberth nicht polemisieren, gleichzeitig kritisiert er andere Positionen, wobei ohne Vorkenntnisse und aufgrund der Kürze oft unklar bleibt, was eigentlich das Problem und was genau seine Kritik ist, z.B. beim sogenannten Transformationsproblem. Fülberth diskutiert die seiner Ansicht nach angemessenen Lösungen (zu den den LeserInnen nicht ganz klar gewordenen Problemen) auf über fünf Seiten, und in der Literaturliste gehört fast die Hälfte der aufgeführten Titel zu diesem Themenkreis.

Hürden der Aneignung und Vermittlung

Seine Einführung unterscheidet sich kaum von denen aus den 1970er Jahren und es ist offensichtlich, dass er nicht ernsthaft neue Literatur zur Kenntnis genommen hat. Das zeigt sich bei seinem Seitenhieb gegen die sogenannte monetäre Werttheorie. (2) Gegen sie führt er ins Feld, Marx habe ja gerade gezeigt, dass hinter dem »Wert« die »Arbeit« stecke; nur ein paar Seiten weiter zitiert er Marx zustimmend, dass das ja gar nicht die eigentliche Frage sei.

Selbstredend ist es wichtig, Marx möglichst einfach darzustellen; das macht aber eine inhaltlich-theoretische Diskussion nicht überflüssig – ganz im Gegenteil. JedeR, der oder die sich einmal ans »Kapital« gewagt hat, weiß, dass die Lektüre kein Deckchensticken ist. Das wusste auch Marx, der im Vorwort zu seinem Hauptwerk bemerkte, dass aller Anfang schwer sei. Als das Buch bereits im Druck war, baten ihn seine Freunde Engels und Kugelmann, dem schwer verständlichen Anfang eine ausführliche Version als Nachwort zur Seite zu stellen.

Der Sammelband »Kapital & Kritik« richtet sich an LeserInnen, die die blauen Bände schon durchgekaut haben. Und dennoch: Ausgerechnet in diesem Band findet sich die beste Reflexion über »Hürden der Aneignung und Vermittlung« des marxschen »Kapital« – der Aufsatz von Anne Steckner, auch wenn sie scharf mit den Spezialdiskussionen ins Gericht geht.

Aber genau diese sind auch in diesem Band zu finden – zum Glück. Besonders erhellend ist der Beitrag von Oliver Schlaudt. Der sogenannten monetären Werttheorie, die statt auf Arbeitswerte und deren quantitative Dimension das Geld als ökonomische und gesellschaftliche Qualität ins Zentrum des Interesses rückt, wurde immer vorgeworfen, die quantitative Dimension nicht mehr zu thematisieren. Nicht die Feststellung, dass Ausbeutung stattfindet, und der Zusammenhang von Arbeit und Wert seien das Innovative bei Marx, sondern die Analyse der Form, die diese annehmen: Ausbeutung nimmt die Form der Lohnarbeit an, bei der alle Arbeit als bezahlte erscheint, die warenproduzierende Arbeit nimmt die Form der Geldvermittlung an, und der gesellschaftliche Zusammenhang erscheint als ein sachlicher – ist fetischisiert.

Schlaudt thematisiert Marx als »Messtheoretiker« und legt die Grundlage dafür, an der festgefahrenen Frage inhaltlich weiter zu kommen, indem er die Unterscheidung zwischen »Quantität« und »quantifizierbar« einführt. Das mag für diejenigen, die sich zunächst mit einer Einführung schwer tun, esoterisch klingen; tatsächlich stellt es einen Fortschritt dar, der hoffentlich dazu führt, in verfahrenen Diskussionen z.B. über das Transformationsproblem oder die Wertformanalyse voranzukommen.

Der Band räumt auch mit anderen Mythen auf. Zum Beispiel, dass man Marx als Eurozentristen abheften könne. Kolja Linder zeigt, dass die oft verpönte Marx-Exegese erst ermöglicht, ein differenziertes Bild von Marx zu zeichnen und ihn für andere Wissenschaften zu öffnen – zum Beispiel für die Postcolonial Studies. Nicht nur dieser Beitrag aus »Kapital & Kritik« zeigt, dass man sich erst in Marx hineinknien muss, um die Punkte zu finden, an denen man über ihn hinausgehen muss.

Eine elaborierte methodische Selbstverständigung ist nach wie vor notwendig. Das zeigen vor allem die Einführungen. So hat Harvey nicht verstanden, welche Überlegungen hinter der Darstellung im »Kapital« stecken. Denn auf der einen Seite unterstreicht er die große Bedeutung, die die Methode bei Marx habe. Gleichzeitig ist er schwer verwundert, dass Marx sich scheinbar ständig wiederholt. Die Wiederholungen sind jedoch keine, sondern die Form der Darstellung, die Methode in actu. Wiederholungen sind es nur dann, wenn man eine allgemeine Methode am Werk sieht, die unabhängig vom darzustellenden Stoff existiert. Das schmälert jedoch nicht Harveys »Feingefühl« für die gesellschaftlichen Verhältnisse, die in den unterschiedlichsten Formen zum Ausdruck kommen.

Auf der einen Seite stellt Harvey durchaus die Bedeutung der fetischisierten Formen heraus. Darin liegt zwar nicht unbedingt seine Stärke, aber ihm gelingt es über die Darstellung des ganzen ersten Bandes hinweg aufzuzeigen, welche sozialen Verhältnisse und damit immer gesellschaftlichen Konflikte sich »hinter« den Kategorien der politischen Ökonomie verbergen.

Eine radikale Kapitalismuskritik bedeutet nicht, Spielräume innerhalb des Kapitalismus zu leugnen. Auch Marx war kein Gegner von Reformen oder Verbesserungen proletarischer Lebensbedingungen. Mehr noch: Mit der marxschen Theorie kann man gerade zeigen, wie und wo der Kapitalismus Spielräume aufweist, ohne dass er aufhört, Kapitalismus zu sein. Marx führt diese Perspektive gerade beim Kapitel über den Kampf um den Normalarbeitstag aus, die Harvey diskutiert. Was als »normaler« Arbeitstag in einer Gesellschaft gilt, ist ein Resultat von Kämpfen. Marx zeigt aber auch, dass steigende Löhne mit steigender Ausbeutung zusammenfallen können. Kämpfe um kürzere Arbeitszeiten und höhere Löhne mögen also noch so politisch richtig und wünschenswert sein: Den Kapitalismus heben sie nicht aus den Angeln.

Bei allen Spielräumen geht es immer auch darum, die Grenzen zu benennen und sich ihrer in politischen Auseinandersetzungen bewusst zu sein. Harvey schreibt: »Der Klassenkampf führt nur zu einem Ausgleich im Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit. Nur zu leicht lässt sich der Klassenkampf als eine positive Kraft in die kapitalistische Dynamik integrieren, die zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Produktionsweise beiträgt. Damit zeigt sich zwar, dass der Klassenkampf unvermeidlich und gesellschaftlich notwendig ist, aber die Perspektive einer revolutionären Überwindung des Kapitalismus bleibt im Dunkeln.« Harvey macht deutlich, dass es für Marx nicht der Punkt ist, dass Klassenkampf und Ausbeutung stattfinden, sondern welche Formen diese annehmen.

Diese Perspektive fehlt bei Harry Cleaver. Sein 1979 erstmals erschienenes Buch hat der Verlag Mandelbaum endlich ins Deutsche übersetzt. Dabei hätten jedoch die HerausgeberInnen in ihrer Vorbemerkung das Buch nach über 30 Jahren historisch kontextualisieren müssen. Marx musste damals dem (orthodoxen) Marxismus erst wieder entrissen werden. In den realsozialistischen Ländern wurde der Marxismus zu einer »Legitimationswissenschaft« (Negt) und die marxsche Ökonomiekritik zu einer Folie für Politische Ökonomie.

Cleaver liest Marx in der Tradition des italienischen Operaismus und zeigt, wie dieser als »Autonomist Marxism« im Angelsächsischen interpretiert wurde: Zentrales Thema war hier der Klassenkampf. Das Kapital wurde verstärkt als gesellschaftliches Verhältnis interpretiert, d.h. nicht als etwas, das – einer eigenen Logik folgend – auf einen historischen Endpunkt zusteuert, sondern als Dynamik, die verschiedene Klassenkräfte einschließt. Die Dynamik des Kapitals gehe vom »Angriffsdruck der Klassenbewegung« aus, heißt es bei Mario Tronti, einem wichtigen Vertreter des Operaismus.

Marx, so wiederum Cleaver, »bestand nicht nur wiederholt darauf, dass das Kapital ein gesellschaftliches Klassenverhältnis ist, sondern er hielt auch explizit fest, dass auf der Ebene der Klasse die sogenannten ökonomischen Verhältnisse in Wirklichkeit politische Verhältnisse sind.« Gemeint sind damit politisch umkämpfte Verhältnisse – wie etwa der Arbeitstag, den auch Cleaver thematisiert. Er erreicht aber nicht Harveys Niveau der Auseinandersetzung; so bleibt seine Forderung in der Luft hängen, »dass jede Kategorie explizit auf den Klassenkampf bezogen werden« müsse, dies aber nicht bedeute, »alles auf den Klassenkampf zu reduzieren«.

Marx politisch lesen!

Wie schnell der Appell, »Kapital«-Lektüre solle der politischen Praxis dienen, in falsches Fahrwasser gerät, zeigt Cleaver, wenn er behauptet, eine bestimmte Marx-Lektüre würde sich nicht der Frage der Praxis stellen, ja sogar vom Wesentlichen ablenken, nämlich dem Klassenkampf. Cleaver zufolge müsse es darum gehen, »abgehobene Interpretationen und abstraktes Theoretisieren« zu meiden, da es »die einzige Lesart von Marx« sei, die »wirklich vom Standpunkt der ArbeiterInnenklasse ausgeht, weil sie die einzige ist, die direkt auf die Bedürfnisse dieser Klasse nach Klärung des Handlungsspielraums und der Struktur ihrer eigenen Macht und Strategie antwortet«. Diese schlechte Tradition des Marxismus, in paternalistischer Manier für die Arbeiterklasse zu sprechen, sollte man sich möglichst nicht angewöhnen.

Marx sollte jedoch durchaus politisch gelesen werden. Aber dem widersprechen auch Heinrich und Bonefeld nicht, auch wenn sie die Frage etwas anders stellen. Ihnen zufolge müsste es darum gehen, mit den marxschen Konzepten die kapitalistisch verfasste Gesellschaftlichkeit auszuloten – also die Strukturen und Formen, die die »Handlungsspielräume« (Cleaver) überhaupt bestimmen, wie ja die Diskussion des Arbeitstags und die Lohnform zeigen: »Ein Versuch, der durchaus praktische Bedeutung gewinnen kann, wenn es darum geht zu bestimmen, was Gegenmacht bedeutet, die nicht von dieser Gesellschaftlichkeit produzierten Mystifizierungen aufsitzt und die sich nicht in den Fallstricken der politischen Form Staat verfängt.«

Anmerkungen:

1) Von Terry Eagelton ist ein fast gleichnamiges Buch angekündigt.

2) Der Polemik bedient sich Fülberth in einem Aufsatz in konkret 10/2011.

Literatur:

Werner Bonefeld und Michael Heinrich (Hg.): Kapital & Kritik. Nach der »neuen« Marx-Lektüre. VSA-Verlag, Hamburg 2011, 29,80 EUR.

Harry Cleaver: »Das Kapital« politisch lesen. Mandelbaum, Wien 2012, 19,90 EUR.

Georg Fülberth : »Das Kapital« kompakt. Papyrossa, Köln 2011, 9,90 EUR.

David Harvey: Marx’ »Kapital« lesen. Ein Begleiter für Fortgeschrittene und Einsteiger. VSA-Verlag, Hamburg 2011, 24,80 EUR.

Fritz Reheis: Wo Marx Recht hat. Primus Verlag, Darmstadt 2011. 208 Seiten, 19,90 EUR.

Marx: nervtötender Buchhalter

David Harvey wurde vor wenigen Jahren wiederentdeckt – u.a. durch seine Vorlesungen zum marxschen Kapital. Diese sind letztes Jahr als Buch erschienen und inzwischen auch bei VSA in deutscher Sprache erhältlich. Ich bin noch nicht durch, aber eine Stelle will ich Euch nicht vorenthalten. Zum Unterkapitel »Die Wertform oder der Tauschwert« (Stichwort Wertformanalyse) heißt es:

»Dieser Abschnitt enthält meiner Ansicht nach eine Menge langweiliges (!) Material, das allzu leicht die eigentliche Bedeutung (!!) des hier Entwickelten [zu den ersten beiden Unterabschnitt; I.S.] verdecken kann. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass Marx manchmal den Buchhalter (!!!) raushängen lässt, was zu extrem nervtötenden Darstellungen (!!!!) führen kann: Wenn dies gleich dem ist und jenes gleich diesem und dies drei Pence kostet und jenes fünfzehn, dann ergibt sich, dass etwas anderes dem gleich ist … und so in einem fort unter Heranziehung aller möglichen weiteren Rechenbeispiele.« (S. 42)

Aufgeblättert: Gespenstisches Kapital

Die Presse ist von Joseph Vogls Buch “Das Gespenst des Kapitals” begeistert: “ein Text, dem es an Sprengkraft nicht mangelt” (FAZ); “eine Entzauberung der Finanzwissenschaft” (SZ); “ein frontaler Angriff auf die dorischen Säulen der Wirtschaftswissenschaften – eine brillante Studie” (Die Zeit). Ausgangspunkt für das Buch ist die Krise 2008ff. Continue reading “Aufgeblättert: Gespenstisches Kapital”

Kapital-Kurse und Satellitenseminare 2011

Seit 2006 finden in der Rosa-Luxemburg-Stiftung Kapital-Kurse statt. In wöchentlichen Treffen wird das Hauptwerk von Karl Marx, Das Kapital, gemeinsam diskutiert. TeamerInnen strukturieren die Sitzungen, die Teilnehmenden stellen die gelesenen Textabschnitte kurz vor. Externe TeamerInnen laden wir zu Wiederholungssitzungen ein (Michael Heinrich) oder zum Thema Leben und Werk Karl Marx’ (Rolf Hecker). Um die Kapital-Lektüre herum kreisen übers Jahr verteilt verschiedene „Satellitenseminare“. Hier werden ausgewählte Probleme und Fragen zum Kapital und darüber hinaus vertieft: Wie unterscheiden sich herrschende Wirtschaftstheorien von der Marx’schen Kritik der Politischen Ökonomie? Wie steht es um die Möglichkeit, mit Marx die Geschlechterverhältnisse kritisch zu reflektieren? Wie lassen sich ökologische Fragen mit und im Anschluss an Marx diskutieren? Und nicht zuletzt: Welchen Spielraum haben soziale Auseinandersetzungen angesichts der von Marx analysierten Handlungsstrukturen?

Programm 2011 [pdf]

Weiter zu www.Das-Kapital-lesen.de

MEGAdigital: Marx-Engels-Gesamtausgabe geht online

Zum neuen Jahr ist die digitale Ausgabe der MEGA in einer neuen Version online gegangen. Man findet sie, unter: http://telota.bbaw.de/mega

Für die digitale Ausgabe wurde zunächst die II. Abteilung (Das Kapital und Vorarbeiten) ausgewählt, die nahezu vollständig bearbeitet ist und deren Bände – mit Ausnahme von Teilband II/4.3. – bereits vorliegen.

Das umfangreiche Textkonvolut der ökonomischen Schriften von Marx wird damit für Fragestellungen der Forschung weiter erschlossen. Die edierten Texte werden seiten- und zeilenidentisch mit den gedruckten MEGA-Bänden und damit wissenschaftlich zitierfähig präsentiert.

Zur Zeit sind in der digitalen Ausgabe der MEGA die Edierten Texte von fünf MEGA-Bänden verfügbar, darunter die “Grundrisse” (II/1), das “Sechste Kapitel des ersten Buches: Die Resultate des unmittelbaren Produktionsprozesses” (II/4.1), Manuskripte von Marx (II/4.1, II/11) sowie redaktionelle Texte (II/12) und die von Engels herausgegebene Druckfassung zum zweiten Buch des “Kapital” (II/13). Der Text des Bandes II/11 ist zur Zeit noch nicht vollständig verfügbar, da er viele Formeln, Grafiken, Tabellen und Brüche enthält, die gesondert bearbeitet werden müssen, was derzeit geschieht. In Kürze wird auch der Edierte Text der Erstausgabe des ersten Buches des “Kapital” (Der Produktionsprozess des Kapitals) von 1867 bereitgestellt werden.

Das Projekt ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen dem Akademienvorhaben MEGA an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), der Arbeitsgruppe Telota an der BBAW und einer Gruppe japanischer Forscher von der Tohoku-Universität Sendai und der Hosei Universität Tokio.

Siehe auch:

Karlspreis für Trichet oder: Eine Verkehrung in der Hosentasche

Spiegel-online meldet:

»Rettet den Euro! Das ist die Botschaft des Karlspreises 2011. Geehrt wird einer der größten Kämpfer für die Gemeinschaftswährung: EZB-Präsident Trichet. Nach Ansicht der Jury ist er eine Symbolfigur für den Zusammenhalt der Währungsunion«

Bereits vor acht Jahren bekam der Euro den Karlspreis. In der Begründung zur Verleihung hieß es 2002:

»Wenn die Menschen an der Algarve und in Dublin, in der Bretagne und im Burgenland, in Lappland und auf Sizilien – um nur einige Regionen zu nennen – in der gleichen Währung zahlen, dann werden sie Europa wortwörtlich als bare Münze in der Tasche mit sich tragen, dann werden sie buchstäblich mit den Händen greifen können, dass Europa eine gewachsene Gemeinschaft und der Euro ein Symbol hierfür ist. Der Euro ist die überzeugendste, pragmatischste Lösung auf dem Weg zur europäischen Gemeinsamkeit seit mehr als 1200 Jahren.«

Wir tragen also Europa im Portmonai? Ja, nur eben in versachlichter Form und als Verkehrung eines gesellschaftlichen Verhältnisses. Geld ist nämlich nicht »die überzeugendste, pragmatischste Lösung auf dem Weg zur europäischen Gemeinsamkeit«, sondern ein sachlicher Ausdruck warenproduzierender Arbeit. Bei dieser stellt sich der gesellschaftliche Charakter von Arbeit erst im Nachhinein heraus – über das Geld. Deshalb ist der Euro Ausdruck spezifisch kapitalistischer Vergesellschaftung:

Den Privatproduzenten »erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen.« (Marx)

Und weil die Metapher mit der Hosentasche so schön ist und um zu zegen, wie nah Ideologie und kapitalistische Realität beeinander liegen, soll auch noch der Marx’ der Grundrisse (1857) zu Wort kommen:

»Die wechselseitige und allseitige Abhängigkeit der gegeneinander gleichgültigen Individuen bildet ihren gesellschaftlichen Zusammenhang. Dieser gesellschaftliche Zusammenhang ist ausgedrückt im Tauschwert, worin für jedes Individuum seine eigne Tätigkeit oder sein Produkt erst eine Tätigkeit und ein Produkt für es wird; es muß ein allgemeines Produkt produzieren – den Tauschwert oder, diesen für sich isoliert, individualisiert, Geld. Andrerseits die Macht, die jedes Individuum über die Tätigkeit der andren oder über die gesellschaftlichen Reichtümer ausübt, besteht in ihm als dem Eigner von Tauschwerten, von Geld. Es trägt seine gesellschaftliche Macht, wie seinen Zusammenhang mit der Gesellschaft in der Tasche mit sich.«

Die Verleihung des Karlspreises macht vor allem eines deutlich: Das Kapital lesen!

Satellitenseminar mit Thomas Sablowski: Kein Wunder, die Krise! Wieso die Stabilität kapitalistischer Produktionsweise erklärungsbedürftig ist

Marx spürt bereits ab den ersten Seiten des Kapitals krisenhaften Momenten der kapitalistischen Produktionsweise nach. Ohne Krise sei diese nicht denkbar, so Marx. Auch deshalb ist die Marx’sche Theorie vor dem Hintergrund der Krise der Weltwirtschaft wieder interessant geworden. Aber ganz so einfach wie Marx in den Feuilletons diskutiert wird, ist es nicht. Welche unterschiedlichen krisentheoretischen Ansätze gibt es bei Marx? Welche Rolle spielen hierbei der Kredit und das fiktive Kapital? Ging Marx von einem Zusammenbruch des Kapitalismus aus? Thomas Sablowski wird in seinem Vortrag die krisentheoretischen Implikationen von Marx’ Kritik der politischen Ökonomie vorstellen und diskutieren.

Termin: 13. Dezember 2010, 19.30 Uhr

Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Seminarraum 2, 1. OG

Bitte anmelden unter: valeanto {ät} das-kapital-lesen.de

Siehe auch: www.das-kapital-lesen.de

Im Februar 2011 beginnen auch die neuen Lektüre-Kurse

Alles was Recht ist. Karl Marx und die materialistische Rechtstheorie. Satellitenseminar mit Sonja Buckel

Auch wenn Marx keine Rechtstheorie oder -kritik hinterlassen hat, so hat er sich im Kapital durchaus zu einigen Anmerkungen zum bürgerlichen Recht hinreißen lassen. Darüberhinaus aber bietet die Kritik der Politischen Ökonomie einen gesellschaftskritischen Zugang, von dem aus eine materialistische Theorie des Rechts entwickelt werden kann. Sonja Buckel wird in ihrem Beitrag zeigen, wieso das Marx’sche Kapital wichtig für ein Verständnis des Rechts in Gesellschaften ist, in denen die kapitalistische Produktionsweise herrscht. Mit Marx lässt sich zeigen, dass das Recht in seiner spezifischen Form, ebenso wie Geld und Kapital, keine überhistorische Einrichtung jeder menschlichen Gesellschaft ist.

Von Sonja Buckel ist zuletzt erschienen: Subjektivierung und Kohäsion. Zur Rekonstruktion einer materialistischen Theorie des Rechts

Termin: 15. November 2010, 19.30 Uhr
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin
Seminarraum 2, 1. OG

III. Marx-Herbstschule – III. Band des Kapital | 29.-31.10.2010

Der sog. Finanzkapitalismus mag geschichtlich gesehen eine besondere Phase des Kapitalismus unserer Zeit sein. Gleichwohl ist er im Begriff des Kapitals enthalten, d.h. in der Funktions- und Wirkungsweise seiner Kategorien, insbesondere im Banken- und Kreditsystem, im Zins, im Aktienkapital und fiktivem Kapital. Und ausgerechnet Karl Marx, zu dessen Zeit der Kapitalismus angeblich ein (ganz) anderer gewesen sein soll, hat diese Dynamik bereits behandelt – im dritten Band des Kapitals.

Nachdem er im ersten Band die grundlegenden Kategorien der kapitalistischen Produktionsweise entwickelt und diese Produktionsweise im zweiten Band in ihre Zirkulationskreisläufe auseinandergelegt hat, betrachtet er im dritten Band den Gesamtprozess des Kapitals. Auch die Marx-Herbstschule ist mittlerweile beim dritten Band angelangt. Vom 29.-31.10.2010 sollen zentrale Passagen daraus gelesen werden. Aufgrund der aktuellen Krise liegt der Schwerpunkt dabei auf Textausschnitten zum Finanz-, Kredit- und Banksystem, zum Zins und zum fiktiven Kapital.

Das Rahmenprogramm der Herbstschule ist ganz auf den dritten Band und seine Aktualität ausgerichtet. Am Freitag gibt es eine Einführung von Ingo Stützle, am Samstagabend eine Podiumsveranstaltung im Festsaal Kreuzberg zur aktuellen Situation 2 Jahre nach Ausbruch der Krise, und am Sonntagvormittag wird dann Fritz Fiehler die internationale Diskussion zur Finanzkrise vorstellen.

Mehr Infos und Anmeldung unter http://marxherbstschule.net