Mein Buch »Austerität als politisches Projekt« frei zugänglich

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Seit 2013 (2. Auflage 2014) liegt meine Promotion »Austerität als politisches Projekt« zwischen zwei Buchdeckeln vor. Nachdem inzwischen eine zweite Eurokrise droht, der Verlag das Buch nicht nochmals auflegen will, nachdem es seit Jahren vergriffen ist, habe ich beschlossen, es als PDF-Datei ins Netz zu stellen und frei zugänglich zu machen.

Mehr zum Buch findet ihr hier.

Marx’ Achtzehnte Brumaire, seine Aktualität und die neuen Bonapartisten

Martin Beck und Stützle, Ingo (Hrsg.): Die neuen Bonapartisten. Mit Marx den Aufstieg von Trump & Co. verstehen. Karl Dietz Verlag Berlin, 272 Seiten.

Nach dem Brexit, dem Sieg Donald Trumps in den USA und den Wahlerfolgen rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien in Deutschland, Frankreich, Österreich und den Niederlanden hat eine hektische Suche nach Erklärungen für diese Entwicklung eingesetzt. Dabei wurde und wird auch immer wieder auf den 18. Brumaire von Karl Marx rekurriert. Wie weit das Bonapartismus-Konzept trägt, um die Wiederkehr von Autoritarismus und Nationalismus zu verstehen, wird im gerade erschienenen Band Die neuen Bonapartisten in historischer Rückschau und aktuellen Länderuntersuchungen etwa zu Großbritannien, Polen, den USA, Russland oder der Türkei diskutiert, in Beiträgen von Hauke Brunkhorst, Frank Deppe, Axel Gehring, Felix Jaitner, Bob Jessop, Horst Kahrs, Michele Nobile, Sebastian Reinfeldt, Dorothea Schmidt, Ingar Solty, Rudolf Walther, Gerd Wiegel und Przemyslaw Wielgosz.

Im Achtzehnten Brumaire, einer seiner bedeutendsten politischen Schriften, beschrieb Marx detailliert, wie und warum die Februarrevolution von 1848 in Frankreich in einer Konterrevolution endete. Er führt somit seine Untersuchung Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850 fort, wobei die Revolution von 1848 Marx zufolge auch eine unmittelbare Folge der Wirtschaftskrise von 1847/48 war. Marx ging in seiner damaligen Einschätzung sogar noch weiter: mit der nächsten größeren Krise werde die nächste Revolution kommen. Nicht zufällig erschien die erste Fassung des 18. Brumaire in der deutschsprachigen Wochenzeitschrift mit dem programmatischen Titel Die Revolution. Dass diese in Nordamerika erschien und von dem dorthin migrierten 1848er-Revolutionär Joseph Weydemeyer gründet wurde, ist bereits das Echo der Niederlage einer ganzen politischen Generation. Der Zusammenhang von ökonomischer Krise und Revolution lag für Marx zu dieser Zeit auf der Hand, was ihn, gerade im Londoner Exil eingetroffen, zu erneuten Studien motivierte. Es entstanden 24 Exzerpthefte (Londoner Hefte, 1850–1853 , vgl. MEGA2 II.7–11) und in seiner 1859 erschienenen Schrift Zur Kritik der politischen Ökonomie berichtete er davon, dass das „ungeheure Material für Geschichte der politischen Ökonomie, das im British Museum aufgehäuft“ war, ihn dazu nötigte, „ganz von vorn wieder anzufangen und mich durch das neue Material kritisch durchzuarbeiten“. Für Marx löste sich in den kommenden Jahren der unmittelbare Zusammenhang von ökonomischer Krise und Revolution, der 1851, zum Zeitpunkt des Staatsstreichs des Louis Bonaparte für ihn noch prägend war.

Mit dem Putsch am 2. Dezember 1851 begann sogleich ein intensiver Briefaustausch zwischen Marx und seinem Freund Friedrich Engels. Eine erste Einschätzung Engels schlug sich sogar bis in die Formulierungen des Anfangs im 18. Brumaire nieder. Der Marx’sche Text entstand zwischen Mitte Dezember 1851 und 25. März 1852. Weil Marx‘ Handschrift unleserlich war, diktierte er seiner Frau Jenny den Text oder sie besorgte die Reinschrift. Im Hause Marx galt in dieser Frage die klassische patriarchale Arbeitsteilung. Trotz aller Mühen war der Text ein Flop – ökonomisch wie politisch. Adolf Cluß, ein anderer befreundeter „Forty-Eighter“, musste Geld zuschießen, damit überhaupt eine Auflage von 1.000 Exemplaren zustande kam, was das publizistische Unternehmen nicht davor bewahrte, dass die Hälfte der mit vielen Fehlern gespickten Exemplare erst später ausgelöst werden konnte und solange von der Druckerei zurückgehalten wurde. Die Rechnung wurde nicht bezahlt. In Europa kam nur eine unbedeutende Menge der Revolution-Ausgabe mit Marx’ Text an: Sie gingen verloren oder kamen aufgrund von Zensur nicht in den Buchhandel. Sie landeten eher gezielt bei Freunden und Kampfgenossen – sowie bei der preußischen Polizei. Marx wartete lange auf seine Belege. Eine französische Übersetzung von Marx Schrift erschien erst nach seinem Tod 1890.

Trotz dieser für Marx’sche Texte sehr typische Geschichte wurde der 18. Brumaire zu einer bis heute bedeutendsten Analysen dessen, was sich damals ereignete: Nach der Niederschlagung des Arbeiteraufstands im Juni 1848 wurde noch im gleichen selben Jahr der im Volk beliebte Louis Bonaparte zum Präsidenten gewählt. Am 2. Dezember 1851 putschte Bonaparte und sprach er sich selbst diktatorische Vollmachten zu. E, ein Jahr später ließ er sich nach einem Plebiszit zum Kaiser ernennen und firmierte fortan als Napoleon III. „Zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie die Fähigkeit, die Nation zu beherrschen, schon verloren und wo die Arbeiterklasse diese Fähigkeit noch nicht erworben hatte“, habe sich, so Marx, in Gestalt Bonapartes „der Staat gegenüber der Gesellschaft verselbstständigt“, ohne die soziale Herrschaft der Bourgeoisie infrage zu stellen. Dabei habe sich die Regierung Bonapartes auf das „Lumpenproletariat“ gestützt, den „Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“,   sowie auf einen großen Teil der konservativen Parzellenbauern, die – voneinander isoliert – keine Klasse bildeten, deshalb ihre Interessen nicht vertreten konnten und vertreten werden mussten. Verhält es sich heutzutage in den vielen deindustrialisierten Regionen der USA, Englands, Deutschlands oder Polens ähnlich, wo Menschen entweder um ihre Arbeitsplätze fürchten oder sich in Jobs verdingen, die mehr als das Überleben nicht zulassen? Und nutzen charismatische Figuren diese Lage aus, um autoritäre Regimes unter ihrer Führung zu etablieren? Unter anderem diese Fragen sind Gegenstand des Bandes Die neuen Bonapartisten.

Das Inhaltsverzeichnis (PDF).

Eine erste Besprechung von Tom Strohschneider findet sich im neuen deutschland: Bunte Klassen. Hilft Marx’ «Achtzehnter Brumaire» dabei, den aktuellen Rechtsruck zu verstehen?

»Schuldentragfähigkeit« verlangt der IWF. Was heißt das?

Griechenlands Schulden werden nicht weniger. Nun streiten die Gläubiger, was zu tun ist. Deutschland meint: noch härter sparen! Der IWF findet, Griechenlands Schulden sollen »tragfähig« werden. Das Ziel ist das gleiche: die Diktatur der Gläubiger erhalten.

Griechenland hat zu viele Schulden, heißt es. Dieses Urteil haben die Finanzmärkte bereits vor Jahren gefällt, als das Geldkapital, das die Kredite vergibt, Athen keinen mehr gab. Schon vor fast zehn Jahren war klar, dass Athen seine Schulden nicht mehr ordnungsgemäß bedienen kann, dass Griechenland nicht dauerhaft als rentable Anlagesphäre dient. 2010 wurde der ökonomische Kredit durch einen politischen ersetzt (»1. Hilfspaket«). Die privaten Gläubiger wurden rausgeboxt, die Banken gerettet, und an ihre Stellen traten die öffentlichen Gläubiger: Von den 322 Milliarden Euro Schulden, die Griechenland (2015) hat, halten private Gläubiger, vor allem griechische Banken, inzwischen nur noch 65 Milliarden Euro. Die anderen Gläubiger sind die EZB (27 Milliarden Euro) und der IWF (35 Milliarden). Den größten Batzen teilen sich der Euro-Rettungsfonds EFSF/ESM (142 Milliarden) und die Euro-Staaten (53 Milliarden). Continue reading “»Schuldentragfähigkeit« verlangt der IWF. Was heißt das?”

Neue Besprechung zu »Austerität als politisches Projekt«

Bei H-Soz-Kult ist eine neue Besprechung zu meinem Buch Austerität als politisches Projekt erschienen – im Rahmen einer Sammelrezension zu Büchern, die ich auch gemeinsam besprochen habe.

Zu meinem Buch ist zu lesen:

Jedenfalls ist es geradezu eine Erleichterung, mit der Arbeit von Ingo Stützle eine Arbeit rezensieren zu dürfen, die sich von den zwei oben besprochenen positiv abhebt. Man muss nicht alles unterschreiben, was der Autor äußert; mitunter wiederholt er auch sattsam bekannte Klischees, auch wenn die von ihm beschriebenen empirischen Zusammenhänge eine andere Interpretation nahelegen würden. Trotzdem handelt es sich um eine inhaltsreiche und zum Nachdenken anregende Arbeit, deren Grundthese allerdings außerhalb von explizit marxistisch orientierten „epistemic communities“ kaum ohne Widerspruch akzeptiert werden wird.

Die gesamte Besprechung findet sich hier.

Telepolis-Interview zum Buch »Ist die Welt bald pleite?«

In der Öffentlichkeit wird der ökonomische Verstand einer schwäbischen Hausfrau stets als Vorbild staatlichen Haushaltens gepriesen, aber wird dieses Bild der vielleicht doch komplexeren volkswirtschaftlichen Wirklichkeit gerecht? Stephan Kaufmann und ich argumentieren in unserem Buch Ist die Welt bald pleite? dagegen.

Sparprogramme der Politik liefen in der Vergangenheit regelmäßig wie folgt ab: Mit dem Versprechen, Schulden abzubauen, wurden zu Lasten der Armen und der Bevölkerungsmehrheit Sozialausgaben gestrichen und öffentliche Güter privatisiert, während Unternehmen und Vermögende von missliebigen politischen Maßnahmen verschont blieben. In der Praxis waren am Ende solcher Maßnahmen die Schulden üblicherweise höher als davor, was häufig zu einer Verschärfung der Sparprogramme führt.

In einem Telepolis-Interview stehen wir Rede und Antwort:

Teil 1: “Staatliche Sparsamkeit kennt immer Profiteure und Verlierer”
Teil 2: “Jede Wette, dass die Schuldenbremse die nächste Krise nicht überlebt”

Kaum Luft zum Atmen. Alle neuen Maßnahmen der SYRIZA-Regierung hängen am Tropf der EZB

eule
Mit jeder Lösung werden sich die Widersprüche innerhalb Europas eher verschärfen als auflösen.

Die neue griechische Regierung hat mit der sogenannten Eurogruppe vier Monate Zeit ausgehandelt, die ersten Wochen sind bereits verstrichen und neue Konflikte aufgebrochen. Inzwischen liegen dem neu gewählten Parlament die ersten Vorschläge und Gesetzesentwürfe vor. Ein neuer Mindestlohn soll zwar erst 2016 eingeführt werden, die erste Anhebung soll aber bereits in diesem Jahr kommen. Theano Fotiou, die stellvertretende Ministerin für Arbeit und soziale Solidarität, präsentierte im griechischen Parlament zudem ein erstes Gesetz zur Bekämpfung der humanitären Krise. Die ersten Maßnahmen umfassen: Continue reading “Kaum Luft zum Atmen. Alle neuen Maßnahmen der SYRIZA-Regierung hängen am Tropf der EZB”

Die Austeritätspolitik der EU ist nichts grundlegend Neues

Thomas Sablowski wurde für die Zeitschrift mole interviewt und greift darin meine Arbeit zum Euro auf, die inzwischen in der Zweitauflage vorliegt:

Insofern ist die Austeritätspolitik der EU in der jüngsten Krise nichts grundlegend Neues; vielmehr wurde die bisherige Politik mit der Neuregelung der „Economic Governance“, mit dem Euro-Plus-Pakt, dem Fiskalpakt etc. nur noch einmal erheblich verschärft. Der Titel „Austerität als Projekt“, den Ingo Stützle seiner marxistischen Studie über die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion gegeben hat, charakterisiert diese daher sehr treffend.

Austerität tötet. Wer das Sparen erfand und wem es heute nützt – ein BR2-Feature

Piketty-BuchAuf die Sparprogramme der Troika folgte in vielen Krisenländern die humanitäre Katastrophe. Während die EU-Länder weiter ihre Schulden reduzieren wollen, wird die Krise für immer mehr Menschen zum Alltag – auch in Deutschland. Julia Fritzsche und Sebastian Dörfler haben für den Bayrischen Rundfunk ein hörenswertes Feature zu Austerität produziert, zu dem ich auch ein paar Ideen beisteuern durfte. Das Feature ist als Podcast verfügbar:

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Meine Besprechung von »Sparprogramme töten – Die Ökonomisierung der Gesundheit« von David Stuckler und Sanjay Basu findet ihr hier.

Die aktuelles Ausgabe von »Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin« (Sonderausgabe zu Griechenland) hier.