Gramsci lesen

Diese Woche hat in Berlin der Gramsci-Lesekurs begonnen. Pünktlich ist auch ein Gramsci-Reader erschienen, der einen guten Einstieg in die Gefängnishefte bietet. Obwohl ich das Buch lobe, muss ich es noch nicht in der Hand gehabt haben. Das habe ich bei Gramsci gelernt, der gleich im ersten Heft (§6) seiner Gefängnishefte zustimmend Antoine de Rivarol zitiert:

»Um ein Buch zu loben, ist es keineswegs nötig, es zu öffnen; aber wenn man beschlossen hat, es zu kritisieren, ist es immer klug, es zu lesen. Wenigstens solange der Autor am Leben ist.«

Anton Tanter hat eine andere schöne Passage entdeckt, in der sich Gramsci (Heft 8, §57, §60, Seite 977f.) über das Rezensieren äußert:

Als einzelner kann keiner die ganze über eine Gruppe von Themen veröffentlichte Literatur verfolgen, ja nicht einmal die über ein einziges Thema. Der kritische Informationsdienst für ein mäßig gebildetes Publikum oder für eines, das ins kulturelle Leben einsteigt, über alle Veröffentlichungen zu der Gruppe von Themen, die es besonders interessieren können, ist eine Pflichtleistung. Wie die Regierenden ein Sekretariat oder eine Pressestelle haben, die sie periodisch oder täglich über alle Publikationen informiert halten, deren Kenntnis für sie unverzichtbar ist, so tut es eine Zeitschrift für ihr Publikum. Sie wird ihre Aufgabe festlegen, sie eingrenzen, aber das ist ihre Aufgabe: dies verlangt jedoch, daß ein organischer und vollständiger Informationsblock geboten wird: begrenzt, aber organisch und vollständig. Die Rezensionen dürfen nicht zufällig und unregelmäßig sein, sondern systematisch, und sie müssen unbedingt von rückblickenden »zusammenfassenden Übersichten« zu den wesentlichsten Themen begleitet sein.

Anschließend unterscheidet Gramsci zwei Typen von Rezensionen:

›zusammenfassende‹ Rezensionen zu den Büchern, von denen man glaubt, daß sie nicht gelesen werden können, und Rezensionen-Kritiken zu den Büchern, die man zur Lektüre zu empfehlen für notwendig hält, aber natürlich nicht einfach so, sondern nachdem man deren Grenzen bestimmt und die teilweisen Mängel angegeben hat usw. Diese zweite Form ist die wichtigere und wissenschaftlich angemessenere, und sie muß wie eine Mitarbeit des Rezensenten an dem vom rezensierten Buch behandelten Thema aufgefaßt werden.

Gramsci wird seit einigen Jahren wieder verstärkt diskutiert und rezipiert. Das Interesse scheint derart groß zu sein, dass es sich auch lohnt, eine Biographie auf den Markt zu bringen. So legte Rotbuch die Gramsci-Biographie von Giuseppe Fiori neu auf. Auch ein gutes Buch. Und um es klarzustellen: Das Buch hatte ich nicht nur in der Hand, sondern habe es auch gelesen – allerdings die alte Auflage.

Aufgeblättert: Europas Revolution von oben

Steffen Vogel nimmt Angela Merkels Forderung einer »marktkonformen Demokratie«, die sie 2011 auf einer Pressekonferenz formulierte, als Ausgangspunkt, die letzten Jahre Austeriätpolitik Revue passieren zu lassen. In fünf Kapiteln zeichnet Vogel die Krise nach, die spezifischen Bedingungen in Spanien und Griechenland, wie die Troika in der Eurozone agierte und schließlich Deutschland die EU nach seinem Sparbilde formte: Schuldenbremse für alle. Vogel schließt mit einer solidarischen Referenz auf die Proteste der letzten Jahre: »Die Zukunft Europas wird heute in Sitzungssälen geschrieben. Ab morgen sollte sie auf den Straßen und Plätzen geschrieben werden.« Das Buch ist mit heißer Nadel gestrickt, will es doch am Puls der Zeit linken AktivistInnen und kritischen Köpfen eine Handreichung zur Eurokrise geben. Wer Details und wichtige Weichenstellungen der letzten Jahre Zeitungslektüre vergessen hat, wird für das Buch dankbar sein. Leider fehlt etwas analytischer Tiefgang. Nicht diskutiert wird, was ein Staat und was die EU als politisches Gebilde ist und wie sich Privatinteressen gesellschaftlich verallgemeinern. Für Vogel wird eine falsche Politik verfolgt bzw. eine, die bestimmten Interessen nützt. Wichtig für linke Gegenmacht ist jedoch zu verstehen, wie sich deutsche Interessen und die spezifischen Kapitalfraktionen als Allgemeininteressen europäisch verallgemeinern konnten und welche Rolle europäische Staatlichkeit dabei spielte.

Ingo Stützle

Steffen Vogel: Europas Revolution von oben. Sparpolitik und Demokratieabbau in der Eurokrise. Laika Verlag, Hamburg. 165 Seiten, 19,80 EUR.

Erschienen in: ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 587 vom 15.10.2013

Aufgeblättert: Aufstand aus der Küche

Aufstand aus der Küche heißt ein neues Bändchen aus dem Hause edition assemblage. Es versammelt drei wichtige Beiträge zur feministischen Ökonomiekritik der Marxistin Silvia Federici.[1. Im Juni 2012 bestreiteten Silvia Federici und Melinda Cooper die »Luxemburg-Lecture« in Berlin zum Thema »Das Unsichtbare sichtbar machen. Reproduktionsarbeit, Biotechnologie und geschlechtliche Arbeitsteilung.« Ein Mitschnitt findet sich auf der Website der RLS.] Seit den 1970er Jahren stellt Federici die weibliche Reproduktionsarbeit ins Zentrum politischer Diskussionen und Auseinandersetzung. Es ist dem Kollektiv Kitchen Politics zu danken, dass sie die Texte zugänglich gemacht haben.

Federici war Gründungsmitglied des International Feminist Collective, das 1972 die internationale Kampagne »Lohn für Hausarbeit« initiierte. Die Forderung war eine strategische Intervention mit dem Ziel, das Kräfteverhältnis von Kapital und Lohnarbeit zu verschieben — aus einer feministischen Perspektive. Hausarbeit sollte ihre scheinbare Natürlichkeit genommen werden — deshalb auch Aufstand aus, nicht in der Küche. Und mehr noch: Federici thematisierte die Herstellung von Geschlecht als Teil gesellschaftlicher Praxis und nahm damit, das unterstreicht das Kollektiv Kitchen Politics, einige Thesen aus den Queerdebatten vorweg. Was Federici weiter auszeichnet ist, dass sie den Raum der politischen Auseinandersetzung nicht auf die Hausarbeit, die Küche, beschränkt, sondern bis ins »Schlafzimmer« ausweitet. Nicht nur die Reproduktion der Arbeitskraft, sondern auch die gesellschaftlichen Bedingungen der Reproduktion der Gattung Mensch hat einen kapitalistischen Charakter, der sich in die Geschlechterverhältnisse einschreibt — und umgekehrt.

Neben Federicis Beitrag zur Lohn-für-Hausarbeit-Kampagne von 1974 versammelt das Bändchen zwei neue Texte. Einer thematisiert Reproduktionsarbeit unter den Bedingungen des globalisierten Kapitalismus; der andere ist ein feministischer Beitrag zur Commons-Debatte, mit dem sich Federici auch in der Occupybewegung zu Wort meldete. Neben den drei Beiträgen von Federici wird auch die kluge Einleitung einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass feministische Ökonomiekritik und Kapitalismuskritik in Zukunft stärker zusammengedacht werden können.

Silvia Federici: Aufstand aus der Küche. Reproduktionsarbeit im globalen Kapitalismus und die unvollendete feministische Revolution. edition assemblage, Münster 2012. 128 Seiten, 9,80 EUR.

Aufgeblättert: Linke Kommunismuskritik

Der Kommunismus als politisches Ziel und Idee ist vor allem durch seine eigene Geschichte delegitimiert. In der aktuellen politischen Debatte hat diese Delegitimierung die Form des Extremismus- und Totalitarismusdiskurses angenommen, der die realexistierenden Sozialismen und den Stalinismus mit Faschismus und den nationalsozialistischen Verbrechen gleichsetzt. Dagegen setzt die Leipziger Gruppe INEX, die sich seit Jahren gegen den Extremismusansatz engagiert, eine linke, nicht totalitarismustheoretische Kritik an Stalinismus und Realsozialismus. »Wer heute vom Kommunismus redet, darf von Realsozialismus und Stalinismus nicht schweigen«, heißt es in der Einleitung des INEX-Sammelbandes »Nie wieder Kommunismus?«. Continue reading “Aufgeblättert: Linke Kommunismuskritik”

Aus einem finanztheoretischen Lehrbuch von 1969

Vor der Durchssetzung der Neoklassik als Mainstream konnte noch Unerhörtes in finanztheoretischen Lehrbüchern[1. Horst Claus Recktenwald (Hg.): Finanztheorie, Köln-Berlin 1969] behauptet werden, nämlich dass die Konsolidierung der Staatsfinanzen durch die Drosselung der öffentlichen Nachfrage gegen die ökonomische Vernunft verstoße: Die Wirtschafts- und Finanzwissenschaften hätten bis nach dem Zweiten Weltkrieg

»Enthaltsamkeit des Staates, Budgetausgleich wegen Inflationsgefahr (!) und neutrale Finanzpolitik [gefordert] […]. Alles das klingt heute selbst in den Ohren jedes Erstsemesters als eine Herausforderung, da bewusste Drosselung der öffentlichen Nachfrage […] gegen elementare ökonomische Vernunft verstößt. Die hausbackene, biedere Vorstellung, was für den einzelnen gut sei, sei auch stets für die Gesamtwirtschaft richtig, erwies sich als falsch.« (S. 16, HerV.: I.S.)

So liest sich die Kehrseite eines wirtschaftspolitischen und wirtschaftstheoretischen Paradigmenwechsel.

Debt and Punishment. A critical review of David Graeber’s ›debt‹. The book is missing an analysis of capitalism

The last few years of crisis politics were a prime example of how on the one hand profits are privatized, while on the other hand losses are socialized. The deep crisis of capitalism has left in its wake a sovereign debt crisis. The answer of the political class has been fiscal consolidation. Finance capital’s claims on returns are guaranteed and collected by the state. The invisible hand of the market is joined by the visible fist of the state. Struggles over state finances will be central battlefields in the next few years.

That is no doubt the reason why the publication of David Graeber’s book Debt: The First 5,000 Years was greeted with euphoria, even by the bourgeois press. In the Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Frank Schirrmacher wrote that Graeber »opens the reader’s eyes to what’s going on right now,« and furthermore, »Graeber’s text is a revelation, since one is no longer forced to react to the system itself within the system of apparent economic rationality.« Der Spiegel opines: »his book on the nature of debt and its economic and moral basis is already regarded as an anti-capitalist standard work of the new social movements which have emerged during the world economic crisis.« This is in reference to the Occupy protests. Even the chief economist of the Deutsche Bank group reviewed Graber’s book positively in the monthly economic policy journal Wirtschaftsdienst (4/2012) with regard to the question of the future of central banking. Since May 2012, the book has been available in a German edition. Continue reading “Debt and Punishment. A critical review of David Graeber’s ›debt‹. The book is missing an analysis of capitalism”

Nachtrag zur Graeber-Besprechung

»Die Gewohnheit, immer ›bitte‹ und ›danke‹ zu sagen, setzte sich während der kommerziellen Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts durch – bei eben jenen Mittelschichten, die hauptsächlich für diese Revolution verantwortlich waren. Es ist die Sprache der Ämter, der Läden und Kanzleien, und im Lauf der letzten 500 Jahre hat sie sich mit diesen Einrichtungen ausgebreitet. Dies Sprache ist nur ein Zeichen einer umfassenden Denkweise, einer Reihe von Annahmen, was Menschen sind und was sie sich einander schulden. Heute sind diese Annahmen so tief verwurzelt, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen.« (Graeber 2011: 131)

Meine Besprechung zu Graebers Schulden-Buch musste knapp ausfallen. Ein paar Punkte sind nur angerissen. Bei anderen wissen nur diejenigen, die bestimmte (zwischen den Zeilen zu findende) Debatten kennen, worauf ich hinaus will. Deshalb ein kurzer, summarischer Nachtrag. Wer meine ak-Besprechung nicht kennt, sollte sie vorher lesen. Auf viele Punkte, die ich dort ausführe, gehe ich hier wiederum nicht ein.

Buchpräsentation zu »Inside Occupy« mit David Graeber. Foto : CC-Lizenz/Tine Nowak

Graeber orientiert sich an einer klassischen Frage der politischen Ökonomie – was ist Geld? Er kritisiert den Mainstream scharf und klopft im ersten Teil seines Buches die Wirtschaftstheorie kritisch ab – zu Recht. Diese geht meist von unhistorischen und fiktionalen Gesellschaften aus, in denen Menschen ihren natürlichen Neigungen nachgehen, unter anderem ihrem Hang zu Tausch und Handel. Graeber kritisiert richtigerweise, dass ökonomische Lehrbücher immer mit dem Barter, einem einfachen Produktentausch ohne Geld beginnen.[1] In seiner Auseinandersetzung streift Graeber u.a. Smith, Menger, Jevons, Keynes, Knapp, Samuleson und Aristoteles und Aglietta.

Wen Graeber zu Beginn seines Buchs nicht kritisiert bzw. diskutiert ist Marx, obwohl dieser auch mit dem Warentausch beginnt – könnte man zumindest meinen. Und genau hier zeigt sich Graebers grundlegendes Problem, der zwar viel historisch-anthropologisches Material zusammenträgt, es aber nicht theoretisch-begrifflich durchdringt. Hierfür bedürfte es nämlich einer Theorie des Kapitalismus, Kriterien, was den Kapitalismus auszeichnet – eine Formanalyse und Kritik.
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David Graeber, Klappe die Vierte

Wurden innerhalb eines Jahres von einem/einer AutorIn schon mal mehr Bücher als von Graeber übersetzt? Hier Nummer Buch Nr. 4 – mit 10 Jahren Verspätung. Die Möglichkeit, mit anarchistischen Autoren Profit zu machen, widerlegt auch Engels, der meinte:

»Man streitet nicht mit Leuten, die in der Ökonomie unwissend genug sind, den Leipziger Büchermarkt überhaupt für einen Markt im Sinne der modernen Industrie anzusehn.«

Meine Besprechung zu »Schulden« findet sich hier und hier.

Schuld und Sühne. In David Graebers Buch »Schulden – Die ersten 5.000 Jahre« fehlt die Kapitalismusanalyse

Die letzten Jahre Krisenpolitik waren ein Paradebeispiel dafür, wie Gewinne privatisiert, Verluste hingegen vergesellschaftet werden. Die tiefe Krise des Kapitalismus hinterlässt eine Staatsschuldenkrise. Die Antwort der politischen Klasse ist Haushaltskonsolidierung. Die Renditeansprüche des Finanzkapitals werden staatlich garantiert und eingetrieben. Der unsichtbaren Hand des Marktes wird die sichtbare Faust des Staates zur Seite gestellt. Damit werden die Kämpfe über die Staatsfinanzen in den kommenden Jahren zum zentralen Konfliktfeld.

Wohl auch deshalb wurde die Veröffentlichung von David Graebers Buch »Debt – The First 5.000 Years« so euphorisch begrüßt – auch von der bürgerlichen Presse. Frank Schirrmacher schrieb in der FAS (13.11.2011), dass Graeber »dem Leser die Augen für das (öffnet), was gerade vor sich geht«. Und weiter: »Graebers Text ist eine Offenbarung, weil er es schafft, dass man endlich nicht mehr gezwungen ist, im System der scheinbar ökonomischen Rationalität auf das System selber zu reagieren.« Der Spiegel meint: »Sein Buch über das Wesen von Schulden und deren wirtschaftliches und moralisches Fundament gilt schon jetzt als antikapitalistisches Standardwerk der neuen sozialen Bewegungen, die während der Weltwirtschaftskrise entstanden sind.« Gemeint sind damit die Occupyproteste. Sogar der Chefsvolkswirt der Deutschen-Bank-Gruppe rezipiert Graeber positiv in der wirtschaftspolitischen Monatszeitschrift Wirtschaftsdienst (4/2012) bei der Frage nach der Zukunft der Zentralbankwirtschaft. Das Buch liegt seit Mai 2012 nun auch in deutscher Übersetzung vor.  Continue reading “Schuld und Sühne. In David Graebers Buch »Schulden – Die ersten 5.000 Jahre« fehlt die Kapitalismusanalyse”

Aufgeblättert: Keine Krise der Krisenliteratur

Seit Beginn der Krise ist viel geschrieben worden. Nach ersten Erklärungen und historischen Rekonstruktionen erscheinen inzwischen Bücher, die sich von den neueren Entwicklungen einen Begriff machen und nach den politischen und ökonomischen Konsequenzen fragen. Es gibt aber auch AutorInnen, die weiterhin (und zurecht) von einem Bedarf an tiefer gehender und allgemeinerer kapitalismuskritischer Analyse ausgehen. Fast zeitgleich sind zwei über 300 Seiten starke Bücher erschienen, die sich gleichermaßen auf Marx beziehen. Wolfgang Fritz Haug deutet die Krise als erste große Krise des transnationalen Hightech-Kapitalismus, die vergleichbar ist mit der Krise des Fordismus. Ernst Lohoff und Norbert Trenkle von der Krisisgruppe formulieren die kaum überraschende These, dass der Kapitalismus an seine grundlegenden Widersprüche geraten ist, da dem Kapital mit wachsenden Produktivkräften die Quelle des Profits, die Arbeit, abhandenkommt. Die Aufblähung des Finanzmarkts konnte hierbei nur temporär Abhilfe schaffen. Continue reading “Aufgeblättert: Keine Krise der Krisenliteratur”

Aufgeblättert: Katz und Maus

Günter Grass’ Novelle »Katz und Maus« erschien 1961. Sechs Jahre später kam Hansjürgen Pohlands Verfilmung in die Kinos, die besser als die literarische Vorlage ist – und provokativer. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Franz-Josef Strauß wollte den Film verbieten: Dieser verunglimpfe die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger und sei eine »sittlich verwerfliche Form der Darstellung hoher Tapferkeitssymbole«. Das Bundesinnenministerium verlangte Fördergelder zurück. Das Ritterkreuz war ein von Hitler gestifteter Orden. Seine Träger wurden während des Nationalsozialismus als Helden verehrt. Enno Stahl hat in seinem Büchlein die Geschichte des Films und die Auseinandersetzungen um ihn rekonstruiert. Hierfür hat er auch den Briefwechsel zwischen Grass, Schauspielern und Regisseur sowie Archivmaterial und die Presse gesichtet. Das Buch bietet einen Einblick in die Kulturproduktion im postfaschistischen Deutschland vor 1968. Eine DVD-Edition des Films ist in Vorbereitung. Was fehlt, ist eine Auseinandersetzung mit Sexualität und Männlichkeit. Spätestens seit Klaus Theweleit ist bekannt, dass es hierbei einen Zusammenhang zum NS-Faschismus gibt – auch in der kulturellen Verarbeitung nach 1945. In »Katz und Maus« trägt die Hauptfigur das Ritterkreuz aus Scham über seinen großen Adamsapfel, und die Protagonisten veranstalten eine Art Onanierolympiade, eine Szene, die Pohland erheblich kürzt.

Ingo Stützle

Enno Stahl: Für die Katz und wider die Maus. Pohlands Film nach Grass. Verbrecher Verlag, Berlin 2012. 128 Seiten, 14 EUR.

Erschienen in: ak – analyse & kritik. zeitung für linke debatte und praxis, Nr. 571 vom 20.4.2012

Aufgeblättert: Gespenstisches Kapital

Die Presse ist von Joseph Vogls Buch “Das Gespenst des Kapitals” begeistert: “ein Text, dem es an Sprengkraft nicht mangelt” (FAZ); “eine Entzauberung der Finanzwissenschaft” (SZ); “ein frontaler Angriff auf die dorischen Säulen der Wirtschaftswissenschaften – eine brillante Studie” (Die Zeit). Ausgangspunkt für das Buch ist die Krise 2008ff. Continue reading “Aufgeblättert: Gespenstisches Kapital”

Anhörung der Arten

Der Bayerische Rundfunk hat sich nach Weiss’ Die Ästhetik des Widerstands und Kafkas Der Prozess Dietmar Daths Die Abschaffung der Arten vorgenommen und produzierte mit Unterstützung von Mouse on Mars ein 12-teiliges Hörspiel. Letzten Sonntag wurde die erste Folge ausgestrahlt, die auch als Download zur Verfügung steht.

Für ak sprach ich letztes Jahr mit Dietmar Dath über Kunst, Politik und die Schwierigkeit, in kritischer Form zu bleiben.

Aufgeblättert: David McNally – Global Slump: The Economics and Politics of Crisis and Resistance

Endlich ist das neue Buch von David McNally lieferbar: »Global Slump: The Economics and Politics of Crisis and Resistance«.

Auf Deutsch wurde 2008/2009 ein Vortrag in zwei Teilen in der Zeitschrift Das Argument abgedruckt. [1. McNally, David (2008): Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise, 1. Teil, in: Das Argumen 279, 50.Jg., 796-804; sowie: Ders. (2009): Von der Finanzkrise zur Weltwirtschaftskrise, 2. Teil, in: Das Argument 281, 51.Jg., H.3, 471-478.]

Mit Equal Time sprach er über sein neues Buch, die Auswirkungen der Krise und von der Notwendigkeit von Antirassismus und sozialer Gegenmacht.

http://equaltimeradio.com/?q=audio/download/312/1.18.11McNally.mp3

Anmerkung: