Leere Versprechen mit System. Was ein extra-institutionelles Treffen wie G7 in Elmau soll

Sonnenaufgang im Wettersteingebirge. Foto: CC-Lizenz, 7pc
Sonnenaufgang im Wettersteingebirge. Foto: CC-Lizenz, 7pc

Viele hatten gedacht, dass nach dem G8-Gipfel in Heiligendamm derartige Treffen kaum mehr eine Rolle spielen. Mit der Krise ab 2008 wurde plötzlich die G20 wichtiger. Nun trifft sich die G7 in Elmau – ohne Russland. Es stellt sich die Frage, gegen was man sich bei derartigen Gipfelprotesten eigentlich richtet. Die G7 ist weder ein Staat, noch etwas, was mit der Europäischen Union (EU) vergleichbar wäre. Nicht einmal der Welthandelsorganisation (WTO) ist der G7-Gipfel ähnlich. Bei der WTO legen miteinander konkurrierende Staaten gemeinsame Spielregeln fest, können ein Schiedsgericht anrufen und sich bei Regelverletzungen sogar sanktionieren. Eine derartig verregelte Institutionalisierung zur Stabilisierung politischer Prozesse stellt die G7 nicht dar. Die G7 verfügen nur über eine schwach ausgebildete Bürokratie und beschränkte Interventionsformen. Die getroffenen Absprachen sind zu wenig verbindlich – im Kern betreibt sie symbolische Politik. Dass sie leere Versprechen sind und bleiben, liegt also in der Sache selbst. Continue reading “Leere Versprechen mit System. Was ein extra-institutionelles Treffen wie G7 in Elmau soll”

Das Kapi­tal ist außer sich. Luxem­burgs Begrün­dung der Not­wen­dig­keit nicht­ka­pi­ta­lis­ti­scher Milieus

»Ich … hasse Ber­lin und die Deut­schen schon so, dass ich sie umbrin­gen könnte. Über­haupt braucht man anschei­nend zum Leben eine Reserve an Gesund­heit und Kräf­ten.« (Rosa Luxem­burg an Leo Jogi­ches, 16. Mai 1898)

Am 10. Mai referierte ich auf Einladung der jour fixe initia­tive berlin zu Rosa Luxemburg. In der Ankündigung hieß es:

Im zweiten Band des Kapital verdeutlicht Karl Marx, dass die kapitalistische Produktionsweise zu ihrem Funktionieren vieler Voraussetzungen bedarf. Bis heute wird im Anschluss an Rosa Luxemburg darüber diskutiert, ob Marx hierbei nicht vernachlässigt habe, dass dies nur auf Grundlage kapitalistischer Expansion in nichtkapitalistische Milieus möglich sei. Luxemburg argumentiert im Anschluss an die Marxschen Reproduktionsschemata, dass der Kapitalismus nicht nur krisenhaft, sondern immer auch expansiv sein müsse. Die sogenannte ursprüngliche Akkumulation, die Trennung der unmittelbaren Produzent_innen von ihren Produktionsmitteln, habe den Kapitalismus demnach nicht nur in die Welt verholfen, sondern bleibe eine systematische Voraussetzung des Kapitalverhältnisses. Die Veranstaltung soll Luxemburgs Marx-Kritik kritisch diskutieren.

Nach dem Vortrag wurde ich mehrmals gebeten, die Folien, die ich dort präsentierte, zugänglich zu machen. Das möchte ich hiermit tun.

Die Grafik am Ende der Folien ist von Urs Lindner (»Macht Arbeitsteilung Sinn? Zur Relevanz von Marx für die gegenwärtige Sozialtheorie«, in: Bude, Heinz/ Damitz, Ralf M., et al. (Hg.): Marx. Ein toter Hund? Gesellschaftstheorie reloaded, Hamburg 2010, 175-197.).

Die detaillierte Auseinandersetzung mit den Reproduktionsschemata findet ihr hier. An anderer Stelle bin ich aus Anlass von 100 Jahre Erster Weltkrieg nochmal auf den Zusammenhang von Kapitalismus und Krieg eingegangen und habe unter anderem den Ansatz von Luxemburg kritisch diskutiert.

Zudem möchte ich die Gelegenheit nicht verpassen, auf Ursula Schmiederers Text zum Verhältnis von Organisation und Spontaneität bei Rosa Luxemburg hinzuweisen.

FAQ. Noch Fragen? Offene Offene Beziehung mit Euro?

bank-of-berlin
Parallelwährung oder nicht – ist das die Frage?

Ein Ausstieg aus dem Euro ist rechtlich eigentlich nicht möglich. Deshalb wird in den letzten Wochen eine scheinbar softere Variante ins Spiel gebracht: Athen könnte doch eine Parallelwährung einführen, also eine zweite Währung, die neben dem Euro gilt. Die Tageszeitung Die Welt berichtete, vor dem Treffen der Eurofinanzminister_innen in Brüssel am 11. Mai 2015 hätten die Unterhändler_innen der Gläubigerstaaten nicht mehr ausschließen können, dass Griechenland eine Parallelwährung einführen muss. Wie kann man sich das vorstellen?

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Melange und Apfelstrudel zum 8. Mai

Eine jüdische Emigrantin ist heimgekehrt und sitzt wieder in ihrem ehemaligen Stammcafé – der Zweite Weltkrieg und die Naziherrschaft sind beendet. Sie bestellt eine Melange, einen Apfelstrudel und den Völkischen Beobachter. Der Kellner antwortet: »Die Melange und den Apfelstrudel bringe ich Ihnen gerne, aber den Völkischen Beobachter gibt es nicht mehr.« Die Szene wiederholt sich in den kommenden Tagen, bis der Kellner fragt: »Gnädige Frau, warum wiederholen Sie denn immer wieder ihre Bestellung, wo ich Ihnen doch sage, den Völkischen Beobachter gibt es nicht mehr.« Sie antwortet: »Ich weiß, aber ich kann es nicht oft genug hören.«

(Frei wiedergegeben und zu finden in Moische, wohin fährst du? Dank an: Lukas Oberndorfer)