FAQ. Noch Fragen? Investitionen für Griechenland

Eine der ersten Wortmeldungen des neuen griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis war: »Ich bin Finanzminister eines bankrotten Staats«, und lange stand für die Troika die Forderung im Vordergrund, dass Griechenland den Gürtel enger schnallt. Inzwischen stellt sich die politische Klasse auch die Frage: Wie können Investitionen angeregt werden? In den letzten Wochen wurden deshalb einige Ideen gewälzt. Genannt wurden hierbei einige weniger bekannte Institutionen wie die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) oder die diversen EU-Regionalfonds. Aber folgen diese Einrichtungen einer anderen Logik als die der Austerität?

Europa brauche einen langen Atem, um die Krise hinter sich zu lassen, sagte Angela Merkel Anfang März 2015 auf einer Konferenz der EIB. Dafür seien jedoch weitere Reformen notwendig – auch in Griechenland. Die Rolle der EIB beim von Deutschland gesteuerten Austeritätskurs skizzierte die Kanzlerin als die eines »Schrittmachers und Helfers«. Das hört sich nicht so an, als markierte die EIB einen Bruch mit dem bisherigen Sparkurs.

Schon zuvor hatte die EIB selbst Spekulationen zurückgewiesen, sie werde sich umfassender oder gar anders in Griechenland engagieren. Derzeit habe die Bank 16,9 Milliarden Euro in Griechenland gesteckt, ein »atemberaubendes« Volumen, so EIB-Präsident Werner Hoyer. Seit der Krise seien mehr als 11 Milliarden Euro für Infrastrukturvorhaben, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Energieprojekte bereitgestellt worden. »Im Moment sehe ich keine neuen Projekte«, sagte er weiter. Auch werde nicht an den Standards gerüttelt: »Schwache Projekte sind ein Ausschlusskriterium für diese Bank.« Also gilt auch hier das Prinzip: Geld gibt es nur für Projekte, die profitabel sind oder die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.

Ähnlich sieht es bei der EBWE aus. Sie wurde kurz nach 1990 mit dem originären Ziel gegründet, die Transformationsphase in den osteuropäischen, ehemaligen realsozialistischen Ländern zu unterstützen – in Richtung kapitalistische Marktwirtschaften. Noch heute ist im Selbstverständnis zu lesen, dass das Ziel der Bank sei, »ein solides Investitionsklima mit zu schaffen, das auf einem wirksamen Rechts- und Regulierungsrahmen basiert«, und dass sie danach strebe, »die Region bei der Umwandlung in erfolgreiche Marktwirtschaften zu unterstützen«. Hört sich schwer nach den neoliberalen Evergreens an: Deregulierung, Privatisierung und Unternehmertum.

Die EU-Regionalfonds waren zwar einmal mit dem Ziel gegründet worden, einen sozialen Ausgleich innerhalb Europas zu ermöglichen, entwickelten sich aber bereits in den 1980er Jahren in einen Motor der neoliberalen Integration. Die Gelder, die sie Athen zwischen 2007 und 2013 zugestanden haben, waren erst 2014 zu 80 Prozent ausgeschöpft. Damit belegt Athen den fünften Platz derjenigen EU-Länder, die darauf Anspruch haben. Das ist aber nur einer 2011 von der EU-Kommission eingesetzten Task-Force zu verdanken, die Griechenlands Bürokratie dabei half, die Gelder auch abzurufen. Davor war Griechenland auf dem 18. Platz. Aber es stellt sich auch die Frage, für was die Gelder genutzt werden können, schließlich werden auch sie nach einer gewissen Logik vergeben.

Statt sozialen Ausgleichs, der Widerspruche kompensiert, die durch die Konkurrenz innerhalb der Eurozone entstehen, wird die Logik der Wettbewerbsfähigkeit unterstützt: Die EU-Regionalpolitik stellt »eine zukunftsgerichtete Strategie dar, die Betrieben der Peripherie mit relativen Konkurrenzvorteilen auf europäischen Märkten zum Durchbruch verhilft. Insofern kompensiert die Regionalpolitik auch nicht die ökonomischen Nachteile, die sich aus dem Binnenmarkt ergeben, sondern fungiert umgekehrt als Instrument zur verbesserten Nutzung der potenziellen Vorteile, die sich auch fur Teile der peripheren Wirtschaft infolge der Marktintegration bieten«, so bereits Ingeborg Tömmel in ihrer Studie zur staatlichen Regulierung und europäischen Integration vor 20 Jahren. Das bedeutet nichts anderes, als dass auch die EU-Regionalpolitik die Austeritätslogik darin unterstützt, Gewinner und Verlierer zu produzieren, oder wie es im EU-Sprech heißt: die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Dieses Beispiel zeigt, dass es nicht allein um die Troikapolitik geht, darum, wie das Kleingeruckte des nächsten »Hilfsprogramms« aussieht. Vielmehr müssen die EU-Institutionen selbst Gegenstand eines grundlegenden Transformationsprozesses werden, um auch nur etwas sozialdemokratisch-reformistische Politik zu ermöglichen.

Ingo Stützle

 Erschie­nen in: ak — ana­lyse & kri­tik. Zei­tung für linke Debatte und Pra­xis, Nr. 603 vom 17.3.2015