Aufgeblättert: Stefan Beck zur deutschen Exportorientierung

Im Zuge der Eurokrise wurde oft kritisiert, dass Deutschlands Wirtschaft stark auf den Export ausgerichtet ist, eine sogenannte merkantilistische Strategie fährt. Die dadurch entstehenden Handelsungleichgewichte, wenn einige Länder mehr exportieren als importieren, wirken destabilisierend – vor allem dann, wenn man eine gemeinsame Währung hat: den Euro. Dass die deutsche Strategie kein neues Phänomen ist, zeigt Stefan Beck in seiner wichtigen Studie über die wirtschaftliche Entwicklung seit den 1950er Jahren. Er stellt dabei zwar einen Wandel innerhalb der Exportorientierung ab den 1980ern fest, als Deutschland verstärkt auf den europäischen Binnen- und den Weltmarkt setzte, aber der Export spielte seit dem Koreakrieg Anfang der 1950er Jahre immer eine besonders wichtige Rolle. Während in der ersten Phase hohe Löhne und Wirtschaftswachstum noch keinen Widerspruch zur Exportorientierung darstellten, ist die Phase seit den 1990er Jahren von einer »Unterdrückung lohngetriebener Wachstumsimpulse« geprägt. Ein sogenannter selektiver Korporatismus, der Teile der Gewerkschaften und der Lohnabhängigen auf Kosten anderer Teile einbindet, sicherte selbst bei sinkenden Löhnen das »Modell Deutschland«. Beck zeigt also, dass das, was die Gewerkschaften derzeit beklagen – schwache Binnenwirtschaft aufgrund niedriger Löhne – etwas ist, was sie aktiv mitgetragen haben bzw. das gegenwärtige wettbewerbsorientierte Modell gerade ausmacht.

Ingo Stützle

Stefan Beck: Vom Fordistischen zum Kompetitiven Merkantilismus. Die Exportorientierung der Bundesrepublik Deutschland zwischen Wirtschaftswunder und Europäischer Krise. Metropolis, Marburg 2014. 426 Seiten, 38 EUR.

Erschienen in: ak — ana­lyse & kri­tik. Zei­tung für linke Debatte und Pra­xis, Nr. 600 vom 16.12.2014.