Heideggers Philosophie hat ganz konkret und ganz unmittelbar Farbe bekannt

Jürgen Kaube hat in der FAZ Martin Heideggers Schwarze Hefte besprochen, die gerade erschienen sind. Er fragt:

»War Martin Heidegger Antisemit? Die Antwort lautet spätestens von heute an: ja.«

Auch für Michae Brumlik ist klar: die Schwarzen Hefte formulieren eine Hoffnung auf eine Welt ohne Judentum.

heideggerstraße
CC-Lizenz, Maximilian Halstrup

Als ich mit dem Studium begann, habe ich mich der sperrigen Universitätssprache u.a. mit Adornos Vorlesungen zur philosophischen Terminologie angenähert, die er 1962/1963 in Frankfurt am Main hielt (und leider noch nicht im Rahmen der Nachgelassenen Schriften erschienen sind).

Im Sommer 1962 machte Adorno in einer Vorlesung deutlich, dass Martin Heidegger mit seiner Blut-und-Boden-Philosophie Farbe bekenne. Nach der Vorlesung zu Heidegger am 10. Juli 1962 bekam er einen »Hörerbrief«. Seine 14. Vorlesung (12. Juli 1962) beginnt wie folgt:

»Es ist mir aus ihrem Umkreis eine Zuschrift zugekommen, in der ein junger Kommilitone mich rügt wegen der Art der Polemik gegen Heidegger. Die Zuschrift trägt die volle Unterschrift. Ich habe mich über sie sehr gefreut; denn sie ist das Zeichen von wirklicher Zivilcourage und sie scheint mir außerdem ein Index dafür zu sein, dass das, was ich ihnen sage, um in der Sprache jener Zuschrift zu bleiben, nicht rein akademisch von ihnen aufgefasst wird, sondern dass es ihnen, um es weniger akademisch auszudrücken, unter die Haut geht. Ich glaube, dass ich dem Kommilitonen nicht besser meine Achtung erweisen kann, als indem ich im Detail auf seine Einwände eingehe und dabei vielleicht doch auch einiges von dem letzten Zusammenhang klarer mache.«

Gesagt, getan und Adorno resümiert in seiner zweiten Vorlesung zu Heidegger:

»Diese Philosophie [Heideggers] hat … ganz konkret und ganz unmittelbar Farbe bekannt.«

Dass sich der Kommilitone auf den deutschen Schlips getreten fühlte, mag nicht verwundern, wenn man liest, wie Adorno die Lesung zu Heidegger ein paar Tage zuvor beendet hatte:

»Die Komik jener Blut-und-Boden-Ideologie liegt nicht zuletzt darin, dass, was da geliefert wird und was mit dem emphatischen Anspruch auftritt, das Sein selber zu sein, zu arm ist und zu dürftig, um nicht geradezu so etwas wie einen Arme-Leute-Geruch auszuströmen. Man hat das Gefühl, wenn das Absolute nichts anderes ist als die Luft, die um eine solche armselige Ofenbank herum herrscht, dann möchte man lieber nichts damit zu tun haben.«

Über 50 Jahre später (!!!) schreibt Jürgen Kaube angesichts der Braunen Schwarzen Hefte in der FAZ dann auch:

»Insofern geschieht es diesen Werken Heideggers recht, wenn fast nur noch über ihren Autor und nicht mehr mit ihnen diskutiert wird.«