FAQ. Noch Fragen? Es kann nur eine Bankenunion geben

EZB-Neubau.August-2013
Auch im August 2013 war die Welt nicht mehr in Ordnung: EZB-Neubau in Frankfurt am Main. Foto: Lutz Koch, Flickr, CC BY-NC 2.0

Mit dem Fall von Lehman Brothers 2008 zog das internationale Bankensystem im Zuge der Finanzkrise auch die kapitalistischen Kernstaaten tief in die roten Zahlen. Mit Staatsgeldern wurden Banken gerettet. »Too big to fail« war das Motto der Stunde, das die Staaten an das Wohlergehen der Banken kettete. Die EU-Staaten hatten in der Krise Bürgschaften und Finanzhilfen von 5,1 Billionen Euro aufgelegt – 40 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts. Davon wurde etwa ein Drittel beansprucht. Seit dem ist nicht viel, aber etwas geschehen. Unter anderem wurde eine Bankenunion auf Europas To-Do-Liste gesetzt.

Vorangetrieben wurde die Entscheidung zu einer Bankenunion durch die Bankenkrise in Spanien. Die dort geplatzte Immobilienblase führte dazu, dass viele Banken der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone auf faulen Krediten sitzen. Ziel der Bankenunion ist: Keinem Euro-Staat soll es möglich sein, die eigenen Banken im Alleingang rauszuhauen, dafür die Staatsschulden zu erhöhen und – so die Argumentation – den Euro in seiner Solidität zu gefährden. Gerade weil die EU-Staaten möglichst viel Spielraum bei der Unterstützung ihrer Banken haben wollen, torpedieren sie (und vor allem Deutschland) das, was sie mit der Bankenunion bezwecken wollen.

Kernelement ist die Bankenaufsicht, gegen die sich Deutschland zunächst sträubte, weil sie es ermöglichen sollte, dass Banken direkt beim Eurorettungsschirm ESM Hilfsgelder beantragen können. Bisher konnten dies nur Staaten stellvertretend für »ihre« Banken tun. Im Gegenzug wurden den Regierungen Sparprogramme aufgezwungen. Eine Daumenschraube, die Deutschland nur ungern aus der Hand geben wollte. Dennoch ist die Europäische Bankenaufsicht (Single Supervisory Mechanism, SSM) die einzige der drei geplanten Säulen, die feststeht und die Bankenunion ausmachen soll. Von 6.000 Banken werden nun unter dem Dach der EZB jedoch nur die scheinbar wichtigsten 150 beaufsichtigt – die restlichen Banken verbleiben unter nationaler Kontrolle. Was der SSM von den nationalen Aufsichten unterscheidet, die die letzte Bankenkrise nicht verhindern konnten, ist unklar. Und: Während die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin zumindest noch der parlamentarischen Kontrolle unterliegt, fehlt diese für den SSM. Da sie bei der EZB angesiedelt ist, gibt es zudem einen massiven Zielkonflikt: Während die EZB die Banken zu Geldgeschäften animiert und dafür mit Liquidität versorgt, soll die bei ihr angesiedelte Aufsicht das möglicherweise entstehende Engagement begutachten, bremsen, tadeln.

Als zweite und dritte Säule der Bankenunion sind ein System zur Bankenabwicklung und -sanierung sowie eine europäische Einlagensicherung vorgesehen. Mit der Bankenabwicklung wird das Ziel verfolgt, bei zukünftigen Krisen nicht in eine vermeintlich alternativlose Too-big-to-fail-Situation zu geraten – Banken sollen Pleite gehen können, ohne dass einem gleich der ganze Kapitalismus um die Ohren fliegt. Deshalb soll es einheitliche Regeln dafür geben, wie Banken abgewickelt werden, etwa in welcher Reihenfolge GläubigerInnen bedient werden. Wer soll aber über die Abwicklung entscheiden? Deutschland hat im EU-Finanzministerrat durchgesetzt, dass die EU-Mitgliedsstaaten das letzte Wort haben, also keine EU-Institution – was einer Aushebelung der Europäisierung gleichkommt, die die Bankenunion ja gerade anstrebt. »Deutschland neigt zum Intergouvernementalismus, und das ist der Spielplatz der großen Staaten«, kommentierte Vizekommissionspräsident Olli Rehn.

Auch gegen eine europäische Einlagensicherung wehrt sich Deutschland bis heute. Warum soll der deutsche Michel für die Spareinlagen in Spanien oder Griechenland geradestehen? Statt einer europäischen Einlagensicherung wurde deshalb ein Einlagensicherungsfonds auf den Weg gebracht. In zehn Jahren sollen die Banken 55 Milliarden Euro aufbringen. Zehn Jahre lang, bis der Fonds gefüllt ist, dürfen also keine Banken in Schwierigkeiten geraten. Auch die Gesamtsumme, die für den Fonds vorgesehen ist – ein Hundertstel der in der Krise mobilisierten Bankenhilfen – macht deutlich: Groß darf die nächste Bankenkrise nicht werden.

Bis März 2014 wollen Frankreich und Deutschland mit dem EU-Parlament einen Kompromiss in Sachen Bankenunion hinbekommen. Das Parlament soll nämlich beim Gesetzgebungsverfahren als politische Instanz ausgespart werden. Das, so einige KritikerInnen, widerspricht aber dem EU-Vertrag. Diese Entwicklungen zeigen, dass die Eurokrise sich zunehmend in eine politische Krise der EU transformiert. Konflikte darüber, wer für die Folgen der Krise und Anpassungslasten zahlen soll, werden nicht nur zunehmend autoritär gegen die Bevölkerung durchgesetzt, sondern auch verstärkt zwischen den wichtigsten Ländern – unter Umgehung der EU-Institutionen.

Ingo Stützle

Erschinen in: ak. analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 591 vom 18.2.2014, S. 5.