Linke Literatur mit politischem Rahmenprogramm: Der Verleger Jörg Sundermeier im Interview

Jedes Jahr im Oktober findet in Frankfurt die Buchmesse statt. Der Büchermarkt ist in einem Umbruch begriffen – nicht nur, weil sich mit Internet und E-Books das Leseverhalten verändert hat. Auch weil es Zentralisierungsprozesse gibt, was kleineren Verlagen mehr Spielraum gibt und sie zugleich unter Druck setzt. Über den Büchermarkt, kritisches Potenzial von Literatur, dicke Bücher und E-Books sprach ich für ak – analyse & kritik mit Jörg Sundermeier vom Berliner Verbrecher Verlag. Wenige Wochen vor der Buchmesse in Frankfurt am Main, im Biergarten des Clash im Berliner Mehringhof, ergab sich bei ein paar Bieren folgendes Gespräch.

Friedrich Engels meinte 1877 über die Leipziger Buchmesse, zu seiner Zeit die größte Buchmesse Europas: »Man streitet nicht mit Leuten, die in der Ökonomie unwissend genug sind, den Leipziger Büchermarkt überhaupt für einen Markt im Sinne der modernen Industrie anzusehn.« Stimmt der Satz noch?

Jörg Sundermeier: Ende der 1990er, als ich langsam begriff, wie der Buchmarkt funktioniert, wurde bereits diskutiert, warum Hugendubel, Thalia und Weltbild einen aggressiven Verdrängungswettbewerb fahren. Aus Spaß habe ich damals zu einem Verlegerkollegen gesagt: Den Börsenverein des deutschen Buchhandels gibt es seit über 150 Jahren, und jetzt merken sie, dass Kapitalismus ist.

Von Konrad Adenauer ist der Satz überliefert, dass bei Tarifverhandlungen immer drei Partner am Tisch sitzen: die Gewerkschaften, die Unternehmervertreter und: die DDR. Bis zu einem gewissen Grad galt das auch für den Buchmarkt. Es wurden lange bestimmte ökonomische Gegebenheiten geleugnet bzw. ignoriert, Zwänge, die allerdings in den Vertriebsabteilungen und in der kaufmännischen Geschäftsführung durchaus gesehen wurden. Aber eben nie so, dass auf einen aggressiven Verdrängungswettbewerb gesetzt wurde. Es gab innerhalb der Branche einen Common Sense des gegenseitigen Ausgleichens. Auch wurden Autoren nicht derart aktiv von anderen Verlagen umworben. Mit dem Fall der Mauer gingen dann viele Verschiebungen einher. Auch die Erosion eines sehr patriarchalen Stil der Unternehmensführung wie bei Suhrkamp oder Hanser.

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