FAQ. Noch Fragen? Sind Bitcoins Geld?

Mitte August war zu lesen, dass das Bundesfinanzministerium die virtuelle »Währung« Bitcoins als Rechnungseinheit anerkennt. Das geht aus einer kleinen Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler hervor. Bitcoins sind Münzen (Coins), die eine digitale Form haben. »Bit« verweist auf die Binärziffern (1/0), die Einheiten mit denen die Informationstechnologie arbeiten und Datenmengen und -übertragung gemessen werden (acht Bits sind ein Byte).

Auf Grundlage der auch bei Musiktauschbörsen verwendeten BitTorrent-Technik (Peer-to-Peer) organisiert ein Bitcoinnetzwerk den Bezahlvorgang. Das Netzwerk setzt auf eine ähnliche Verschlüsselung wie PGP (Pretty Good Privacy), garantiert derart die Authentizität der Vorgänge und soll die Bitcoins fälschungssicher machen. Kein Wunder also, dass das Konzept 2008 auf einer Mailingliste für Kryptografie erstmals öffentlich diskutiert wurde. Eine vollständige Anonymität kann es deshalb jedoch nicht geben. Die Bestätigung eines Bezahlvorgangs durch das gesamte Netzwerk, der Kern der Idee, bedeutet, dass Anonymität nicht möglich ist. Die Transaktionen werden in einer »History« gespeichert. Damit geht jedoch ein Vorteil von Geld verloren: Geld stinkt plötzlich wieder.

Was versprechen Bitcoins? Im Netzwerkprotokoll ist festgelegt, dass es nur 21 Millionen Bitcoineinheiten geben darf. Die Geldmenge ist also begrenzt und wird durch sogenanntes Mining gefördert. Dafür lösen Computer der NetzwerkteilnehmerInnen sinnlose und immer aufwendigere Rechenaufgaben. Wer sich ständig dabei beteiligt, hat eine größere Chance, einen der alle zehn Minuten zufällig ausgeschütteten Bitcoins zu erhalten, die dann weiterverkauft werden können. Inzwischen ist das jedoch für PrivatanwenderInnen nicht mehr lukrativ, da die Kosten für den für das Mining aufgewendete Strom etc. den Wert der gehobenen Bitcoins nicht mehr aufwiegen.

Bitcoins sind bisher nicht besonders handlich. Sie haben auch nicht wie Regionalwährungen den Zweck, regionale Wirtschaftskreisläufe zu unterstützen. Was macht Bitcoins so attraktiv? Die Affinität speist sich aus einer gewissen Staatsskepsis – und Inflationsangst. Deshalb ist die Gesamtmenge auch begrenzt. Die Angst vor Inflation ist der dominierende Soundtrack – von den ersten Gründungsdokumenten bis zu aufwendig produzierten Werbeclips. Auf Bitcoin.de beginnt der Film auch gleich mit der Inflationsgefahr – im Hintergrund hängt der neoklassische Fundamentalist Friedrich August von Hayek an der Wand. Deshalb passt es auch, dass Schäffler die Anerkennung von Bitcoins als Privatgeld mit einem Hayek-Zitat begrüßt, der so liberal war, dass er dem Staat absprach, Geld »prägen« zu dürfen. Vielmehr sollten vieler Gelder auf dem Markt um Vertrauen konkurrieren. Damit gründet die Alternativwährung auf einer neoklassischen Argumentation, die sich fundamental von einer marxschen oder auch keynesianischen Argumentation unterscheidet. Allein die Geldmenge bestimmt das Preisniveau. (Siehe ak 551)

Bitcoins sind derzeit vor allem Spekulationsobjekt. Sie werden in der Hoffnung gekauft, sie teurer wieder verkaufen zu können. Kursbewegungen von bis zu 20 Prozent sind keine Seltenheit. Im April 2013 schwankte die scheinbar stabile Währung an einem Tag zwischen 263 und 135 US-Dollar. Wer will mit einem solchen »Geld« seine Brötchen kaufen? Genau hier zeigt sich auch, dass Bitcoins eben kein Geld sind. Im »Bitcoinparadies« Gräfekiez in Berlin zahlt man de facto in Euro. Der zum Verkauf angebotene Burger ist in Euro ausgeschrieben. Erst beim Bezahlvorgang wird der Preis in Bitcoins umgerechnet – und zwar zum Kurs, den das jeweilige App des Smartphones anbietet (etwa über bitcoincharts.com) – also nicht einmal zum offiziellen Kurs.

Das bedeutet: Beim Burgerkauf verkauft der Käufer Bitcoins an den Verkäufer in Euro. Der Euro ist hier also nach wie vor Maß der Werte und der Maßstab der Preise, das, was das Geld zum Geld macht. Dass etwas, was kein Geld ist, Geldfunktion übernehmen kann, ist nicht neu. Seit Hunderten von Jahren werden mit Zahlungsversprechen (etwa Wechsel) Transaktionen getätigt.

Bei der Debatte um Bitcoins wird deshalb eine Diffusion wiederbelebt, mit der schon Marx zu kämpfen hatte: Was ist Geld, was ein Zahlungsversprechen, was Kredit und wieso bringt der Warentausch organisch immer wieder neue Formen des Handelskredits und »Privatgeld« hervor? Bitcoins sind also auch Zahlungsversprechen. Es ist ein Versprechen auf richtiges Geld. Fehlt das Vertrauen, dass hinter einem Versprechen auch tatsächliche Bezahlung steht, kann auch ein Bitcoin sehr schnell nichts mehr Wert sein. Da nützt auch ein ausgeklügeltes System nichts.

Ingo Stützle

Erschienen in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 586 vom 17.9.2013