FAQ. Noch Fragen? Sind Bitcoins Geld?

Mitte August war zu lesen, dass das Bundesfinanzministerium die virtuelle »Währung« Bitcoins als Rechnungseinheit anerkennt. Das geht aus einer kleinen Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler hervor. Bitcoins sind Münzen (Coins), die eine digitale Form haben. »Bit« verweist auf die Binärziffern (1/0), die Einheiten mit denen die Informationstechnologie arbeiten und Datenmengen und -übertragung gemessen werden (acht Bits sind ein Byte).

Auf Grundlage der auch bei Musiktauschbörsen verwendeten BitTorrent-Technik (Peer-to-Peer) organisiert ein Bitcoinnetzwerk den Bezahlvorgang. Das Netzwerk setzt auf eine ähnliche Verschlüsselung wie PGP (Pretty Good Privacy), garantiert derart die Authentizität der Vorgänge und soll die Bitcoins fälschungssicher machen. Kein Wunder also, dass das Konzept 2008 auf einer Mailingliste für Kryptografie erstmals öffentlich diskutiert wurde. Eine vollständige Anonymität kann es deshalb jedoch nicht geben. Die Bestätigung eines Bezahlvorgangs durch das gesamte Netzwerk, der Kern der Idee, bedeutet, dass Anonymität nicht möglich ist. Die Transaktionen werden in einer »History« gespeichert. Damit geht jedoch ein Vorteil von Geld verloren: Geld stinkt plötzlich wieder. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Sind Bitcoins Geld?”

Die Europapolitik des deutschen Machtblocks und ihre Widersprüche

Ein in der Krise oft zu hörender Satz ist:

»Die Politik macht doch eh nur das, was die Wirtschaft will.«

Und mit etwas staunendem Unverständnis wird gerne ein weiterer Satz formuliert:

»Die deutsche Politik, die auf Austeritätspolitik im EU-Ausland drängt, schadet doch der deutschen Exportwirtschaft.«

Während die erste Feststellung eine einheitliche Entität (»die Wirtschaft«) unterstellt, die dieses oder jenes meinen oder wollen könnte, geht der zweite Satz davon aus, dass sich das Interesse des exportorientierten Kapitals unmittelbar in die Politik der deutschen Bundesregierung umsetzt oder bei der politischen Elite die Lehrbuchvernunft eines keynesianistisch, makroökonomischen Lehrbuchs gefunden werden könnte.

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Sound Money: Was die monetaristische Ideologie der EZB mit Berlusconi zu tun hat

»In einem neuen Buch macht das frühere EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi brisante Aussagen darüber, wie nahe Italien unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi vor einem Austritt aus der Währungsunion stand und wie lange Kanzlerin Angela Merkel angeblich einen Ausschluss Griechenlands für möglich hielt.«

Berlusconi
Foto: CC-Lizenz/lorenzopierini

Das ist in der heutigen FAZ zu lesen. Sie bezieht sich auf Smaghis Buch »Morire di austerità. Democrazie europee con le spalle al muro«, das im April auf Italienisch erschien (und seit Juli in einer englischen Version vorliegt). Continue reading “Sound Money: Was die monetaristische Ideologie der EZB mit Berlusconi zu tun hat”

Betr.: Regierungswechsel in Chile

An die
Farbwerke Hoechst AG,
Postfach 800320,
6230 Frankfurt/Main 80:
Santiago de Chile

17. September 1973

Der so lang erwartete Eingriff der Militärs hat endlich stattgefunden … Säuberungsaktion ist immer noch im Gange… Wir sind der Ansicht, daß das Vorgehender Militärs und der Polizei nicht intelligenter geplant und koordiniert werden konnte, und daß es sich um eine Aktion handelte, die bis ins letzte Detail vorbereitet war und glänzend ausgeführt wurde… Chile wird in Zukunftein für Hoechster Produkte zunehmend interessanter Markt sein … Die Regierung Allende hatdas Ende gefunden, das sie verdient […] In den drei Jahren marxistischen Systems haben die hiesigen Hoechster Unternehmen viele schwierige Probleme und Epochen überwinden müssen; ohne Ihre Unterstützung und Ihr Verständnis für unsere Situation wäre dies nicht möglich gewesen. Wir möchten Ihnen bei dieser Gelegenheit hierfür allerherzlichst danken und der Überzeugung Ausdruck geben, dass es der Mühe wert war, dass Sie und wir die Sorgen und Probleme dieser Jahre auf uns genommen und sie durchgestanden haben.

Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift unleserlich)

Auszüge aus einem siebenseitigen Brief der chilenischen Tochtergesellschaft an die Farbwerke Hoechst AG

Staatsgefährdendes Propagandamaterial Marx-Engels-Werke

Kommende Woche trägt Oskar Negt zu seinem Verhältnis zur Frankfurter Schule vor (Flyer). Vor drei Jahren hat er einen Teil seines Vorlasses dem Archivzentrum der Frankfurter Universitätsbibliothek übergeben (hier aufgeführt). Ein Schriftverkehr zeigt, wie schwer es 1960 unter Adenauer war, sich mit Marx auseinanderzusetzen.

Nach der Beschlagnahmung eines an Negt adressierten Pakets schreibt das Amtsgerichts Frankfurt an Negt:

»Es wird Ihnen mitgeteilt, dass ein an Sie gerichtetes Paket aus der Sozialistischen Besatzungszone, in welchem sich staatsgefährdendes Propagandamaterial befand, auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen von dem Amtsgericht in Rothenburg beschlagnahmt worden ist.« (Quelle)

Worauf Negt wartete: Bände der Marx-Engels-Werkausgabe (MEW). Negt, der derzeit bei Adorno promovierte, antwortete:

»Auf Grund des innerdeutschen Handels sind alle Bücher, die im Dietz- und Aufbauverlag erschienen sind, im westdeutschen Buchhandel erhältlich. Ich folgere daraus, dass sie deshalb nicht staatsgefährdend sein können.«

Was dem Archiv leider bei der Archivierung entgangen ist: Es kann sich nicht um Ausgaben der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) gehandelt haben, wie es dort heißt, denn diese erschien erst ab 1975 im Dietz-Verlag (siehe u.a. hier).

Der alte Schlawiner lebt

Die Welt stehe »vor dem Epochenbruch«, hat Anfang August der Linken-Politiker Manfred Sohn hier geschrieben und erläutert, warum die gegenwärtige Krise seiner Meinung nach keine »normale« ist und was das für die gesellschaftliche Linke heißt. Alban Werner hat darauf geantwortet – mit dem kritischen Hinweis, dass wir »noch nicht am Ende der kapitalistischen Fahnenstange« sind. Sabine Nuss und ich haben den Staffelstab aufgenommen und antworten auf die von Manfred Sohn angestoßene Debatte um das Ende des Kapitalismus:

»Der Kapitalismus, der alte Schlawiner, is uns lang genug auf der Tasche gelegen« – so singt Peter Licht in dem wunderschönen »Lied vom Ende des Kapitalismus« und frohlockt im Refrain: »Vorbei – Jetzt isser endlich vorbei«. Die Realität allerdings sieht anders aus. Der Kapitalismus ist lebendig wie eh und je und daran wird sich voraussichtlich erst mal nicht sehr viel ändern. Während die bürgerlichen Medien derzeit das Ende der Krise des Kapitalismus ankündigen, debattiert man im Neuen Deutschland über das Ende des Kapitalismus. Auftakt gab ein Artikel von Manfred Sohn.

Weiterlesen bei neues-deutschland.de

Update (5.9.2013): Die Debatte geht inzwischen weiter – nicht nur in den Kommenarspalten. Arno Klönne schrieb einen weiteren Beitrag für das nd und Elmar Flatschart hat auf der Webiste von Exit die ersten beiden Beiträge kommentiert.