FAQ. Noch Fragen? Ökonomie der Immobilienblase

Vor kurzem war in der FAZ (5.8.2013) zu lesen: »Österreicher flüchten in Betongold. Die Grundstückskäufe florieren«. Entsteht hier eine Spekulationsblase, und was ist überhaupt eine Immobilienblase? Zunächst ist festzuhalten, dass die Herrschaft der kapitalistischen Produktionsweise immer Spekulation bedeutet – bereits bei ihrer elementaren Form, der Warenproduktion. Ob eine Ware auf ein gesellschaftliches Bedürfnis und eine zahlungsfähige Nachfrage trifft, stellt sich erst im Nachhinein heraus. Es ist spekulativ, ob aufgewendete Arbeit wirklich als gesellschaftlich notwendige anerkannt wird. Nicht anders verhält es sich bei Immobilien. Nicht das Bedürfnis (etwa nach einem Dach über dem Kopf) steht im Vordergrund, sondern potenzielle (und steigende) Mieteinnahmen oder Preissteigerungen: aus G soll G’ werden und es ist unklar, ob das klappt.

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Was ist das Besondere an Immobilien? Grund und Boden sind beschränkt, im Gegensatz zu Waren des alltäglichen Lebens (Brot, Software) können sie nicht beliebig (bzw. abhängig von Rohstoffen) produziert werden. Das ist ein Grund, warum bei sehr hohen Quadratmeterpreisen in die Höhe gebaut wird. Zudem ist das Eigentum an Immobilien verbrieft, d.h. neben dem physischen Grund und Boden existiert ein Eigentumstitel. Das Besondere ist auch, dass der Preis einer Immobilie nicht wie bei Waren des alltäglichen Gebrauchs wesentlich von der Produktivität der Arbeit abhängt, sondern von der zukünftig erwartbaren Grundrente, d.h. den regelmäßig gezahlten Summen für die Nutzung von Grund und Boden (z.B: Pacht, Miete) – danach richtet sich der Preis des Eigentumstitels.

Das wird Kapitalisierung genannt: Verzinst sich ein angelegtes Kapital durchschnittlich mit etwa zwei Prozent und wirft ein Grundstück oder ein (Miet-)Haus 20.000 Euro monatlich ab (240.000 Euro im Jahr), dann liegt dem ein Grundeigentum im Wert von zwölf Millionen Euro zugrunde – es wird sozusagen rückwärts gerechnet, die Mieteinnahmen werden »kapitalisiert«. Die jährlichen Mieteinnahmen entsprechen zwei Prozent des Bodenwerts oder anders herum: Das in Grund und Boden angelegte Kapital verwertet sich mit zwei Prozent.

Deshalb sind steigende Preise nicht unbedingt Anzeichen für eine Blase. Trifft etwa eine wachsende zahlungsfähige Nachfrage auf ein beschränktes Angebot an Wohnraum, dann steigen die Preise. Wächst der Wohnraum nicht und die steigenden Mieten werden weiterhin bedient, kann man nicht von einer »Überbewertung« sprechen – diese gibt es nur wenn die erwarteten Mieteinnahmen ausbleiben.

Eine Immobilienblase ist eine Form von Vermögens- und Spekulationsblase mit einer historisch immer wiederkehrenden Verlaufsform: 1. Neue Anlagemöglichkeiten und steigende Preise führen zu gestiegenen Gewinnerwartungen bei potenziellen Investoren. Ein Vermögensobjekt (hier: eine Immobilie) steigt im Preis. Die Nachfrage steigt, weil zugleich das Interesse wächst, am Wertzuwachs der Anlagen zu partizipieren. 2. Mit dem Boom und angesichts steigender Preise vergeben Banken verstärkt Kredit. Die Immobilien gelten dank steigender Preise meist selbst als Absicherung für die Kredite. Gleichzeitig werden Immobilien vermehrt gekauft, um sie mit Gewinn wieder zu veräußern. Hier lohnt es sich auch mal, Objekte leer stehen zu lassen, wenn eine allgemein gute Wirtschaftslage es ermöglicht, dass sich (das nicht in Immobilien investierte) Kapital auch anderweitig verwerten kann. Leerstand ist hier kein Ausdruck einer Krise. Auf Mieteinnahmen kann deshalb verzichtet und die Fixierung von Kapital in immobilen Anlagen hingenommen werden.

3. Anzeichen für eine Krise: Der Preisanstieg ist erschöpft. Es wird schwieriger, neue KäuferInnen zu finden. AnlegerInnen wollen ihre Gewinne realisieren und verkaufen. 4. Panik: Immobilien werden verkauft – kaum KäuferInnen gefunden, die Preise gehen in den Keller. 5. Krise: Kredite werden nicht mehr bedient, die Krise des Immobiliensektors greift auf den Bankensektor über. Die »Realwirtschaft« wird in die Krise gerissen, weil mit Verlusten ein gesamtgesellschaftlicher Nachfrageeinbruch einhergeht, Banken sich gegenseitig nicht mehr trauen und der Geldmarkt austrocknet. Immobilien finden keinen Käufer, weil ein weiterer Preisverfall erwartet wird. Leerstand ist hier ein Krisenphänomen. Die Häuser stehen leer, da die BesitzerInnen den Kredit nicht mehr bedienen konnten und die Banken auf Räumung drängen. Obdachlosigkeit steht wachsendem Leerstand gegenüber.

Für den Übergang von einer in die andere Phase können keine allgemeinen Gründe angeführt werden. Deshalb können steigende Immobilienpreise ebenso Anfang einer Krise wie Nachwehe einer anderen geplatzten Blase sein, weil AnlegerInnen versuchen, ihr Geld in vermeintliche Sicherheit zu bringen.

Ingo Stützle

Erschienen in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 585 vom 14.8.2013