Die politische Ökonomie des Sparstrumpfs

Income taxIn den 1990er-Jahren war es die ›Globalisierung‹, heute gilt die Staatsverschuldung als das zentrale Problem der Weltwirtschaft. Der Grund: Erstmals seit dem 2. Weltkrieg sind es nicht die sogenannten Entwicklungsländer, die eine Schuldenkrise erleben, sondern die etablierten Industriestaaten. In Europa sind einige Regierungen zahlungsunfähig geworden und müssen von anderen Staaten finanziert werden. In den USA wachsen die Staatsschulden in Höhen, die sonst nur nach Kriegen erreicht werden. »Geht bald die ganze Welt pleite?«, fragt die BILD-Zeitung (13.07.2011), und der SPIEGEL (32/2011) titelt »Geht die Welt bankrott?«

In der öffentlichen Diskussion scheinen zwei Dinge klar: Staatsschulden sind schlecht. Und sie sind zu viel. ›Sparen‹ ist daher das Gebot der Stunde. Die Staaten wollen ›schlanker‹ werden, öffentliches Eigentum wird privatisiert, das nationale Lohnniveau soll sinken, um die ›Wettbewerbsfähigkeit‹ des Standortes zu erhöhen. Die Staatsverschuldung zeitigt damit die gleichen politischen Massnahmen wie die ›Globalisierung‹. Im Folgenden soll zunächst allgemein dargestellt werden, wie in bürgerlicher Staat sich finanziert und warum die Schuldenaufnahme für ihn keine ausserordentliche, sondern eine normale Form der Finanzierung ist. Anschliessend werden einige gängige Annahmen über Staatsschulden kritisiert. Darüber hinaus soll erklärt werden, was Staatsschulden sind, wozu sie dienen und an wem gespart wird, wenn es heisst: »Wir müssen sparen«.

>>> Weiterlesen [pdf] in: »Die politische Ökonomie des Sparstrumpfes. Der Steuerstaat und Mythen der Staatsschuld«, in: Denknetz Jahrbuch 2012 – Auf der Suche nach Perspektiven, Zürich 2012, 14-25.

FAQ. Noch Fragen? Deutschland arm gerechnet

Nach dem 1. Mai 2013 titelte die Süddeutsche Zeitung: »Trotz europäischer Schuldenkrise: Deutsche so reich wie nie«. Nur einen Monat zuvor war in der gleichen Zeitung zu lesen: »EZB-Studie zu Wohlstand in Europa: Zyprer reicher als Deutsche«. Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, weiß der Volksmund.

Statistiken sind mit der Durchsetzung bürgerlicher Herrschaft entstanden. Bereits Marx stellte fest: »Die Statistik ist die erste politische Wissenschaft! Ich kenne den Kopf eines Menschen, wenn ich weiß, wieviel Haare er produziert.« Der Staat muss wissen, wie er seine Bevölkerung möglichst produktiv im Sinne des Kapitals zurichten kann. Dafür bedurfte es einheitlicher Längen (in Preußen galten im 18. Jahrhundert noch über 20 unterschiedliche Definitionen des Längenmaßes Fuß), Menschen wurden gezählt und ihre Wohnstätten dem postalischen und polizeilichen Zugriff gefügig gemacht: die Hausnummer wurde geboren. Menschen wurden Rechtspersonen und zur Steuerbasis. Die Entstehungsbedingungen des Wissens über »Land und Leute«, die Statistik, ist in diesem Sinne auch eine Form von Politik und Herrschaft. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Deutschland arm gerechnet”

Verarmung made in Frankfurt/M. by EZB

Thomas Sablowski und Etienne Schneider haben ein Standpunkte-Papier zur EZB geschrieben:

»Die Aktivitäten von Zentralbanken erscheinen meistens als rein technische Verfahren: Bereitstellung von Geld … Tatsächlich verbirgt sich jedoch hinter dieser vermeintlichen Entpolitisierung eine gezielte Festlegung der Zentralbanken auf die Vorgaben neoliberaler Geldpolitik. Da Zentralbanken in den gesellschaftlichen Verteilungskonflikten eine wesentliche Rolle spielen, geriet die Europäische Zentralbank (EZB) denn auch in der Krise wie kaum ein anderer europäischer Staatsapparat ins Handgemenge politischer Auseinandersetzungen, auch innerhalb der herrschenden Klassen, und wurde zu einem der wichtigsten Akteure der autoritär-neoliberalen Krisenpolitik.«

Und das Handgemenge wird mit Blockupy Ende des Monats nochmals handgreiflich werden.

Streitfrage im nd: Was taugt Keynes zur Lösung der aktuellen Krise?

Die Eurokrise hält die um die deutsche Wirtschaft besorgte Politik im Bann – auch die am Keynesianismus orientierten Linken. Angesichts des 2013 erwarteten Rückgangs des Bruttoinlandprodukts in der Eurozone zeigte sich der Chefvolkswirt der LINKEN, Michael Schlecht, sehr beunruhigt. »Wer jetzt nicht dafür sorgt, dass die Löhne kräftig steigen, gefährdet auch noch den letzten Stabilitätsanker der deutschen Wirtschaft. Das blinde Vertrauen in die positive Entwicklung der Exporte muss endlich einem gesunden Realismus weichen«, so Schlecht. Die zitierte Pressemitteilung macht ein Grundproblem des Keynesianismus deutlich. Er sorgt sich, genauso wie die neoliberalen Kräfte und Unternehmensverbände, vor allem um Kapitalakkumulation und profitable Investitionen. Continue reading “Streitfrage im nd: Was taugt Keynes zur Lösung der aktuellen Krise?”