FAQ. Noch Fragen? Europäische Bankenaufsicht

Gangster ShootDas Jahr 2012 sollte nicht ohne eine scheinbar bahnbrechende Entscheidung in Causa Euro zu Ende gehen. Kurz vor Weihnachten einigten sich die EU-FinanzministerInnen sowie Staats- und Regierungschefs auf einen Kompromiss zur Errichtung einer Bankenunion, die bis März 2013 funktionsfähig sein soll. Bereits im Sommer wurden die ersten Weichen für den sogenannten Single Supervisory Mechanism (SSM) gestellt.

Hintergrund: Die Krise seit 2007 trieb weltweit viele Banken in die Pleite oder an den Rand des Ruins. Die damit einhergehende Krise der Geld- und Kreditversorgung stellte die politische Klasse vor eine schwierige Frage: Wie teuer darf die Rettung des Systems werden? Während die einen dafür plädierten, Banken Pleite gehen zu lassen, um ihnen nicht ständig Geld hinterherwerfen zu müssen, das schließlich die SteuerzahlerInnen aufzubringen haben, warnten andere davor, dass ein nicht regulierter Konkurs großer, »systemrelevanter« Banken die Wirtschaft insgesamt in den Abgrund reißen werde. Dieser Streit geht bis heute quer durch alle Parteien und ist im Kern keine »Sachfrage«, sondern eine soziale, d.h. eine Klassenauseinandersetzung darüber, wer für die Krise zahlt.

Dieser Konflikt ist der Hintergrund für den Vorschlag einer europäischen Bankenaufsicht, die zum einen ein »geordnetes« Insolvenzverfahren für Banken und ein europäisches System von Einlagensicherung zum Ziel hat, d.h. eine staatlich organisierte Garantie von Spareinlagen.

Vorangetrieben wurde die Entscheidung durch die Bankenkrise in Spanien. Die dort geplatzte Immobilienblase führte dazu, dass viele Banken der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone auf faulen Krediten sitzen. Spanien drängte darauf, dass die Banken europäische Hilfsgelder bekommen. Deutschland war zunächst gegen eine Bankenaufsicht, weil sie es ermöglichen würden, dass Banken direkt beim Eurorettungsschirm ESM Hilfsgelder beantragen können. Bisher konnten dies nur Staaten stellvertretend für »ihre« Banken tun. Im Gegenzug wurden den Regierungen Sparprogramme aufgezwungen. Eine Daumenschraube, die Deutschland nur ungern aus der Hand geben wollte.

Ziel der nun beschlossenen europäischen Bankenaufsicht ist es, »Fehlentwicklungen« frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Zweck der europäischen Aufsicht ist aber vor allem, allgemeine europäische Konkurrenzbedingungen herzustellen. Schließlich versucht jeder Staat in Krisenzeiten, vor allem »seine« Wirtschaft zu unterstützen. Jede nationale Bankenaufsicht würde nationale Kreditinstitute retten, Rettungsversuche in anderen Ländern hingegen als problematisch und »wettbewerbsverzerrend« erklären. Zur Erinnerung: Mit Bankenrettung im großen Stile musste in Europa Deutschland beginnen (IKB, SachsenLB und Hypo Real Estate). Was eine »systemrelevante Bank« ist, soll zukünftig von der neuen Aufsichtsbehörde festgelegt werden.

Die Kriterien sehen bisher wie folgt aus: Banken werden dann durch die EZB beaufsichtigt, wenn sie entweder (a) eine Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro aufweisen oder (b) Gesamtaktiva haben, die 20 Prozent des BIP ihres Sitzlandes übersteigen oder (c) zu den drei größten Banken ihres Landes gehören, oder (d) wenn die EZB beschließt, dass eine EU-Aufsicht notwendig ist. Derzeit stünden laut Bundesregierung etwa 150 bis 200 Banken (20 bis 30 in Deutschland) unter europäischer Kontrolle. Betrachtet die EZB es aus ökonomischen Gründen – etwa in Krisenzeiten – für angemessen, kann sie bis zu 6.000 Banken unter ihre Kontrolle stellen.

Zu Beginn war Deutschland dagegen, der EZB die Aufsicht zu übertragen. Die EZB sei für Geldstabilität zuständig; Geldpolitik und Bankenaufsicht sollten getrennt bleiben. In dieser Frage konnte sich Berlin nicht durchsetzen. Aber: Der EZB-Rat hat nicht das letzte Wort, wenn es etwa um Schließung oder staatliche Unterstützung von Banken geht, sondern die Regierungen haben weiterhin ein Wörtchen mitzureden. Darauf hatte Deutschland gedrängt. Es sichert sich damit als mächtigstes Euroland seinen Einfluss.

Deutschland konnte sich auch bei der Frage durchsetzen, Sparkassen und Volksbanken aus der EU-Beaufsichtigung auszusparen. Diese sind in Deutschland vor allem für den ökonomisch wichtigen Mittelstand von großer Bedeutung. Nicht nur dieses Beispiel zeigt, dass die Bankenaufsicht alles andere als eine politisch neutrale Veranstaltung ist. Dies unterstreicht auch der jüngste Rüffel für die dem deutschen Finanzministerium unterstellten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin): Die EU-Kommission verdächtigt die BaFin, Töchter von Auslandsbanken zu gängeln und den deutschen Kapitalmarkt zu stark abzuschotten.

Ingo Stützle

Erschienen in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 579 vom 18.1.2013