Seminarreihe zur Euro-Konstruktion. Teil I: Sinn des Euro – «Scheitert der Euro, scheitert Europa!»

Braucht Deutschland den Euro? Soll Griechenland aus der Eurozone austreten? Ist der Rettungsschirm groß genug? Muss mehr oder weniger gespart werden? Ist die Euro-Krise vorüber? Permanent konfrontieren Politiker, Ökonomen und die Medien die Bevölkerung mit solchen großen Fragen – und fordern Anteilnahme vom Publikum. Doch je weiter die Krise voranschreitet, desto unübersichtlicher wird das Feld. Da hilft nur eines: zurück an den Ursprung! Um die aktuellen Probleme Europas einzuordnen, befasst sich die Seminarreihe mit dem Grundkonzept der Euro-Konstruktion. Zunächst soll der Zweck des Euro-Projekts erklärt werden, dann sein Widerspruch und als Drittes die Art und Weise, wie die Politik mit dem Widerspruch umgeht, ohne ihn zu lösen. Als Schlusspunkt sollen linke Antworten auf die Krise diskutiert werden.

«Scheitert der Euro, scheitert Europa!», warnen Politiker. Aber was bedeutet dieser Satz? Schließlich gab es Europa und die EU schon vor dem Euro. Und hört man die Klagen der Politiker, so würde eine Rückabwicklung der Währungsunion viele Probleme lösen: Dann wären Staaten wie Griechenland vom deutschen Spardiktat befreit. Und Deutschland müsste nicht länger den «Zahlmeister Europas» spielen.

In ersten Teil des Seminars wird geklärt, warum die Euro-Staaten ihre Währungen zusammengelegt haben, welche Vorteile der Euro bietet, was es mit der Konkurrenz zum US-Dollar auf sich hat – und welches Projekt eigentlich scheitert, wenn der Euro scheitert.

Der Vortrag und die Diskussion sind nun online:

FAQ. Noch Fragen? Europäische Bankenaufsicht

Gangster ShootDas Jahr 2012 sollte nicht ohne eine scheinbar bahnbrechende Entscheidung in Causa Euro zu Ende gehen. Kurz vor Weihnachten einigten sich die EU-FinanzministerInnen sowie Staats- und Regierungschefs auf einen Kompromiss zur Errichtung einer Bankenunion, die bis März 2013 funktionsfähig sein soll. Bereits im Sommer wurden die ersten Weichen für den sogenannten Single Supervisory Mechanism (SSM) gestellt.

Hintergrund: Die Krise seit 2007 trieb weltweit viele Banken in die Pleite oder an den Rand des Ruins. Die damit einhergehende Krise der Geld- und Kreditversorgung stellte die politische Klasse vor eine schwierige Frage: Wie teuer darf die Rettung des Systems werden? Während die einen dafür plädierten, Banken Pleite gehen zu lassen, um ihnen nicht ständig Geld hinterherwerfen zu müssen, das schließlich die SteuerzahlerInnen aufzubringen haben, warnten andere davor, dass ein nicht regulierter Konkurs großer, »systemrelevanter« Banken die Wirtschaft insgesamt in den Abgrund reißen werde. Dieser Streit geht bis heute quer durch alle Parteien und ist im Kern keine »Sachfrage«, sondern eine soziale, d.h. eine Klassenauseinandersetzung darüber, wer für die Krise zahlt. Continue reading “FAQ. Noch Fragen? Europäische Bankenaufsicht”

Vortrag und Diskussion: Kein Staat zu machen? Die Krise, der Staat und die Linke

Die letzten Jahre führten nicht nur vor Augen, dass der Kapitalismus nur krisenhaft zu haben ist, sondern dass der Staat alles Nötige tut, damit er nicht den Bach runtergeht. Er hat Konjunkturprogramme aufgesetzt, Banken gerettet, verstaatlicht und nicht nur Griechenland ein Sparprogramm aufgezwungen. Wer für die Krise zahlen muss, war schnell klar: Lohnabhängige, RenterInnen, Prekäre. Eine radikale und theoretisch fundierte Staatskritik ist nötiger denn je. Die Veranstaltung wird in materialistische Staatstheorie und -kritik vor dem Hintergrund der Krise einführen. Ziel ist es, Fragen zu diskutieren, die für die außerparlamentarische Linke aktuell von Bedeutung sind. Wie gestaltet sich das Verhältnis von Staat und Kapital? Ist der Staat nur Instrument und Repressionsapparat des Kapitals? Hat der Staat ein Geschlecht? Sind linke Parteien Teil des Staats und außerparlamentarische Bewegung autonom? Diese Fragen sollen mit den Theorien von unter anderem Gramsci, Althusser
und Poulantzas diskutiert werden. Vorkenntnisse sind nicht nötig.

Freitag, 8. Februar 2012, 19.30h, Infoladen Wilhelmsburg, Fährstr. 10.

Die Veranstaltung wird unterstützt vom Verein für politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

Wettbewerbsfähigkeit eine Absage erteilen. Die Linke sollte sich nicht über die »Selbstkritik« des IWF freuen

Der Chefvolkswirt des Internationalen-Währungsfonds (IWF), Olivier Blanchard, und sein Kollege Daniel Leigh haben Anfang des Jahres ein Arbeitspapier veröffentlicht, das SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen jubeln ließ: Die Sparanstrengungen der letzten Jahre hätten das Wachstum in Europa stärker beeinträchtigt als erwartet. Hatten das Linke und Gewerkschaften nicht immer gesagt?!

siestaErnsthaft bezweifelt hat die negativen Auswirkungen der Sparpolitik auf das Wirtschaftswachstum eigentlich niemand. Wenn die gesellschaftliche Nachfrage zurückgeht, etwa durch Austeritätspolitik, werden weniger Waren verkauft, bleibt das Wirtschaftswachstum aus, verwertet sich das Kapital schlechter. Denn die neoliberalen Ideologen setzen ja gerade auf einen Anpassungseffekt, setzen eben nicht auf die Seite der Nachfrage, sondern drängen auf die Verbesserung des Angebots, sprich: besser ausbeutbare Arbeitskraft. Löhne, soziale Abgaben und Steuern sind für das Einzelkapital wesentlich Kostenfaktor. Der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, vertritt sogar öffentlich die Position, dass die negativen Effekte hingenommen werden müssten, um eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft zu ermöglichen, d.h. Kapital wieder profitabel werden zu lassen.

Dies zeigt, dass die Austeritätspolitik in Europa nicht eine Frage richtiger wirtschaftspolitischer Konzepte oder ökonomischer Vernunft ist, sondern Resultat von Klassenkämpfen und Auseinandersetzungen darüber, wie die Krisenlasten sozial verteilt werden – auch zwischen den Eurostaaten. Schließlich war es vor allem Deutschland, das die Fahne des Sparens und der Strukturanpassung hochhielt. Für das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen sind etwa Arbeitsmarktreformen in südlichen Euroländern »der Schlüssel, wenn ein Land im Euro bleiben möchte«. (Märkische Allgemeine, 3.7.2012)

Die politische Dimension zeigt sich auch daran, dass, als der IWF vor zehn Jahren eine Auswertung seiner fiskalischen Anpassungsprogramme zwischen 1993 und 2001 vorlegte, er zu dem kaum erstaunlichen Ergebnis kam, dass immer wieder zu hohe Sparauflagen verordnet wurden, weil das Wirtschaftswachstum zu stark fiel. Würde der IWF seine eigene wissenschaftliche Kompetenz ernst nehmen, wäre er als Teil der Troika kaum dabei gewesen, die von der Krise betroffenen Länder der Europeripherie mit Austeritätspolitik und Anpassungsmaßnahmen zu überziehen. Das Verhätnis von wissenschaftlicher Expertise und politischer Strategie zeigte sich auch keine Woche nach der Veröffentlichung des IWF-Arbeitspapiers: Von Portugal forderte der Weltwährungsfonds Kürzungen im Umfang von vier Milliarden Euro, 50.000 Entlassungen im öffentlichen Dienst; außerdem sollen die Renten um 20 Prozent gekürzt und die Gesundheitsgebühren angehoben werden.

Es gibt aber keinen Grund für Linke, sich über die selbstkritische Beurteilung der Sparmaßnahmen freuen. Die zu erreichenden Ziele, die mal mit mehr oder weniger defizitfinanzierter Wirtschaftspolitik verfolgt werden, sind nämlich die gleichen: Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und günstige Rahmenbedingungen für die Kapitalverwertung schaffen.

Das Ziel der Konkurrenzfähigkeit ist nämlich das Lebenselixier der Kapitalverwertung und der Soundtrack für einen aggressiven Nationalismus und Rassismus innerhalb Europas.

Eine Voraussetzung dafür ist in Deutschland der Bruch der Gewerkschaften mit der Sozialdemokratie. Dass dieser nicht abzusehen ist, weiß auch die Bundesregierung, die die deutschen Mitmachgewerkschaften an ihrer Seite hat. Das bezeugte die Neujahrsrede von Angela Merkel: »Es sind die … Gewerkschafter und Unternehmer, die gemeinsam für die Sicherheit der Arbeitsplätze arbeiten«.

Ingo Stützle

Erschienen in: ak – analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis, Nr. 579 vom 18.1.2013